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Die (extreme) Rechte zwischen NS-Renaissance und autoritärem Neoliberalismus

Einleitung

Das vergangene Jahr ist von einer sehr unterschiedlichen Entwicklung im Lager der (extremen) Rechten in Deutschland gekennzeichnet. Schienen zunächst einige Anzeichen dafür zu sprechen, daß die DVU nach ihrem unerwartet hohen Wahlerfolg in Sachsen-Anhalt zum Durchmarsch antreten und damit auch die politisch-organisatorische Entwicklung der (extremen) Rechten mehr als zuvor mitbestimmen könnte, sieht die Lage nach den Landtagswahlen in Bayern und Mecklenburg-Vorpommern sowie der Bundestagswahl schon wieder anders aus. Der auf rassistisch-völkische Sozialdemagogie gestützte Propagandaerfolg der DVU konnte nicht wiederholt werden. Insgesamt blieben die Parteien der (extremen) Rechten hinter den Erwartungen beziehungsweise Befürchtungen zurück. Dennoch ist es falsch, Entwarnung zu vermelden, nur weil weitere parlamentarische Erfolge (zunächst) ausgeblieben sind. Tatsächlich ist die (extreme) Rechte in Deutschland mitten auf der Suche nach einer geeigneten Strategie und Organisationsform, wobei sich bisher keine eindeutige Richtung herausgeschält hat.

Das die (extreme) Rechte sich dabei zunehmend der »sozialen Frage« bedient, zeichnet sich allerdings schon seit mehreren Jahren ab. Wirtschaft und Soziales sind inzwischen das zentrale Politikfeld geworden, auf das sich programmatische Bemühungen und Agitationskampagnen fast der gesamten rechten Szene konzentrieren. »Auffällig ist im Zusammenhang mit den Wahlvorbereitungen einiger Rechtsparteien«, kommentiert Oliver Geldszus in der rechten Zeitung "Junge Freiheit", »daß sie wie nie zuvor der sozialen Frage Rang und Bedeutung zumessen« und »so ist nun das Soziale in den Mittelpunkt gerückt und verbindet sich scheinbar automatisch mit dem Nationalen1 Was meint nun die (extreme) Rechte, wenn sie fast prophetisch von der Bedeutung der 'sozialen Frage' für die eigene politische Entwicklung spricht? Auf welche historisch-strategischen Ansätze, auf welche ideologischen Figuren stützt sich diese Entwicklung, und worin bestehen die konkreten Inhalte der wirtschafts- und sozialpolitischen Agitation? Gibt es tatsächlich einen Antikapitalismus und Sozialismus von rechts?

Nationalsozialistische Wirtschafts- und Sozialpolitik: Ideologie und Interessenformierung

Eine Untersuchung ultra-rechter Wirtschafts- und Sozialpolitik und -programmatik muß neben den (hier vernachlässigten) sozioökonomischen, politischen und kulturellen Bedingungen in der Gesellschaft zwei Aspekte berücksichtigen. Sie muß zum einen die materielle Substanz dieser Vorstellungen zu erfassen suchen, für wen also welche Politik angeboten wird. Und sie muß zum anderen deren ideologische Komponenten im Wechselverhältnis zur gesellschaftlichen Situation begreifen. Auch die Wirtschafts- und Sozialpolitik der NSDAP entwickelte sich zwischen diesen Polen, sie bediente sehr wohl konkrete gesellschaftliche Interessen (nicht nur die des Großkapitals), deren Träger man zum Gewinn, später zur Stabilisierung der Macht benötigte, und war zugleich ideologisches Element zur Formierung der Gesellschaft (Volksgemeinschaft, Lebensraumkonzept). Insofern greifen Erklärungen zu kurz, die in der faschistischen Wirtschafts- und Sozialpolitik der NSDAP ausschließlich eine besonders rücksichtslose Erfüllungshilfe für monopolkapitalistische Interessen sehen und deren ideologische Metamorphosen lediglich als nebensächliches Beiwerk einordnen.

Aus dieser Interpretation ergibt sich dann auch für die Gegenwart kaum eine Notwendigkeit, die ökonomischen und sozialen Ziele der extremen Rechten und deren Einbringen in die öffentlichen Debatten ernsthaft zu untersuchen, weil die Interessenlage und die eigentlichen Drahtzieher sowieso eindeutig verortet scheinen. Aber aus der berechtigten Kritik an der monokausalen orthodox-marxistischen Faschismusanalyse kann keinesfalls geschlossen werden, daß es in historischer Sicht keine Interessenübereinstimmung zwischen den wesentlichen Kapitalfraktionen und der NSDAP gegeben hätte, wie es immer wieder insbesondere aus liberaler Perspektive behauptet wird, weil die Nationalsozialisten mit ihrer Kartell-, Lohn- und Preispolitik das Funktionieren des Marktes außer Kraft gesetzt hätten. Das führt dann in der aktuellen Auseinandersetzung um die »national-sozialen« Tendenzen der extremen Rechten dazu, deren Sozialismus-Demagogie bewußt oder unbewußt für bare Münze zu nehmen.2 Die Verwirrung scheint groß zu sein, wenn etwa der "konkret"-Autor Jürgen Elsässer davon spricht, daß »die meisten Linken das Sozialistische am Faschismus nicht begreifen (können)«3 .

Als Beleg für das angeblich sozialistische Element der NSDAP wird dann neben der pseudo-revolutionären NS-Propaganda insbesondere auf das staatliche Eingreifen in die Wirtschafts- und Sozialpolitik verwiesen. Aber Staatsinterventionismus und der Einsatz einzelner Instrumente aus dem Arsenal keynesianischer Wirtschaftspolitik sind allein kein Beleg für eine wie auch immer geartete sozialistische Option. Es sei denn, man folgt der reinen Lehre des Liberalismus, die alle Formen des Interventionismus als sozialistische Bedrohung zu erfassen sucht. Und selbst dieses liberale Dogma ist mehr idealistisches Überbleibsel der theoretischen Klassik als tatsächliche Grundlage heutiger neoliberaler Politik. Festzuhalten ist: Auch wenn es sicherlich eine Vielzahl an Sozialismuskonzeptionen gibt, so hat die Verbindung aus dem verbalen Antikapitalismus der NSDAP, ihrer zentralen Wirtschaftslenkung im Zuge der Kriegswirtschaft und einer ergänzenden Sozialpolitik zur Systemstabilisierung nichts mit einer linken Sozialismuskonzeption zu tun.

National und sozial - liberal-konservative Ursprünge und faschistische Umsetzung

In dem Bestreben, die »antikapitalistische Sehnsucht«4 der Massen durch die Verknüpfung von sozialer und nationaler Frage zu einem anti-marxistischen »nationalen Sozialismus« zu formen, konnten sich die Nationalsozialisten auf verschiedene historische Entwicklungen und Vorläufer im Übergang von der agrarischen Feudalzur industrialisierten Klassengesellschaft stützen.5 Gerade die Schwäche der bürgerlich-demokratischen Kräfte im Prozeß der rasanten nachholenden Entwicklung Deutschlands in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte einen reaktionären Anti-Modernismus gefestigt, der das Fundament eines aristokratisch-feudalistischen und kleinbürgerlichen Antikapitalismus wurde.

Die romantische Verklärung der Vergangenheit wurde zur irrationalen Grundlage einer konservativen Kulturkritik an der neuen Wirklichkeit der Moderne. Je mehr sich die kapitalistische Wirtschaft als störanfällig erwies, um so eindringlicher entwarf man verschiedenste Untergangsszenarien der Gesellschaft. Das Feindbild vom »zerstörerischen Liberalismus« richtete sich allerdings nur vordergründig gegen dessen ökonomische Grundsätze. Kritisiert wurden nicht eigentlich die wirtschaftliche Dynamik und die Wirkungsmechanismen einer ungezügelten Marktwirtschaft, sondern die damit verbundenen soziokulturellen und strukturellen Verschiebungen in der Gesellschaft, die als »westliche Dekadenz« und »Undeutsche Tugenden« gebrandmarkt wurden. So verband sich die konservative Kapitalismuskritik einerseits mit dem Rückgriff auf den Nationalismus und andererseits mit dem Beharren auf einer vormodernen Sozialstruktur. Wegen der befürchteten Revolutionierung der »sozialen Frage« durch die rasch wachsende Arbeiterbewegung drängte sich eine reaktionäre Verknüpfung nationaler und sozialer Aspekte geradezu auf. Es lag zudem nahe, in diesem Zusammenhang auch den Begriff des Sozialismus zu verwenden, dessen populäre Wirkung für die Verbreitung einer idealistischen Gemeinschaftsideologie nützlich sein konnte. Bereits der Konservative Otto von Bismarck und der Liberale Friedrich Naumann hatten im ausgehenden 19. Jahrhundert den politischen und ideologischen Raum für eine Verknüpfung von sozialer und nationaler Frage vorbereitet.

Nach der nationalistischen Massenmobilisierung während des Ersten Weltkrieges entwickelte sich die Idee einer Verbindung aus nationaler und sozialer Frage zu einem konzeptionellen Strang. Im intellektuellen Milieu der »Konservativen Revolution«6 mühten sich diverse Autoren um den Entwurf einer autoritär-diktatorisch eingerahmten Gemeinschaftsideologie unter dem Cover des Sozialismus. Es begann 1920 mit der Propagandaschrift »Preußentum und Sozialismus« des Antidemokraten Oswald Spengler und endete 1934 mit dem Buch »Deutscher Sozialismus« von Werner Sombart. Trotz unterschiedlicher Ansätze und mancher Differenzen gilt für alle Autoren dieser ideologischen Strömung, daß sie keine rationale Auseinandersetzung mit dem Sozialismus-Begriff geführt haben und auch nicht führen wollten, sondern die »Idee vom Sozialismus« als ein populäres und damit einflußreiches Schlagwort der Gegenwart für die Ziele der Rechten nutzbar zu machen suchten. Spengler hatte schon 1918 in seinem »Untergang des Abendlandes« geschrieben: »Ob diese Lehren 'wahr' oder 'falsch' sind, ist (...) eine Frage ohne Sinn.« Entscheidend sei, »ob sie wirksam sind«, denn »seit wann und für wie lange der Glaube, die Wirklichkeit nach einem Gedankensystem verbessern zu können, überhaupt eine Macht ist, mit der die Politik zu rechnen hat, darauf kommt es an7

Zumindest ein Teil der extremen Rechten will anno 1998 wiederum mit dem Mythos einer fundamentalen Gesellschaftskritik zu Felde ziehen, gestützt auf die Einschätzung, daß die soziale Entwicklung in Deutschland und vorhandene Bewußtseinslagen die Wiederbelebung einer ideologisch-weltanschauliehen Strategie erfolgreich erscheinen institutionellen Sozialstaatskonsens der lassen. Was die NPD unter ihrem neuen Vorsitzenden Udo Voigt in der Praxis zu erproben begann, wird nun nach der relativ erfolgreichen Testphase auf der geistigen Ebene unterfüttert. Der Geschichts-Revisionist Karlheinz Weißmann, der noch 1996 auf den Zerfall der FDP als nicht-stigmatisierte Grundlage einer rechten Sammlungsbewegung setzte8 , hat im Herbst 1998 ein neues Buch unter dem Titel »Der Nationale Sozialismus. Ideologie und Bewegung 1890-1933« veröffentlicht. In der rechten Zeitung "Junge Freiheit" verkündet Weißmann mit Blick auf sein neues Buch, »daß der Faschismus nicht nur eine Vergangenheit habe, sondern vielleicht sogar die Zukunft sei«, wenn er als »nationaler Sozialismus« propagiert werde, denn »die Idee eines sozialen Nationalismus(könnte) im Rahmen eines parlamentarischen Spektrums Chancen haben.«9

»Antikapitalistische Sehnsüchte« von rechts befriedigen möchte auch der rechte Autor Thomas Paulwitz10 , der im September 1998 im rechten "Ostpreußenblatt" eine Serie unter dem gleichnamigen Titel eröffnet hat, in der die »Geschichte des Konservativen Sozialismus« vorgestellt werden soll.

Die (extreme) Rechte im Fahrwasser neoliberaler Politik

Der dominante Einfluß des Neoliberalismus auf Wirtschaft und Gesellschaft hat seit Anfang der neunziger Jahre auch den bis dahin relativ resistenten institutionellen Sozialstaatskonsens der Bundesrepublik aufgebrochen. Der Sozialstaat steht längst zu Disposition. Sein allseits beschworener Umbau entpuppt sich als Alternative zwischen einer verwahrlosten Ruine im Sinne einer liberal-konservativen Option und einer entkernten Fassade als Projekt der modernisierten Sozialdemokratie. Eine wichtige politische Voraussetzung für diese Entwicklung ist die allmähliche Durchdringung der gesellschaftlichen Diskurse mit neoliberalem Gedankengut, das nicht zuletzt rechte Ideologien den Boden bereitet.

Für die (extreme) Rechte haben sich vor diesem Hintergrund zwei grundsätzliche Möglichkeiten der Anknüpfung ergeben, die sich auch in der  politisch-organisatorischen Ausrichtung wiederspiegeln: Entweder sie adaptiert die anti-rationalen, anti-egalitären, kulturchauvinistischen, tendenziell sozialdarwinistischen und autoritären Elemente des Neoliberalismus und verknüpft diese mit der integrierenden Klammer von Gemeinschaft (Familie, Haus- oder Dorfgemeinschaft, Region, Nation etc.) zu einem eher bürgerlich orientierten Gesellschaftsentwurf. Oder sie versucht sich als symbolische Speerspitze gegen den Neoliberalismus zu profilieren, indem sie antikapitalistische Gefühlslagen unter der Klammer »nationaler Solidarität« zur Ideologie der Volksgemeinschaft transformiert, was auf eine modernisierte Variante des Nationalsozialismus herauslaufen würde. Beide Richtungen, so gegensätzlich sie auf den ersten Blick erscheinen und so sehr die Anfeindungen der ultra-rechten Parteien untereinander diesen Eindruck unterstreichen, stehen keineswegs grundsätzlich gegeneinander.

Die (extreme) Rechte in Deutschland ist in einer Art Testphase verschiedener Wege unter der gemeinsamen Überschrift »Die Soziale Frage von rechts besetzen«, in der sich die Fronten schnell verschieben können, wenn sich ein Konzept über einen längeren Zeitraum als das erfolgreichere erweist. Entscheidend ist letztlich nicht die Logik bzw. Schlüssigkeit der jeweiligen Konzeptionen und noch weniger, ob es sich um eine »richtige« Wirtschafts- und Sozialpolitik mit einem rationalen und analytischen Fundament handelt. Vielmehr geht es um »die Partei mit dem größten Willen zur Macht«.11 Deshalb ist auch eine Synthese traditioneller Symbolik mit modernistischen Formen bei marktradikaler Substanz vorstellbar: Die Verbindung neoliberaler Kernaussagen mit Elementen völkisch-rassistischer Sozialdemagogie in zeitgemäßer Verpackung hat die FPÖ, allerdings unter den spezifisch österreichischen Bedingungen von Staat und Gesellschaft, zu einer Partei mit weit über 20 Prozent Stimmenanteil werden lassen.12

Schien es bis etwa Mitte der 1990er Jahre so, daß die am Neoliberalismus orientierten »Modernisierer« die Entwicklung der (extremen) Rechten dominieren würden, schälte sich ab etwa 1996 eine national-soziale Richtung heraus, die insbesondere von der NPD-Jugend, den "Jungen Nationaldemokraten" (JN) auf die Straße getragen wurde und von der die DVU nun auf der parlamentarischen Ebene profitieren konnte. Mit Blick auf diese Entwicklung der »alten Rechten« konstatiert Peter Krause in der rechten Zeitung "Junge Freiheit": »Auf der Rechten hat sich strategisch etwas getan: Einige Parteien haben erkannt, daß sich nur mit Ideologemen 13 keine Wahlen gewinnen lassen, daß es - gerade in krisenhaften Zeiten - zuerst um die Wirtschaft geht. Mit der nationalen Frage ist keine Politik zu machen, so die Nation bloß als eine geschichtlich verwurzelte kollektive Identität gilt. Anders sieht die Sache aus, wenn die Nation zugleich als Schutzraum einer sozialen Gemeinschaft und ihres Wohlstandes vorgestellt wird, wenn sich nationales und soziales Denken verbindet.«14

Aktuelle Tendenzen im Bereich Wirtschaft und Soziales. Die NPD:

Im Mittelpunkt der aktuellen Diskussion der neonazistischen "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) steht das Konzept einer sogenannten »raumorientierten Volkswirtschaft«, das die vom Parteivorsitzenden Udo Voigt immer wieder propagierte »Systemalternative« mit wirtschaftspolitischen Aussagen füllen soll. Die zwei wesentlichen Prämissen darin sind die »dienende« Rolle der Wirtschaft sowie die nationale Beschränkung wirtschaftlicher Kreisläufe, beides Elemente, die auch bisher in jedem NPD-Programm zu finden waren, nun aber zu einem eigenständigen Konzept in Verbindung mit aktuellen Diskursen zusammengefügt werden. Arbeit und Kapital sollen sich »dem Grundsatz Ein Volk - Ein Staat«15 unterordnen und eine von kapitalistischen Krisen und inneren Zerfallserscheinungen befreite Nationalökonomie begründen. »Der Staat hat dabei über den Egoismen einzelner Gruppen zu stehen und die Gesamtverantwortung wahrzunehmen. Er ist Wahrer des ganzen.«16 Um dieses Primat der Politik durchzusetzen, setzt die NPD auf den »totalen Staat«, der nicht nur völkisch definiert ist, sondern durch die angestrebte Machtkonzentration kaum anders als diktatorisch geführt sein könnte.

Die ökonomische Substanz der »raumorientierten Volkswirtschaft« ist einerseits der gezielte wirtschaftspolitische Einsatz des (starken) Staates zur Steuerung wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung und andererseits die gezielte Regionalisierung wirtschaftlicher Abläufe bei gleichzeitiger Abschottung der deutschen Volkswirtschaft vom Weltmarkt. »Die raumorientierte Volkswirtschaft ist der Ausweg aus der Globalisierungsfalle«17 , heißt es denn auch im wirtschaftspolitischen Programmentwurf der NPD. Dabei vertraut die NPD durchaus auf die Kräfte des Marktes. Sie will allerdings die Marktwirtschaft in erster Linie als Binnenökonomie verstanden wissen, die sich als sogenannte »Eigenwirtschaft« dem Druck der internationalen Konkurrenz entziehen soll. »Schutz der deutschen Industrie durch ein Freihandelsverbot für Nationalmarktzweige, in denen Deutschland nicht weltführend ist«18 ,wird etwa gefordert. Freier Handel also auf den Gebieten, wo Deutschland den Weltmarkt beherrscht, damit die Welt am deutschen (Produktions-) Wesen genesen kann, Protektionismus dort, wo Deutschland keine Spitzenposition inne hat - mit Sicherheit kein Weg zu einer friedlichen und gerechten Weltwirtschaftsordnung.

Die DVU:

Die wirtschafts- und sozialpolitischen Aussagen der DVU stellen zunächst ein unübersichtliches Konglomerat einzelner Aspekte dar, ohne daß ein Gesamtkonzept zu erkennen wäre. Wenn überhaupt von einem roten Faden zu sprechen ist, dann findet sich dieser in der ständigen Wiederkehr einer rassistisch-völkischen Komponente bei der Formulierung sozialer und ökonomischer Interessen. »Deutsche zuerst«, heißt es bei der DVU, wenn es um die Wege zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit geht. Gefordert wird an verschiedenen Stellen ein staatliches Konjunkturprogramm, das allerdings an keiner Stelle inhaltlich ausgefüllt, dafür um so mehr auf dem Niveau volkstümlicher Propaganda angepriesen wird: Der Bundeskanzler »kann oder will nicht begreifen, daß nur noch staatliche Großinvestitionen in Höhe Hunderter Milliarden Mark die Konjunktur ankurbeln und viele neue Arbeitsplätze schaffen können19 Zur Finanzierung der »Hunderte Milliarden Mark« verlangt die DVU eine nach nationalistischen und ethnischen Kriterien ausgerichtete Ausgabenpolitik des Staates, die unter dem Slogan »Deutsches Geld für deutsche Aufgaben« zusammengefaßt wird - diese Verknüpfung wiederholt sich im Prinzip für alle Bereiche der Wirtschafts- und Sozialpolitik.

Trotz aller verbalradikalen Sozialdemagogie, der Forderung nach staatlichen Interventionismus, einer Industriepolitik »nach japanischem Vorbild« und der »Abschottung vor gefährlichen Importen aus dem Ausland aller Art«20 ist die DVU zweifellos bedingungslose Verfechterin einer kapitalistischen Marktwirtschaft. Die rechte Partei "Deutsche Volksunion" (DVU) ist im Grundsatz eine aus der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte hervorgegangene skurrile Mischung ordoliberaler21 Ökonomievorstellungen mit einem völkisch-rassistischen, antisemitischen Überbau und einem extrem spießbürgerlichen Habitus.

Ihre Vorstellung von einer funktionierenden Marktwirtschaft benötigt den »starken Staat« zur Durchsetzung des gewünschten ordnungspolitischen Rahmens. Das Plädoyer zugunsten eines wirtschaftspolitischen Eingreifens des Staates beinhaltet keine prinzipielle Kritik am Markt, sondern bedeutet im Gegenteil lediglich, daß bestimmte Interventionen als notwendige Voraussetzung für das Funktionieren des Marktes und die Stabilität eines kapitalistischen Gesellschaftssystem betrachtet werden.

Die REPs:

An der neoliberalen Substanz der wirtschafts- und sozialpolitischen Programmatik der rechten Partei "Die Republikaner" (REP) hat sich in den vergangenen Jahren kaum etwas geändert, wohl aber am Stil und Inhalt der politischen Außendarstellung, die wieder verstärkt von rassistischen und nationalistischen Ideologemen beeinflußt ist. Mit ihrem programmatischen Verständnis von Staat, Wirtschaft und Politik liegen die REPs zwar im neoliberalen Trend, haben damit aber weder das klassische extrem rechte Wählerpotential an sich binden können, noch ist es ihnen gelungen, neue Wählerschichten zu erschließen. Der relative Mißerfolg des Kurses vom Parteichef Rolf Schlierer hat die latent vorhandenen Widersprüche in der Partei neu aurbrechen lassen.

Während also das Programm die radikale Verschlankung des Staates einfordert, verkündet die Parteizeitung in klassisch rechter Manier, daß die »Republikaner gegen die Anmaßungen einer totalen Wirtschaft und gegen die Degradierung des Staates zu einem Erfüllungsgehilfen wirtschaftlicher Interessen(kämpfen).«22 In der im Verhältnis zu den anderen ultra-rechten Parteien recht umfangreichen Programmatik der Republikaner hat die Wirtschafts- und Sozialpolitik seit Jahren einen sehr hohen Stellenwert. Wichtiges Anliegen ist darin das Anprangern des angeblich überbordenden Interventions- und Sozialstaates mit seinen »hedonistischen« Folgewirkungen auf die Gesellschaft, dem ein schlanker, aber starker Staat mit einer ausschließlich auf Leistung ausgerichteten Marktgesellschaft gegenübergestellt wird. Das Ideal eines effektiven, vom Pluralismus und von Verteilungspolitik befreiten und deshalb durchsetzungsfähigen Staates oberhalb der Interessengruppen lehnt sich unmittelbar an das ordoliberale Verständnis von Wirtschaft und Gesellschaft an.

Unabhängig von den unterschiedlichen Grundrichtungen bei den Republikanern, ist aber für die gesamte Partei festzustellen, daß die nationalistischen und rassistischen Komponenten im wirtschafts- und sozialpolitischen Diskurs wieder deutlicher im Vordergrund stehen. Auch das Propagandamittel der Sozialdemagogie, das seit dem Abgang von dem früheren Parteichef Franz Schönhuber nur spärlich eingesetzt wurde, erlebt bei den Republikanern sein Comeback. Nun heißt es auch bei den Republikanern »Deutsche Interessen zuerst« und »Arbeit für Deutsche«, nachdem jahrelang etwas gemäßigtere Formulierungen gewählt wurden. »Deutschland muß als Sozialstaat der Deutschen erhalten werden.« Der Sozialstaat, so Parteichef Rolf Schlierer, ließe »sich aber nur im Rahmen der Solidargemeinschaft erhalten. Und diese Solidargememschaft wird durch die Nation bestimmt.«23

Im Gegensatz zu NPD und DVU sehen die Republikaner die Globalisierung, verstanden als fortschreitende Internationalisierung der Wirtschaft mit weitreichenden sozioökonomischen und kulturellen Folgen, als unvermeidbar an. Dem Freihandel »können und wollen wir uns nicht entziehen«, allerdings gerate die Globalisierung aus den Fugen, indem »neue Oligopole« entstünden, »die kein Kartellamt überprüft24 Die praktischen Lösungsvorschläge der Republikaner in Sachen Globalisierung sind denn auch wenig originell: Empfohlen wird, abgesehen von den neoliberalen Standardaussagen, eine Regionalisierung der Wirtschaft. Aber auch die »Forderung nach Schutzzöllen (...) zur Herstellung der Chancengleichheit unserer Produzenten und unserer Arbeitskräfte« dürfe nicht ausgeklammert werden. Schutzzölle seien zwar »nicht die ideale Lösung«, aber ein behutsam angewendeter Protektionismus sei letztlich »die einzige Möglichkeit um einen Zusammenbruch (...) zu verhindern«.25

Der BFB:

Nicht zufällig deutet sich ein Zusammenrücken zwischen den Republikanern und dem "Bund freier Bürger" (BFB)26 an, der ebenfalls aufgrund mangelnder politischer Erfolge eine Korrektur seiner politischen Außendarstellung vollzogen hat. Dem Projekt einer Parteibildung auf der Grundlage eines offen und aggressiv formulierten Neoliberalismus mangelte es offensichtlich an einem integrierenden Gegenpol zur desintegrierenden Wirkung des Marktes. Das Bürgertum fühlte sich eben nicht von den selbsternannten Rettern der bürgerlichen Gesellschaft angesprochen, dem BFB mit seinem marktradikalen Credo fehlte nicht nur ein handlungsfähiger Parteiapparat, sondern auch eine mobilisierbare soziale Basis.

Die sucht der BFB nun vor allen Dingen im revanchistischen Milieu und hat dementsprechend seine politische Propaganda zunehmend nationalistisch ausgerichtet. Das ist auch der Grund, warum der BFB seit 1996/97 die Formulierung »deutscher Interessen« in den Vordergrund seiner Politik stellt. Trotz der veränderten Tonlage und dem Werben um eine soziale Basis im bürgerlich-konservativen Lager haben sich die wirtschafts- und sozialpolitischen Positionen des BFB nicht geändert, sie sind lediglich etwas in den Hintergrund gerückt worden. Der BFB betont in jeder wirtschaftspolitischen Stellungnahme, ob zum Euro, zur Steuerpolitik oder zum Sozialstaat, daß nur der freie Wettbewerb ohne belastende Regulierungen die Voraussetzung für Beschäftigung und allgemeinen Wohlstand schaffe.

Deutlich wie keine andere Partei der Rechten verficht der BFB das ordoliberale Modell der »Sozialen Marktwirtschaft«, das er in Abgrenzung zum »Neokapitalismus« als eine vom Staat beaufsichtigte Marktveranstaltung versteht, indem Großindustrie und mittelständische Unternehmen gleichermaßen zum wirtschaftlichen Erfolg der Nation beitragen. »Die CDU hat Ludwig Erhard verraten, die SPD hat ihn nie verstanden«, nur »die grundlegenden Reformen, die der BFB - Die Offensive anstrebt, führen Deutschland zurück auf den Weg der Marktwirtschaft«27 , heißt es in Fortsetzung der ursprünglichen Selbstüberschätzung im Programm zur Bundestagswahl 1998.

Ein kurzes Fazit

Vor diesem Hintergrund ist eine tragfähige Prognose über die zukünftige politisch-organisatorische Entwicklung der (extremen) Rechten im allgemeinen und die programmatischen Zielsetzungen im Speziellen derzeit nicht leistbar. Weder das Modell einer neoliberalen Adaption nicht darüber hinweg täuschen, daß die pitalistischer Produktion und Verteilung noch eine der völkisch-rassistischen Konzeptionen, einschließlich der wiederbelebten antikapitalistischen, pseudo-sozialistischen Strömung, haben sich bisher eindeutig im (extrem) rechten Lager durchsetzen können. Das heterogene Erscheinungsbild der Rechten ist nicht zuletzt Ausdruck ihrer Bemühungen, über das traditionelle Klientel hinaus neue gesellschaftliche Gruppen mit allerdings sehr unterschiedlichen Interessenlagen zu erreichen.

Mit neoliberaler Leistungsideologie läßt sich kaum das Heer der ModernisierungsverliererInnen mobilisieren. Ein durch Euro und globalen Wettbewerb verängstigtes Kleinbürgertum glaubt vielleicht an Markt und Nation, will aber nichts von »Sozialismus« wissen. Demgegenüber wollen die ModernisierungsgewinnerInnen in den exportorientierten Branchen den sozialen und ökonomischen Status quo verteidigt haben. Ob es gelingt, das Konstrukt einer homogenisierenden Kategorie wie Volk, Nation oder Leistungsgemeinschaft unter den Bedingungen zunehmender Differenzierung als dominierende Größe im Bewußtsein und Handeln breiter Teile der Bevölkerung zu verankern, wird entscheidend dazu beitragen, inwieweit die (extreme) Rechte in Zukunft eine soziale Basis formieren kann.

Die konzeptionellen und organisationspolitischen Bewegungen im rechten Spektrum können allerdings nicht darüber hinweg täuschen, daß die  zentralen Aussagen zu Mensch und Gesellschaft die immer gleichen geblieben sind: entrechtete Wesen statt selbstbestimmter Individuen; Autoritarismus und Diktatur statt Demokratie, Mitbestimmung und Selbstverwaltung; Terror und Gewalt statt Rationalität und Menschenwürde. Das gilt - trotz aller antikapitalistischer und pseudosozialistischer Propaganda - gerade auch für die wirtschafts- und sozialpolitischen Ziele der (extremen) Rechten. Die wesentlichen Elemente kapitalistischer Produktion und Verteilung bleiben in allen Entwürfen unberührt. Das betrifft insbesondere die Frage des Eigentums an Produktionsmitteln, die Verwendung von Gewinnen, aber auch - bei gewissen Beschränkungen - das Funktionieren des Marktes. Das Primat der Politik in seiner rechten oder neonazistischen Interpretation richtet sich letztlich nicht gegen die Marktwirtschaft als solche, sondern will ihre Expansion sicherstellen und die gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen autoritär stabilisieren.

  • 1Oliver Geldszus, DVU und NPD erkennen die politische Bedeutung der sozialen Frage. Die linke Kritik von rechts, Junge Freiheit 31-32/98, 24.7.1998
  • 2z.B. Stefan Dietrich, Die DVU gibt sich nicht nur national, sondern auch sozialistisch, FAZ 22.4.1998; Annette Ramelsberger, Die Rückkehr der Sozialisten. Mecklenburg-Vorpommern: Die eigentümliche Wahlstrategie der NPD, SZ 31.7.1998
  • 3Jürgen Elsässer, Braunbuch DVU, Hamburg 1998, S. 63
  • 4Gregor Strasser, Führer des soziairevolutionären Flügels der NSDAP, SA-Führer, wurde 1934 während der »Röhm-Affäre« von der Gestapo ermordet
  • 5Eine umfangreiche Übersicht zu dieser Frage bietet die Arbeit von Christoph H. Werth, Sozialismus und Nation. Die deutsche Ideologiediskussion zwischen 1918 und 1945, Opladen 1996, in der eine Fülle von Informationen zusammengetragen werden, allerdings weitgehend losgelöst von den jeweiligen Interessenlagen und konkreten gesellschaftlichen Bedingungen.
  • 6Vgl. hierzu die Untersuchungen von Stefan Breuer, Anatomie der 'Konservativen Revolution', Darmstadt 1993 und Joachim Petzold, Wegbereiter des Faschismus. Die Jungkonservativen in der Weimarer Republik, Köln 1978
  • 7Oswald Spengler, Der Untergang des Abendlandes. Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte (Erstveröffentlichung 1918), 2. Band, 16.- 30. Auflage, München 1922, S.567 f.
  • 8Karlheinz Weißmann, Programmpartei - Funktionspartei - Sammlungsbewegung? Die FDP zwischen Paralyse und Neuanfang, in: Criticon 149, Januar/Februar/März 1996, S. 19 - S. 23
  • 9Karlheinz Weißmann, 'Der nationale Sozialismus war eine genuin linke Idee', Interview durch Peter Krause und Dieter Stein, Junge Freiheit 36/98, 28.8.1998, S. 5f.
  • 10Thomas Paulwitz gilt als ein Koordinator des "Arbeitskreises Unsere Sprache" (ARKUS) vom rechten Verein "Unser Land" von Alfred Mechtersheimer.
  • 11Peter Krause, Auf der Rechten wird um die Hegemonie gestritten, a.a.O.
  • 12Vgl. Ralf Ptak, Herbert Schui, Das FPÖ-Dreieck. Rechtsextremes Fundament -Neoliberale Substanz - Marktgerechte Präsentation, in: Kurswechsel 1/98, S. 98-S. 113
  • 13Gedankengebilde, Anm. AIB
  • 14Peter Krause, Auf der Rechten wird um die Hegemonie gestritten. Junge Freiheit 35/98, 21.8.1998
  • 15NPD, Die raumorientierte Volkswirtschaft. Wirtschaftspolitisches Programm der deutschen Nationaldemokratie (Entwurf), Einleitung von Dr. Reinhold Oberlercher (ohne Datum), http://www.phi-presse.de/Nachrichten/Meldungen/m_d_npdl.htm, 7/1998, S. 1
  • 16Parteiprogramm der NPD, 4. Die Wirtschaft muß dem Volke dienen, Stuttgart 1997
  • 17NPD-Entwurf, Die raumorientierte Volkswirtschaft, a.a.O., S.1
  • 18Ebenda, S. 5
  • 19Bruno Wetzel, Das Rezept gegen die Arbeitslosigkeit, Deutsche Wochenzeitung 26/98, 19.6.1998, S. 2
  • 20DVU, Wahlprogramm Mecklenburg-Vorpommern 1998 (ohne Datum), München/Schwerin 1998,S. 2
  • 21Der Ordoliberalismus ist die deutsche Ausformung des Neoliberalismus, der vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise Ende der 20er Jahre entwickelt wurde. Im Zentrum der ordoliberalen Theorie steht neben dem Bekenntnis zu Wettbewerb und Konkurrenz der starke Staat, der in wirtschaftspolitischer Hinsicht einen strengen ordnungspolitischen Rahmen in der Volkswirtschaft durchsetzen soll, um das Funktionieren der Marktwirtschaft zu gewährleisten. Zugleich richtet sich das ordoliberale Staatsverständnis scharf gegen den Sozialstaat und die parlamentarische Massendemokratie. Nach 1945 bildete der Ordoliberalismus die theoretische Grundlage für das Konzept der 'Sozialen Marktwirtschaft', das Ludwig Erhard auf der politischen Ebene als Grundlage der Wirtschafts- und Sozialordnung in der Bundesrepublik durchsetzte.
  • 22Der Euro als Job-Killer. Das Brüsseler Esperanto Geld ist ein Angriff auf unseren Sozialstaat, Der Republikaner 5/1998, S. 1
  • 23Rolf Schlierer, Den Blick nach vorn: Deutsche Interessen zuerst!, Der Republikaner 5/198, S. 3
  • 24Kurt E. Goldmann, Die Globalisierung ist unausweichlich, Der Republikaner 11/1996, S. 7
  • 25Manfred Ritter, Droht eine Weltwirtschafts-Revolution?, Der Republikaner 11/1996, S. 7
  • 261998 fusioniert mit Teilen des rechten FDP-Flügel um Heiner Kappel
  • 27BFB - Die Offensive, Wahlprogramm 1998, S. 14 u. S. 16