Der VS will »Einblick Nr.2« stoppen
Der Verfassungschutz (VS) hat im Oktober 1996 mehreren führenden Neonazi-Kadern und "Anti-Antifa"-Aktivisten einen Besuch abgestattet und ihnen dringend angeraten, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um das Erscheinen des "Einblick Nr.2" zu verhindern. Es würde ansonsten zu empfindlichen Gegenmaßnahmen kommen.
Andree Zimmermann (rote Jacke) gilt als Akteur der "Anti-Antifa"-Netzwerke.
Unter den Angesprochenen befanden sich laut Berichten aus der Neonazi-Bewegung unter anderem die bekannten Neonazi-Funktionäre Thomas Wulff ("Steiner") aus Hamburg, Kai Dalek aus Marktrodach, Andree Zimmermann aus Winterberg und Christian Malcoci aus Jüchen.
Malcoci hat eine Erlaubnis für einen Besuch beim inhaftierten NSDAP/AO-Chef Gerhard Rex Lauck ("Garry" Lauck) beantragt, die aber abgelehnt wurde, weil er als Kontaktperson im NSDAP/AO-Umfeld und als Mitbeschuldigter bezeichnet wurde. Der 23jährige Andree Zimmermann ist u.a. Führungskader der »Sauerländer Aktionsfront« (SAF), "Hess-Marsch"-Koordinator und seit neuestem HNG-Schriftführer. Die Polizei vermutet hinter ihm außerdem den Verantwortlichen für die Ausgabe Nr. 6 des Neonazi-Blattes »Freie Stimme« und führte bei ihm deshalb am 4. Februar 1997 eine Hausdurchsuchung durch.
Der "Einblick Nr. 2" sollte die erste Ausgabe des konspirativ verbreiteten Einblicks fortsetzen, der Ende 1993 rund 250 Adressen von »politischen Gegnern« veröffentlichte und ihnen »unruhige Nächte« androhte. Für den ersten "Einblick" wurden Norman Wolfgang Kempken und Stephane Cumic vom Jugendschöffengericht Groß Gerau zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Das Landgericht Darmstadt bestätigte das Urteil gegen Kempken in der zweiten Instanz.
Der "Einblick Nr.2" hatte allerdings einen anderen Personenkreis im Visier als "Einblick Nr. 1", er wollte sich mit dem »Repressionsapparat der BRD« befassen und Privatadressen von »feindlichen« Richtern, Juristen, Geheimdienstlern, Staatsanwälten und Polizisten veröffentlichen. Er sollte über ein niederländisches Postfach in Deutschland vertrieben werden und so staatliche Ermittlungen ins Leere laufen lassen. Als einer der treibenden Akteure hinter dem "Einblick Nr.2" gilt der Neonazi Eite Homann (Groningen) aus den Niederlanden.
Ob daraus nun aber noch etwas wird, ist unklar, denn einige der angesprochen Neonazi-Kader treten die Flucht nach vorn an und veröffentlichen die ganze Geschichte. Thomas Wulff verbreitet über das JN-Blatt "Einheit und Kampf" seine Verschwörungstheorie über einen neuen Coup des Verfassungsschutzes und erklärt, »daß von Seiten der Deutschen Aktionsbasis eine solche Broschüre weder geplant ist, noch als notwendig angesehen wird«. Kai Dalek verbreitet über seine "Kraftwerk BBS" im "Thule Netz" einen ähnlichen Text zum Thema.
Bemühungen seitens der »Deutschen Aktionsbasis«, Daten von Angehörigen der Sicherheitsbehörden zu speichern, sind allerdings schon seit geraumer Zeit feststellbar. So wurden bereits Daten des »Beamteten Gegners« im "Thule-Netz" und im "NS-Kampfruf" veröffentlicht. Laut VS-Berlin hat die Berliner "Anti-Antifa"-Szene seit spätestens 1996 ihre Aktivitäten auf Datensammlungen über Berliner Justiz- und Polizeibeamte konzentriert. Sie soll »allein bis zum 30. September 1996 die Daten von rund 40 Richtern, Staatsanwälten und Beamten des LKAs« gespeichert haben.
Spätestens bei diesem Detail-Wissen wird deutlich, wie sehr die deutsche Neonazi-Szene von VS-Leuten durchsetzt ist und wie weit der VS in der Lage ist, Neonazi-Aktivitäten im Vornherein zu unterbinden, wenn er denn will.
Ungefähr zeitgleich mit der bundesweiten Ansprechaktion des VS bekamen auch einige Berliner "Anti-Antifa"-Aktivisten von der Polizei eine ähnliche Ansage verpasst. Nachdem ein Aktivist der Berliner "Kameradschaft Beusselkiez" (Berlin-Tiergarten) Ende August 1996 auf einem Prozess gegen mehrere Neonazi-Kader zivile Polizeibeamte fotografiert hatte, durchsuchten ihre Kollegen mehr als zehn Wohnungen der "Kameradschaft Beusselkiez", allerdings ohne die Fotos zu finden.