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Stellungnahme zur Weisung des Innensenators Kewenig

Flüchtlingspolitische Initiativen (Westberlin) (Gastbeitrag)
Einleitung

Stellungnahme zur Regelung des Verbleibs von AusländerInnen, die nach Abschluß des Asylverfahrens zur Ausreise verpflichtet sind oder wegen der Lage im Libanon geduldet werden.

Kewening CDU
(Bild: Screenshot RIAS TV)

Die schwerverständliche Weisung, deren Fallen erst nach längerem und gründlichem Studium zu erkennen sind, riefen große Hoffnungen bei den Flüchtlingen hervor. Wider Erwarten sind sich aber alle Gruppen und Organisationen, die seit längerem der Flüchtlingspolitik Widerstand entgegen setzen, einig, dass diese Weisung keine Änderung in der Asylpolitik ist, sondern seine Fortsetzung mit dem Versuch, Unwissenden und Gutgläubigen Sand in die Augen zu streuen.

Die Weisung ist grundsätzlich eine Abschiebungsweisung. Während sie nur für eine relativ kleine Zahl von Flüchtlingen den Verbleib in Westberlin durch die verschiedenen zu erfüllenden Bedingungen möglich macht, schreibt sie die Abschiebung bzw. Ausweisung für einen sehr großen Teil der Flüchtlinge vor.

Die Weisung Kewenigs1 verspricht allen "Altlasten", gemeint sind die Flüchtlinge die vor dem 1. Januar 1981 nach Westberlin einreisten, eine Aufenthaltserlaubnis für zunächst ein Jahr, die dann zwei mal um je zwei Jahre verlängert werden soll. Weiter sollen auch Flüchtlinge aus dem Libanon, die Kinder haben, mit einer Aufenthaltserlaubnis bedacht werden.

Von der "Altlastenregelung" sind ungefähr 3000 Flüchtlinge betroffen. Die meisten Flüchtlinge kamen erst nach 1981, so aus der Türkei, aus Kurdistan, Ceylon, aus dem Iran, aus dem Irak (...) Die Weisung sieht nach II ebenfalls eine Aufenthaltserlaubnis für Jugendliche aus dem Libanon vor, die nach 1981 gekommen sind und keine Eltern hier haben. Alleinstehende Libanesinnen und Libanesen und Flüchtlinge aus allen anderen Staaten, die nach 1981 gekommen sind, haben nach IV 2 . 1 und 2.2 auszureisen, wenn ihr Asylantrag negativ entschieden ist. Für alle Flüchtlinge die einen Antrag auf Aufenthaltserlaubnis nach dieser Weisung stellen wollen, gilt der Zwang, daß sie ihren Asylantrag selbst zurückziehen müssen, wenn er noch läuft. Hier gilt die Ausnahme, daß nur die Anträge, bei denen der Bundesbeauftragte gegen ein positives Urteil des Bundesamtes in Berufung gegangen sind, nicht zurückgezogen werden müssen.

Also, der Flüchtling selbst darf nicht gegen den Staat klagen will er ein Jahr Aufenthaltserlaubnis. Wir sehen in dem Zwang, den Asylantrag zurückziehen zu müssen, den Versuch des Senats, das "kleine Asyl" durchboxen zu wollen. Die Bundesregierung versucht seit längerem, das Asylrecht abzuschaffen, indem sie Flüchtlinge für einen begrenzten Zeitraum dulden will, um sie dann nach Überprüfung der politischen Situation des Herkunftslandes wieder zurückzuschieben - die Weisung läuft darauf hinaus.

Der Flüchtling ist gezwungen, die von ihm vorgebrachten Beweise der politischen Verfolgung selbst zu widerrufen, selbst für nichtig zu erklären. Das ist ein widerwärtiger Propagandaschachzug des Senats während er seit Jahren den Hass und den Rassismus in der Bevölkerung geschürt hat. Durch seine Lügen, nämlich dass es keine Verfolgung und keine Verfolgten gibt, sondern nur "Rauschgifthändler, Schmuggler, illegale Kriminelle, Terroristen" (...)

So sollen Flüchtlinge nun die Verfolgung Ausbeutung und Ausrottung in ihrem Herkunftsland verleugnen und sich als Ausländer für ein Jahr Aufenthalt bewerben. So braucht nun auch das Bundesamt bei der Beurteilung von Asylanträgen keine Stellung zu beziehen zu den befreundeten Terrorstaaten. Gerade die langen Bearbeitungszeit der vor 1981 gestellten Asylanträge weist daraufhin, daß sich das Bundesamt hier um eine Entscheidung gedrückt hat. Diese Anträge haben eine Chance auf Anerkennung, und genau diese soll nun selbst zurückgezogen werden. Es ist jedem zu Flüchtling davon abzuraten, seinen Antrag zurückzuziehen: wer garantiert in diesem Staat, dass er die versprochene Verlängerung auf zwei mal um zwei weitere Jahre auch einhält? Niemand! Vertrauen in diesen Staat hat keine Berechtigung - er schafft neue Gesetze, neue Erlasse, wann immer er will.

Weiterhin zu bedenken gibt die Weisung, die allen Staatenlosen, dieses sind in der Regel Palästinenser und KurdInnen aus dem Libanon, einen Fremdenpass zugesteht, der aber begrenzt ist auf Westberlin und die BRD. Nach den Genfer Abkommen sind Fremdenpässe nicht zu begrenzen. Warum nun aber für KurdInnen und PalästinenserInnen? Ihr politischer Widerstand hat sich bspw. im Libanon und in Palästina verstärkt. Die begrenzte Ausstellung eines Fremdenpasses soll die Palästinenser bzw. die KurdInnen auf deutschem Boden festnageln.

Die in der Weisung angekündigten Absicht, alle alleinstehenden jungen Libanesen abzuschieben, bedeutet hingegen diesen Flüchtlingen bliebe im Libanon nichts anderes übrig, als sich ihren Lebensunterhalt in irgendeiner Armee der verschiedenen um die Macht ringenden Gruppen zu verdienen, da es keine andere Arbeit gibt. Die sich zunächst human anhörende Weisung ist nichts anderes als ein politischer Kuhhandel, propagandistischer Schachzug und ein falsches Angebot an den Widerstand gegen die herrschende Flüchtlingspolitik, der Versuch, ihn zu befrieden, zumindest ihn zu spalten.

Die Weisung enthält ein wenig Humanität für eine kleine Gruppe von "Altlasten", die Konstruktion eines großen Gefangenenlagers für Palästinenser und staatenlose Kurden, den zwangsweisen Rücktransport von dem größten Teil der Flüchtlinge hier, den Zwang, die eigenen Asylgründe zu widerrufen für ein Jahr Sicherheit in Westberlin.

Die Weisung, die die Abschiebung aller Flüchtlinge mit abgelaufenem Asylverfahren aus allen anderen Staaten als dem Libanon und die alleinstehenden Libanesen vorsieht, schreibt auch die Ausweisung aller Straftäter fest, gleichgültig, wann gekommen, warum und woher. Flüchtlinge, die vor dem 1. Januar 1981 zu mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt worden sind, haben auszureisen, eben falls Flüchtlinge, die nach dem 1. Januar 1981 kamen und zu mehr als 90 Tagessätzen verurteilt wurden. Beachtenswert ist hierbei, dass auch die Summe einzelner kleiner Delikte, wenn sie mehr als 90 Tagessätze zusammenbringen, auch zur Ausweisung führen. Jeder weiß, wie schnell die zusammenkommen: Flüchtlinge haben 2,30 DM Taschengeld pro Tag, die nicht einmal ausreichen für eine U-Bahn-Fahrt hin und zurück, es fehlt an Bekleidung, Spielsachen usw. Übergriffe der "Arbeitsgruppe gezielte Ausländerfahndung" und Pöbeleien sowie Angriffe von Rassisten auf der Straße provozieren den Widerstand von Flüchtlingen, für den er vor Gericht immer den Kürzeren zieht.

Die Regelung für "Straftäter" gilt auch für strafunmündige Kinder mit "serienmäßigen kriminellen Handlungen (...)". Diese sind mit samt der Familie abzuschieben "weil zu vermuten ist, daß die Erwachsenen die Kinder zu ihren Straftaten angehalten oder diese zumindest geduldet haben". Hier ist Kewenigs rassistische Denkweise offensichtlich. Während der Staat wegen der ungeheuren Zunahme von Delikten bei deutschen "Straftätern" immer mehr unter den Druck geriet durch humanistische Kräfte im Lande, nicht nur durch Strafe, sondern durch Therapie dem Problem zu Leibe zu rücken, hält er aber kriminelles Handeln bei Flüchtlingen und Ausländern überhaupt für unabänderlich und versucht nun durch Sippenhaft das Problem mit der Wurzel auszurotten. Es wird wohl Eltern in Zukunft nichts anderes übrigbleiben, als ihre Kinder totzuschlagen, um zu beweisen, dass sie die Taten ihrer Kinder nicht dulden, denen es nicht immer gelingt, den Verlockungen dieser Konsumgesellschaft ohne einen Pfennig in der Tasche zu widerstehen oder die rassistischen Angriffe und Beleidigungen widerstandslos hinzunehmen.

Sie starten erneut den Versuch, das Bewusstsein über das Flüchtlingsproblem zu zerschlagen, indem sie nun Ausländern das "großzügige Angebot "einer Aufenthaltserlaubnis unterbreitet. Was heißt das für unsere politische Praxis? Wir erwarten eine große Abschiebewelle, vielleicht die größte bisher aufgrund dieser Abschiebungsweisung.

Wir werden mit allen Sinnen auf der Hut sein, ob nun auch Iraner und Tamilen bei Nacht und Nebel verschwinden. Wir werden verstärkt der Bevölkerung die Augen öffnen über die Ausbeutungs-und Unterdrückungspolitik der BRD in den Ländern, aus denen die Flüchtlinge kamen und aus denen auch weiterhin Menschen fliehen.

  • 1Wilhelm Alexander Kewenig ist CDU-Innensenator in Berlin-West war Mitglied im Studentenverbindung "KDStV Ripuaria Freiburg" im CV.