Rechte Parteien 1998: Alle gegen Alle
Jahrelang schien rechts von der Union alles klar: Die NPD war mehr Sekte als Partei; die DVU konnte zwar kleine Erfolge erzielen, ihre politische Wirksamkeit blieb dank Gerhard Freys Geld- und Machtstreben aber stark begrenzt; die REPs befanden sich nach ihren Erfolgen Ende der achtziger Jahre auf dem absteigenden Ast; der Sammlungsversuch "Deutsche Liga" war gescheitert. Neugründungen in diesem Spektrum blieben nicht zuletzt angesichts des augenscheinlich begrenzten Wählerpotentials rechts von der Union bedeutungslos. Nach dem Wahlerfolg der DVU in Sachsen-Anhalt werden die Karten neu gemischt.
Einerseits hat die Frey-Partei nun einen Vorsprung im Wettrennen der extrem rechten Parteien. Andererseits - und das ist wesentlich entscheidender - hat sich das extrem rechte Wählerpotential erweitert, sich damit als Ausdruck der gesellschaftlichen Gegebenheiten selbigen angepaßt und steht zur weiteren Ausschöpfung bereit: Rechts von der Union wittert man Morgenluft. Eine Beschreibung, wer im Rennen die Nase vorne hat, wo die Trümpfe stecken und wie in Zukunft die Chancen für das extrem rechte Parteienspektrum aussehen könnten.
Neben diversen Kleinstparteien, die im besten Fall regionale Bedeutung haben, sind es vor allem die drei aussichtsreichsten Kandidaten DVU, Reps und NPD, die um das extrem rechte Wählerpotential ringen. Der Anti-Euro-Zusammenschluß "Bund freier Bürger" (BFB) bzw. "Offensive für Deutschland" saugt zwar immer wieder Miniorganisationen auf, seine Erfolgsaussichten scheinen derzeit aber begrenzt: Zu klein ist noch das bearbeitete Themenfeld und das daraus folgende Wählerpotential, das vor allem dem Mittelstand und kleinen Unternehmertum entstammt. Auch wenn der BfB noch jung und ein endgültiges Urteil noch nicht zu fällen ist: Angesichts der im Vergleich zu den Konkurrenten relativ geringen Mitgliederzahlen hätte die Partei ohne ihre Führungsfiguren Manfred Brunner und Heiner Kappel wohl kaum Chancen.
Zwischen Reps, DVU und NPD hat das Ringen unterdessen längstbegonnen und ein Bündnis der ultra-rechten Parteien ist nicht in Sicht: Die Reps fahren unter ihrem Bundesvorsitzenden Rolf Schlierer unvermindert den alten Abgrenzungskurs. Hobby-Parteiführer Gerhard Frey ist mit seiner DVU vor allem auf den eigenen Erfolg aus, was taktischen Absprachen allerdings nicht im Wege steht: "Feldherr Frey" bot der NPD an, auf einen Antritt bei der Kommunalwahl in Brandenburg zu verzichten und der Neonazi-Partei im kommenden Jahr auch bei der Landtagswahl in Sachsen, wo die NPD über die besten Strukturen und ihren stärksten Landesverband verfügt, das Feld zu überlassen. Gleiches sollte die NPD im Gegenzug im Wahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern tun, wo am 27. September neben der Bundestagswahl auch Landtagswahlen stattfinden. NPD-Chef Udo Voigt jedoch lehnte ab: Die NPD verläßt sich - nach Passau und Leipzig im Erfolgsrausch - lieher auf ihre jungen Neonazi-Anhänger, einen verjüngten Führungskader und straffe Strukturen. Der JN-Kader Holger Apfel ist daher als Leiter des NPD-Wahlkam-Teams in Mecklenburg im Gespräch.
Die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern
Somit treten die drei Parteien weiterhin in Konkurrenz zueinander an und bereiten sich auf den nächsten Showdown im besonders heiß umkämpften Osten vor: Die parallel zur Bundestagswahl stattfindende Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern. Die DVU tritt in dem nördlichen Bundesland mit ihrem hinlänglich bekannten Konzept an. Viel Geld - ein bis zwei Millionen Mark - und eine großangelegte Werbekampagne sollen die Frey-Partei in den Schweriner Landtag bringen, denn eine eigene DVU-Struktur gibt es auch im Flächenland Mecklenburg-Vorpommern nicht. Die ab 1992 aufgebauten Kreisverbände sind längst zusammengebrochen und lediglich zwei Ortsverbände im Bereich Rostock und Wismar traten gelegentlich mit der Verteilung von Propagandamaterial in Erscheinung. Gerade versucht der 27jährige Fleischer und Landesvorsitzende Birger Fuß, aus verbliebenen Aktivisten der DSU und rechten Skins eine neue DVU-Struktur zu zimmern. Der Berliner DVU-Landesvorsitzende Olaf Herrmann reist derweil durch das Land, um unter den zahlreichen Bewerbern die geeigneten Kandidaten für die Landesliste auszusuchen.
Die NPD setzt im Gegensatz zur DVU ganz auf öffentliche Auftritte und Aufmärsche. Wesentlich aktiver als die Frey-Partei bringen die Neonazis in Zusammenarbeit mit regionalen "Kameradschaften" Propagandamaterial unter die Leute und bauen vor Ort verankerte Strukturen auf. Unter der Regie des ins mecklenburgische Goldenbow zugezogenen Landesvorsitzenden und Rechtsanwalts Hans Günther Eisenecker, der zum Parteiaufbau aus dem Westen entsandt wurde und auch Mitglied im Bundesvorstand ist, wollen die Neonazis nun übers Land ziehen und Wahlkampf betreiben. Die 17köpfige Landesliste wird von Eisenecker, dem 26jährigen Fliesenleger Thorsten Kowalski und dem Westdeutschen Peter Stöckicht angeführt. Sogar der westdeutsche Rechtsterrorist Manfred Roeder wird in Stralsund für die NPD ins Rennen geschickt. Die Stimmung für die Neonazis ist auch in dem nordöstlichen Bundesland gut: Nach einer Umfrage stimmten immerhin 83 Prozent der WählerInnen der rassistischen Parole »Kriminelle Ausländer raus« zu, und 59 Prozent unterstützen den Slogan »Deutsches Geld für Deutsche Arbeitsplätze«.
Fraglich scheint nur noch, welche der beiden Parteien mehr Erfolg haben wird. Die DVU schwimmt auf der Erfolgswelle von Magdeburg und wird eine Materialschlacht entfachen, bei der die NPD schlecht mithalten kann; die NPD verfügt im Gegensatz zu dem Frey-Verein über Strukturen vor Ort und ist insbesondere unter den jungen Neonazis besser angesehen. Letztendlich wäre auch das Potential vorhanden, um beide Parteien in den Landtag zu bringen: Emnid meldet, daß sich bis zu 16 Prozent vorstellen können, eine der neonazistischen Parteien zu wählen. Wenig Platz zwischen den beiden Konkurrenten bleibt nichtsdestotrotz für die Reps, die ebenfalls antreten wollen.
DVU: Im Erfolgstaumel von Magdeburg
Auf der Erfolgswelle von Sachsen-Anhalt schwimmend erklärte die DVU am 15. Mai auch ihre Teilnahme an den Bundestagswahlen am 27. September, nachdem sie wegen mangelnder Erfolgsaussichten 1994 nicht in Bonn angetreten war. Die von dem autoritären Mittsechziger Frey und einer Handvoll enger Mitarbeiter geführte Partei will in allen Bundesländern mit Ausnahme von Bayern mit eigenen Listen antreten. Die Investitionen für den Wahlkampf, den die DVU schwerpunktmäßig in Berlin führen will, sollen alles bislang Dagewesene in den Schatten stellen. Für das Vorhaben Bundestagswahl konnte Frey den ehemaligen Rep-Vorsitzenden Franz Schönhuber gewinnen, der auch bei der Europa-Wahl im kommenden Jahr für die DVU ins Rennen geht. Schönhuber will zwar nicht Mitglied der ehemaligen Konkurrenzpartei werden, sieht in der für ihn derzeit erfolgreichsten Rechtsaußen-Partei aber ein Mittel, sein Ziel von der Einigung der Rechten voranzutreiben bzw. sich zu profilieren. Daß Schönhuber, der alte Herr der extrem rechten Wahlparteien und Redner mit Charisma, das Zeug dazu hat, gewichtige Teile der Rechten zur Wahl der DVU zu bewegen, steht außer Frage. Bezweifelt werden darf allerdings, ob sich die DVU als Partei der rechten Spießer, der Altnazis und der stumpfen Rassisten im mittleren Alter langfristig zur führenden Kraft im Spektrum der ultra-rechten Wahlparteien entwickel kann. Insbesondere die autoritäre Alleinherrschaft Freys und die daraus resultierenden Kandidaturen profilloser Nobodies stehen dem im Wege.
Der Partei können zwar Wahlsiege gelingen, die das gesellschaftliche Klima weiter nach rechts verschieben, und sie wird auch weiterhin ihre rassistische und neofaschistische Hetze wirkungsvoll unter die Leute bringen. Selbständige politische Veränderungen und ein Konzept, das ihr längerfristig Erfolg sichert, sind von der DVU aber kaum zu erwarten. In diese Bresche zu springen, macht sich eine andere Partei bereit.
Bei der NPD werden (noch) kleine Brötchen gebacken
Nachdem sich die alte neofaschistische Partei mit Hilfe der militanten Neonazis saniert hat, zur Sammlungsorganisation rechts von DVU und REPs geworden ist und sich im Aufschwung befindet, schlagen die verbliebenen Funktionäre um Parteichef Voigt langsam wieder den Weg in Richtung parteipolitische Bühne ein. Zwar wird weiterhin der "Kampf auf der Straße" propagiert, und die Neonazis sind immer noch gut genug, um den Parteiaufbau weiter voranzutreiben, aber die Linie ist vorgegeben: Neben der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern und der ebenfalls parallel zur Bundestagswahl stattfindenden Kommunalwahl in Brandenburg, wo die NPD in den vergangenen Monaten stark zugelegt hat und. in zwölf Gemeinden kandidieren will, werden die Bundestagswahl und die Landtagswahl in Sachsen im kommenden Jahr anvisiert.
Während die Bundestagswahl vor allem zum Einstreichen der Wahlkampfkostenrückerstattung dienen soll, will die Neonazi-Partei in Sachsen in den Landtag einziehen. Die 1.200 Mitglieder und verhältnismäßig gute Strukturen, die die NPD in dem Bundesland hat, lassen dieses Ziel durchaus als realistisch erscheinen. Ganz richtig analysiert der langjährige Neonazi und das NPD-Bundesvorstandsmitglied Frank Schwerdt in der Internetausgabe der "Berlin Brandenburger Zeitung" (BBZ), daß es nur darum geht, das beachtliche neofaschistische Wählerpotential richtig anzusprechen. Der NPD rechnet er dabei gute Chancen aus: »Gerade die Jungwähler in Mittetdeutschland tendieren nach rechtsaußen und ziehen eine konsequente politische Haltung vor.«
Auch wenn es der NPD immer noch an Geld und einem charismatischen Führer mangelt, hat sie unter den drei Parteien doch die besten Voraussetzungen für längerfristige Erfolge. Mit ihrer auf lange Sicht angelegten Strategie, erneuerten ideologischen Konzepten, die vor allem in Ostdeutschland auf Zuspruch stoßen, den jungen und im Vergleich zu den anderen Parteien zumindest in einigen Bundesländern straffen Strukturen und einem erfahrenen Führungskader kann sie Wahlniederlagen besser wegstecken und ist nicht auf Wahlerfolgswellen angewiesen.
Zwar ist offen, wie lange die Neonazi-Szene die Partei noch unterstützen wird, wenn diese erstmal in einem Landtag sitzt. Bis dahin bleibt aber noch genug Zeit, um den Parteiaufbau voranzutreiben. Sollte sich die NPD dauerhaft auch auf parlamentarischer Ebene etablieren können, geht von ihr sicherlich die größte Gefahr unter den extrem rechten Parteien aus. Auch weil es für sie kein Problem wäre, mögliche Zerfallsprodukte der REPs ebenso wie enttäuschte DVU-Wähler einzusammeln.
REPs auf dem absteigenden Ast
Verlierer der gegenwärtigen Entwicklungen sind die Reps, denen nicht nur Geld und Strukturen fehlen. Ihr gemäßigter Kurs zielt auf ein Potential, das mittlerweile lieber konservativ wählt oder sich der extremeren und auf der Erfolgswelle schwimmenden DVU andient. Ungeachtet der Androhung von Strafen durch die Parteiführung regen sich überall an der Parteibasis zunehmend Bestrebungen, mit DVU und NPD zusammenzuarbeiten oder gleich das Parteibuch zu wechseln. Besonders verheerend auswirken dürfte sich da die Kandidatur des ehemaligen Parteichefs Schönhuber für die DVU. Nach wie vor kann sich der vor vier Jahren wegen Verlassen des Abgrenzungskurses und Gesprächen mit DVU-Chef Frey geschaßte Mittsiebziger an der Parteibasis vielerorts großer Symphathien erfreuen. Ganze Landesverbände stehen im offenen Kampf mit Parteichef Schlierer & Co, und eine Abwanderung scheint nur eine Frage der Zeit. Insbesondere in Sachsen-Anhalt, wo dem Landesverband von oben untersagt worden war, Schönhuber als Zugpferd für den Wahlkampf zu engagieren, hat dessen Kandidatur für die DVU fatale Folgen für die Reps: Auf einem vom ehemaligen Landesvorsitzenden RUDOLF KRAUSE einberufenen Landesparteitag beschlossen die sachsen-anhaltiner Reps, bei der Bundestagswahl auf eine eigene Liste zu verzichten und dafür für die DVU zu kandidieren. Eine Tatsache, die kaum verwundern kann, nachdem der Landesverband mit dem aufgezwungenen Kurs der Bundesführung bei den Landtagswahlen gerade mal 0,7 Prozent bekam und angeblich nicht geringe Geldsummen aus dem Osten ins Rep-Stammland Baden-Württemberg umgeleitet werden. Selbstredend erklärte die Rep-Bundesführung umgehend den gesamten Landesparteitag mitsamt seinen Beschlüssen für ungültig, da er nicht satzungsgemäß einberufen worden sei, schloß jede Zusammenarbeit mit der DVU auch in Sachsen-Anhalt grundsätzlich aus und setzte die Landesspitze ab. Nicht zuletzt deswegen zeigt der Landesverband derzeit einen besonders hohen Verschleiß bei seinen Vorsitzenden: Der ehemalige Landeschef Rudolf Krause hat mittlerweile seine Bereitschaft zu einer Kandidatur für die DVU erklärt und die Reps als chancenlos abgeschrieben. Nach seinem Rücktritt vom Amt des Landesvorsitzenden und dem ungültigen Parteitag war er -wie viele andere Gegner des Schlierer-Kurses auch - mit Parteiordnungsverfahren belegt und schließlich aus der Partei ausgeschlossen worden. Ebenso erging es seinem Stellvertreter und kommissarischen Nachfolger ANDREAS KRAUSE: Der 28jährige hatte versucht, zwei Lebensmittelkonzerne zu erpressen und war bei der fingierten Übergabe der fünf Millionen Mark Lösegeld geschnappt worden. Der darauf folgende WOLFGANG HÖBER gefiel wegen seines Schmusekurses mit Gruppierungen, die der Rep-Führung unliebsam waren, ebensowenig und wurde gleichfalls abgekanzelt. Aber auch auf der Führungsebene der Reps kommt nicht zuletzt angesichts der vernichtenden Wahlergebnisse von Hamburg und Sachsen-Anhalt langsam heftiger Unmut gegen den Schlierer-Kurs auf. Nachdem sich bereits Rudolf Krause aus der Bundesführung verabschiedet hat, formuliert jetzt auch CHRISTIAN KÄS, Bundesvize und Landesvorsitzender in Baden-Württemberg, Gedanken über ein Zugehen auf die DVU, die der 43jährige Schlierer nur verwerfen kann, wenn er sein Gesicht wahren will. Schließlich hatte er seinerzeit Franz Schönhuber aus dem Amt gekippt, als dieser einen Schritt in Richtung DVU gemacht hatte. In diesem schwelenden Konflikt zwischen Schlierer und dem rechten Parteiflügel um Rechtsanwalt Käs dürfte die Absage des für Mitte Juni in Berlin geplanten Parteitages - aus finanziellen Gründen, wie es offiziell heißt - nicht gerade beruhigend gewirkt haben. Käs will nun ein »alternatives Wahlprogramm« vorlegen, da er die Inhalte seines Flügels angesichts der ausgefallenen Debatte um das Schlierer-Programm auf dem Parteitag nicht genügend berücksichtigt sieht. Auch wenn die Reps mit ihren offiziell 15.000 Mitgliedern neben der DVU nach wie vor die größte Partei der extremen Rechten sind, befinden sie sich spätestens seit dem Rauswurf Schönhubers 1994 auf dem absteigenden Ast. Wenn es der Schlierer-Partei Mitte September nicht gelingen sollte, bei den bayrischen Landtagswahlen einen Erfolg zu verbuchen, der die beiden mehr oder weniger verfeindeten Flügel wieder ein Stück eint, besteht die konkrete Gefahr der Spaltung und des Abstiegs zu einer baden-württembergischen Regionalpartei. Bayern aber ist angesichts der nach rechts rückenden CSU ein hartes Pflaster. Daran kann auch die Tatsache, daß die DVU nicht antreten wird, nur wenig ändern, und die Reps müssen darauf hoffen, daß die Sympathien für die CSU gesunken sind, was ihnen zugute kommen würde.
Die Wahl von Sachsen-Anhalt: Ursachen und Folgen
Politikwissenschaftler schätzen, daß es ein Reservoir an Rechtswählern von über 20 Prozent in ganz Deutschland gibt. Auch wenn verschiedene Umfragen in der Geschichte der Bundesrepublik unter den Befragten immer wieder einen Anteil von zwölf bis 17 Prozent mit geschlossenem neofaschistischen Weltbild ausmachten, hat sich das Wählerpotential für ultra-rechte bis neofaschistische Parteien damit in den vergangenen Jahren entscheidend vergrößert und spiegelt als Ergebnis des Rechtsrucks seit der Wiedervereinigung die gesellschaftliche Situation wider.
Das Wahlergebnis von Sachsen-Anhalt hat einmal mehr bestätigt, was jüngste Umfragen mittlerweile ebenfalls untermauern: Rechts wird nicht aus Protest gewählt und die Wähler ultra-rechter bis neofaschistischer Parteien lassen sich nicht in das Klischee vom sozial deklassierten, arbeitslosen Modernisierungsverlierer pressen. Die DVU wurde flächendeckend gewählt; die Unterschiede in den einzelnen Wahlkreisen waren nicht außergewöhnlich groß; die WählerInnen lassen sich nicht über einen Kamm scheren: Sie kommen aus verschiedenen Milieus, der überwiegende Teil hat Arbeit und vielmehr scheint allgemein die Angst, diese zu verlieren, Motivation für die Wahl der Rechtsaußen-Parteien zu sein.
Ein Großteil der 18-24 jährigen, unter denen die Frey-Partei mit einem Drittel der Stimmen stärkste Partei wurde, hat die DVU wegen der Übereinstimmung mit ihren Parolen gewählt. Dies deckt sich mit den auch von offiziellen Stellen immer häufiger übernommenen Schätzungen, daß ein Drittel der Jugendlichen in Ostdeutschland sehr rechts bis neofaschistisch eingestellt ist. Parallel zur Erweiterung des Wählerpotentials in den vergangenen Jahren ist es der DVU auch mehr gelungen, dieses für sich zu gewinnen. Verantwortlich dafür ist nicht alleine der äußerst massive Wahlkampf, sondern auch der derzeitige Aufschwung der extremen Rechten, die schwindende Attraktivität der CDU und die SPD-geführte Landesregierung: Erfahrungsgemäß rückt das gesamte rechte Spektrum einschließlich der Konservativen unter SPD-Regierungen nach rechts und die Bereitschaft wächst, extrem rechts zu wählen.
Darüber hinaus kam der DVU zugute, daß Konkurrenz aus dem eigenen Lager quasi nicht vorhanden war: Die NPD konnte mangels Unterstützungsunterschriften gar nicht erst antreten, und die Reps beschäftigten sich vor allem mit ihren internen Streitigkeiten.
Gefährlich ist letztendlich nicht die DVU, sondern die Leute, die sie wählen. Das rechte bis neofaschistische Wählerpotential ist kaum parteigebunden, und auch Reps und NPD hätten mit einem derart massiv geführten Wahlkampf ein ähnliches Ergebnis erzielen können. Der Unterschied ist, daß jede andere Partei in der Lage wäre, mehr aus dem Wahlerfolg zu machen, als die DVU es vermag.
Von daher ist der Wahlsieg der DVU unter Umständen sogar das kleinere Übel, dessen fatale Folge »nur« zweierlei Dinge sind: Einerseits erfüllen die Konservativen Frey nun eines seiner erklärten obersten Ziele, indem sie noch weiter nach rechts rücken, sich in verdächtige Nähe zu DVU-Parolen begeben und somit einen Antritt der Partei bei den Wahlen in Bayern zwei Wochen vor der Bundestagswahl überflüssig machen (die DVU verzichtet freiwillig auf eine Kandidatur). Andererseits dürfte der rechte Wahlerfolg eine Signalwirkung entfalten, die das rechte Wählerpotential ermutigt, in kommenden Wahlen auch extrem rechts zu wählen.
Ausblicke
Besonders in Ostdeutschland, wo liberale oder gar emanzipatorische Ideen kaum verbreitet sind und eine ausgeprägte Zivilgesellschaft fehlt, könnte sich diese Signalwirkung verheerend auswirken. Nach Mecklenburg-Vorpommern stehen im kommenden Jahr auch Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg auf dem Programm. Ist der Osten erstmal erobert, würde dies vermutlich eine Welle auslösen, von der auch der Westen und der Bund nicht verschont blieben. Mal abgesehen davon, daß es dort auch alles andere als rosig aussieht. Aber auch schon für die Bundestagswahl im September scheint der Sprung der auf der Erfolgswelle schwimmenden DVU über die Fünf-Prozent-Hürde nicht mehr ganz so ausgeschlossen wie zuvor. Kombiniert mit Wahlerfolgen der extrem rechten Parteien in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg wäre dies der Bruch des Dammes, in dem der sachsen-anhaltiner DVU-Wahlerfolg schon der erste große Riß war.
Das Wählerpotential für eine Partei rechts von der Union ist vorhanden und das Vertrauen in die traditionellen Volksparteien CDU und SPD sinkt weiter. Sollte sich - in diesem Jahr oder später - einer der drei aussichtsreichen Kandidaten oder eine neue Rechtspartei im Rennen um das extrem rechte Potential durchsetzen und längerfristig etablieren können - was wahrscheinlicher als je zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik ist und durch einen SPD-Sieg bei der Bundestagswahl verstärkt werden würde -, scheint eine Entwicklung wie in Frankreich mit dem "Front National" wahrscheinlich: Ergebnisse von 13 Prozent werden normal und führen zu alles anderem als einem Aufschrei; die Berührungsängste der Konservativen schwinden.
Ganz langsam erkennt man auch außerhalb der Linken, daß vor allem rassistisches Gedankengut dank des gesellschaftlichen Rechtsrucks der vergangenen Jahre heute gesellschaftlich mehrheitsfähig ist und daß in dieser Tatsache eine entscheidende Ursache auch für den DVU-Wahlerfolg zu suchen ist. Daß diese späte Erkenntnis die Entwicklungen noch aufhalten kann, ist unwahrscheinlich. Umkehrbar ist sie jedenfalls nicht.