»Tag der Heimat« in NRW
Zum »Tag der Heimat« 1996 mußten in Nordrhein-Westfalen mehrere Veranstaltungen des »Bund der Vertriebenen« (BdV) abgesagt werden, weil die antifaschistische Öffentlichkeit auf einige extrem rechte Referenten aufmerksam geworden war. Die Vertriebenenfunktionäre reagierten defensiv.
Wie rechts sind die organisierten Vertriebenen?
Betroffen waren u.a. zwei Veranstaltungen, auf denen Bernhard Knapstein, Vorsitzender der verfassungsschutzbekannten Jungen Landsmannschaft Ostpreussen e.V. (JLO) und immerhin selbst Landesvorstandmitglied des BdV in Nordrhein-Westfalen, die Festrede halten sollte.
Als nach einigen Wochen eine weitere Veranstaltung mit Knapstein platzte, wurde der Landesverband nervös. Zwar hatte die Bundesregierung bereits eine finanzielle Förderung des Seminars angekündigt, von seiten des Landes, das die Räume vermietet hatte, wollte man mit Ulta-Rechten wie Knapstein jedoch nichts zu tun haben. Ein Gerichtsverfahren, daß der Landesverband in der rechten Zeitung »Jungen Freiheit« großspurig angekündigt hatte, riskierte der BdV letztlich nicht.
Daß von den organisierten Vertriebenen, extrem Rechte bereitwilligst in die Arbeit einbezogen werden und höchste Funktionen bekleiden können, ist ein offenes Geheimnis. Selbst wohlmeinende Hinweise der Bundesregierung, die die Vertriebenenorganisationen finanziert, rühren nicht zu vorsichtigerem Verhalten oder gar einem Umdenken. So schickte die Bundesregierung den Abteilungsleiter Ruprecht, im Bundesinnenministerium zuständig für Fragen des »Extremismus« zu einer BdV-Arbeitstagung. Sie seien zwar keinesfalls extrem rechts versicherte Ruprecht den BdV-Aktiven, es sei aber an der Zeit den Verfassungsschutzbericht zu studieren und genauer zu beobachten, was sich am rechten Rand der Organisationen abspiele.
Ebenfalls einen Wink mit dem Zaunpfahl hatte Bundesfinanzminister Waigel schon früher gegeben. Die Vermögens- und Gebietsrückforderungen der Vertriebenen müßten wenigstens aus den offiziellen Satzungen verschwinden, schrieb der Finanzminister, sonst ließe sich auf Dauer die Gemeinnützigkeit nicht halten.
Im Landesverband Niedersachsen führte dieser Hinweis zu einigen tumultartigen Szenen und die Vertreter der gemäßigten, an der CDU orientierten Linie hatten Mühe eine Landesdelegiertenversammlung im Mai 1996 in der Regie zu halten. Der Vorsitzende Dietrich Radau, ein CDU-Mitglied, der jedoch kaum Berührungsängste nach rechts hat - er unterzeichnete u.a einen Aufruf des NPD-Funktionärs Hans-Michael Fiedler oder referierte beim »Ostpolitischen Deutschen Studentenverband« (ODS) - konnte sich als Landesvorsitzender nur noch knapp durchsetzen.
Ihm wurde mit Johannes Raddatz, der schon 1988 als stellvertetender Landesvorsitzender der DVU und zwei Jahre später als Landtagskandidat der NPD bekannt geworden war, ein Funktionär der extremen Rechten als Landesvorstandsmitglied zur Seite gestellt.
Integrativ wird auch im Landesverband Nordrhein-Westfalen agiert. Mit dem CDU-Politiker Rüdiger Goldmann, ist ein Landesvorstandsposten im Besitz des nationalvölkischen Witikobund e.V. Ein weiterer wird von Bernhard Knapstein, zugleich Bundesvorstizender der rechtsextemen JLO, besetzt. Auch auf höchster Ebene schreckt man nicht vor dem Schulterschluß mit der extremen Rechten zurück. So referierte der BdV-Vizepräsident Paul Latussek, Autor in »Nation & Europa«, »Der Schlesier« und anderen einschlägigen rechten Publikationen, Anfang des Jahres vor der extrem rechten Gesellschaft für freie Publizistik (GfP) im ostwestfälischen Herford.
Im Nachhinein war er dann nicht einmal bereit sich von dem Verein zu distanzieren, der auch einen Saalschutz aus regional bekannten Neonazis angeheuert hatte. Auch der »Deutsche Ostdienst« (DOD), Zentralorgan des BdV, signalisiert stets Rückendeckung. Alfred Schickel, dessen Rede zum »Tag der Heimat« 1996 in Wuppertal geplatzt war, konnte mehrfach für den DOD zur Feder greifen. Ebenso der Witikone Oskar Böse.
Der Vizepräsident Paul Latussek wurde zwar offiziell für seinen Auftritt vor der GfP gerügt, behielt aber seine zahlreichen Posten in der Organisation. Weiterhin schreibt Latussek auch in dem extrem rechten Blatt »Der Schlesier«. Auf der Hut sein muß vielmehr der gemäßigte Flügel der Vertriebenen. Weil sich die alte Jugendorganisation »Gemeinschaft Junges Ostpreußen« zu sehr als »Kulturpflegeverein« verstand und sich von der »Vorstellung Ostpreußens (...) als Teil Deutschlands« verabschiedet hatte, wurde aufgrund dieser »Aufweichungstendenz« von der Landsmannschaft mit der JLO kurzerhand eine neue Jugendorganisation gegründet.
Schon bald mußte sich der Verfassungsschutz mit deren Organ, dem »FRITZ« befassen, daß sich mit offen extrem rechten Aussagen einen Namen gemacht hat. Trotz der umfangreichen Finanzierung der Verbände durch Bundesmittel, ist fraglich wie lange die CDU/CSU es schafft die Vertriebenen in ihrem Einflußbereich zu halten. Zwar existiert um den BdV-Präsidenten Wittmann eine Lobby von Christdemokraten, doch an den rechten Rändern gewinnen die extreme Rechte immer mehr Einfluß.
Auf den diesjährigen Deutschlandtreffen der Ostpreußen und Sudetendeutschen wurden auch CSU-Politiker wie der Bundespostminister Bötsch oder Finanzminister Waigel ausgepfiffen. Insbesondere die Ostpreußische Landsmannschaft hat sich insgesamt rechts von der CDU verortet und orientiert sich an dem »Bund Freier Bürger« (BFB), dem deutschen Haider-Ableger von Manfred Brunner.
»Unter Wilhelm von Gottberg«, stellte auch »Nation & Europa« fest, »scheint sich die früher unionsfixierte Landsmannschaft Ostpreußen aus der parteipolitischen Umklammerung zu befreien und neue Verbündete zu suchen.«
Gewisse Kontakte soll die Landsmannschaft auch zu Dietmar Munier, einem ultrarechten Funktionär aus Kiel, pflegen. Dieser versucht durch Siedlungsprojekte Russlanddeutsche in der Oblast Kaliningrad anzusiedeln. Mit der »deutschen« Besiedlung soll der erste Schritt für einen späteren Anschluß an Deutschland vollzogen werden.
Auch weigern sich die Ostpreußen, revanchistische Ziele aus ihrer Satzung zu streichen. »Die Landsmannschaft erstrebt die Wiedervereinigung Ostpreußens mit ganz Deutschland...«, heißt es dort immer noch.
Doch nicht nur die Ostpreußen befinden sich auf dem Weg nach rechts. Klartext wird auch im DOD geschrieben. Dabei geht es nicht nur um revanchistische Forderungen, bei denen es die organisierten Vertriebenen noch nie an Fundamentalismus fehlen ließen. Vielmehr wird dort z.T. auch mit NS-Vokabular argumentiert, wo zuvor eher »neurechte« Konstruktionen verwandt wurden.
So in der Volksgruppenpolitik. Gingen die Volksgruppentheoretiker bislang von einer kulturellen Definition aus, dernach eine Volksgruppe sich über traditionelle Kultur, Sprache, Brauchtum oder Folklore darstellte, wird im DOD nun offen von »Volksgemeinschaften« geredet und ein Europa der »Volksgemeinschaften« propagiert.
Eine Abkehr der Verbände von ihren extrem rechten Teilen würde vermutlich eine Spaltung zur Folge haben. Deswegen wird daran festgehalten. Im Gegenteil, wer sich rechts exponiert, klettert in der verbandsinternen Hierarchie nach oben. Wenn am diesjährigen »Tag der Heimat«, Anfang September, wieder in fast jeder Stadt Veranstaltungen der Vertriebenen stattfinden ist darum erhöhte Aufmerksamkeit geboten.