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Roeder: Der späte Triumph eines Egozentrikers

Einleitung

Der Medienstar Manfred Roeder und seine Rolle im neofaschistischen Spektrum

Hupka & Roeder

Leipzig 1997: Am Rande des Kirchentages kam es zu Gesprächen zwischen Roeder und den Neonazis um JN-Kader Steffen Hupka (Bildmitte).

Nicht erst mit seinem Auftritt bei der Führungsakademie der Bundeswehr gelang es Manfred Roeder mal wieder, sich ins Gespräch zu bringen.

Die Kampagne in eigener Sache begann nach dem 14. September 1997, als er vor der Ausstellung »Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 - 1944« in Marburg provozierte, von AntifaschistInnen angegriffen wurde und wegen einer Kopfplatzwunde fortan als Opfer linker "Bestien" und "Profikiller" hausieren ging. Mit Erfolg: Für die CDU-durchsetzte »Fördergemeinschaft für Soldatenverbände« wurde der Neonazi-Terrorist zum »friedlichen Bürger«, und selbst der Marburger Oberbürgermeister Dietrich Möller (CDU) zeigte sich bestürzt darüber, daß es der Polizei nicht gelungen sei, Roeders Demonstrationsrecht zu schützen (siehe auch AIB Nr. 41).

Ob Roeder "nur" demonstrieren wollte ist nicht gesagt. Erst 1996 verübte Roeder in Erfurt zusammen mit anderen Neonazis einen Farbanschlag auf die "Wehrmachtsausstellung".

Darüber, daß sich der CDU-Bürgermeister Möller in persönlichen Telefongesprächen mit Roeder um eine Deeskalation der Situation in Marburg bemühte und diesen somit - neben GewerkschafterInnen - als Diskussionspartner akzeptierte, öffneten sich Roeder weitere Handlungsspielräume.

Im Interesse des »inneren Friedens der Stadt« verschwieg Möller Opposition und Öffentlichkeit die Anmeldung eines Aufmarsches am 9. November 1997, zu dem Roeder u.a. in einschlägigen Mailboxnetzen und auf einem Treffen der hessischen NPD-Jugend aufgerufen hatte.

Auch nutzte Roeder die Kontakte, die er sich bei seinem provokativen Auftritt am Rande des Kirchentages in Leipzig 1997 geschaffen hatte - mit dem Ergebnis, daß unter den 107 Neonazis, die am 9. November durch Marburg zogen, über die Hälfte aus »den Kreisen Muldental, Porgau, Oschatz, Riesa« (Roeder) angereist waren. Ein mitgeführtes Pappschild zeigte die heilige Elisabeth, die Schutzheilige Marburgs, auf daß diese Schutz vor den AntifaschistInnen bieten möge. Der Aufmarsch war Balsam auf das platzwundengeschundene Haupt des Offiziersausbilders a.D. und läßt ihn schwelgen: »Zum Schluß erklang das Deutschlandlied in allen Strophen. Die Polizisten standen wie Zinnsoldaten!«

Der anhaltende Rummel um seine Person darf jedoch nicht den Blick darauf verstellen, wer Manfred Roeder wirklich ist. In den 70er Jahren leistete er Pionierarbeit als »Tabubrecher« - er vertrat öffentlich die »Auschwitzlüge«, inszenierte »Reichstage« und Anti-Porno-Kampagnen und war immer darauf bedacht, im Mittelpunkt des Interesses zu stehen. In den Jahren 1978 bis 1980 bereiste er als Abgesandter einer selbst geschaffenen Pseudo-Reichsregierung mehrere Kontinente. Aus dieser Zeit rühren seine Kontakte zu südafrikanischen (Neo)Faschisten, die ihn - so weiß der Verfassungsschutz zu berichten - auch heute noch mit ca. 60.000 DM pro Jahr unterstützen würden.

Wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung wurde er 1981 zu 13 Jahren Haft verurteilt. AktivistInnen der "Deutschen Aktionsgruppen", dem terroristischen Flügel seiner "Deutschen Bürgerinitiative" (DBI), hatten u.a. 1980 bei einem Sprengstoffanschlag in Hamburg die zwei Vietnamesen Nguyễn Ngọc Châu und Đỗ Anh Lân getötet.

Die "Deutschen Aktionsgruppen" verübten zuvor bereits verschiedene Brand- und Sprengstoffanschläge unter anderem auf eine Auschwitz-Ausstellung im Landratsamt Esslingen und auf die Janusz-Korczak-Schule in Hamburg. Auf ein Bundessammellager für Asylbewerber in Zirndorf und auf eine Asylunterkunft in Lörrach gab es Brandanschläge. In Lörrach wurden dabei drei Flüchtlinge aus Eritrea verletzt.

Obgleich er noch 1988 aus dem Knast heraus die Morde als "die Weiterentwicklung unserer Aktionen" und Hitler als den "größten Deutschen seit Jahrhunderten" bezeichnete, wurde ihm eine günstige Sozialprognose gestellt, die 1990 zu seiner vorzeitigen Entlassung führte.

Roeder umgibt so manche Legende. Er schmückt sich mit dem Titel des "Reichsverwesers", der ihn als Nachfolger des Großadmirals Karl Dönitz, dem deutschen "Staatsoberhaupt" vom 1. bis zum 21. Mai 1945, ausweisen soll. Er soll angeblich ein Verwalter von Geldern der NS-Fluchthilfeorganisation ODESSA (gewesen) sein, und er kokettiert mit einem weltweiten Freundeskreis. Welche dieser Mythen überhaupt eine Grundlage haben, und welche von ihm selbst gestrickt wurden, bleibt allzuoft unklar.

Zumindest vereinzelte Kontakte zu "Kameraden" in u.a. der Schweiz, in Österreich, in Brasilien, in Großbritannien, in den USA, in Kanada und in Südafrika scheinen realistisch.

Wenngleich er darüber den Status einer Respektsperson erworben hat, ist er für die Neonaziszene beileibe keine Integrationsfigur. Er spricht sich explizit gegen die Bildung einer Sammelorganisation aus und benutzt sein Umfeld ausschließlich als Requisiten in der Manfred-Roeder-Show.

Sein arrogantes und elitäres Auftreten, das ihn umgebende völkisch-biedere Klischee sowie sein christlicher Bezug erscheinen ebenso unzeitgemäß wie sein triefender Pathos und sein tief verinnerlichter Hang zur Selbstheroisierung.

Vor diesem Hintergrund ist die Einschätzung des Verfassungsschutzes, der - laut Hessischem Rundfunk - Roeder als »eine denkbare Variante« für den Posten des »neuen Führers« der Neonazibewegung ansieht, schwer nachzuvollziehen. Und wenn doch, so stellt sich die Frage, was die neofaschistische Szene dadurch eigentlich gewinnen würde.

Aber Roeder bleibt trotzdem auch weiterhin eine quer durch verschiedene Spektren, über Generationen und über Kontinente hinweg vernetzte Person, die für eine kontinuierliche und offensive Befürfortung von politischer Gewalt und Neonazi-Terror steht.