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Das AsylBLG: Aushungern und Illegalisieren?

Einleitung

Am 1. September 1998 ist die zweite Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylBLG) eingeführt worden. Vorreiter bei der Verschärfung der ohnehin schon schlechten Lebensbedingungen für Flüchtlinge in Deutschland war erneut der Berliner Senat. Das Gesetz wurde von einer Mehrheit im Bundesrat verabschiedet, darunter auch SPD-Landesregierungen. Obwohl Flüchtlingsgruppen die ersatzlose Streichung des Asylbewerberleistungsgesetzes fordern, oder zumindest den Minimalkonsens vorschlagen, die seit dem 1. September geltenden Verschärfungen rückgängig zu machen, macht keine der Regierungsparteien die geringsten Anstalten, das Gesetz noch einmal zu überdenken oder dessen Umsetzung zu überprüfen.

Foto: Christian Ditsch

Während nach dem 1. September 1998 in den meisten Bundesländern den betroffenen Flüchtlingen »nur« das Taschengeld gekürzt wurde, ist die Situation in Berlin wesentlich schlimmer. Hier wird Flüchtlingen jegliche staatliche Leistung entzogen. Flüchtlingsgruppen bezeichnen die Politik des Berliner Senats als eine Praxis des »Aushungerns, Obdachlos machen und Illegalisieren.« In Berlin fallen rund 30.000 Flüchtlinge unter das Gesetz. Schon vor dem 1. September erhielten sie von den Bezirksämtern neben einem Heimplatz nurmehr eine um 25% gekürzte Sozialhilfe. In den meisten Bezirken wurde sie bereits damals nur noch in Form von Wertgutscheinen ausgehändigt. An Bargeld blieb dann noch ein monatliches Taschengeld von 80,- Mark für Erwachsene und 40,- Mark für Kinder und Jugendliche. Die meisten haben sogenannte »Duldungen«, weil eine Ausreise oder Abschiebung aufgrund der Situation in ihren Heimatländern nicht möglich ist. Das Gesetz sieht zusätzlich die Streichung sämtlicher Leistungen vor, wenn davon ausgegangen wird, daß die Flüchtlinge nur um Sozialhilfe zu beziehen nach Deutschland eingereist sind oder ihre Ausreise, z.B. durch die Vernichtung von Dokumenten wie Pässen, aus Sicht der Ausländerbehörden »aktiv behindern«.

Immer mehr Bezirksämter berücksichtigen ihre individuelle Situation dabei nicht. Konkret bedeutet dieses Vorgehen, daß vor allem neuangekommene Flüchtlinge entweder gar keine staatliche Hilfe mehr erhalten oder einen Heimplatz zugewiesen bekommen, aber kein Taschengeld bzw. Verpflegung. Nach einer Richtlinie der zuständigen Senatorin für Soziales, Beate Hübner (CDU), muß den Flüchtlingen nur noch eine »unabwendbar notwendige Leistung« gegeben werden. Das bedeutet, daß die Bezirksämter für drei Tage eine Übernachtung in einer Massenunterkunft zahlen müssen. Danach müssen die Flüchtlinge ihre Existenz selbst sichern. In den Beratungsstellen häufen sich die Bescheide aus den Bezirksämtern, in denen Flüchtlingen sämtliche Leistungen entzogen werden - »weil ihre Identität ungeklärt ist« - oder weil sie »die Möglichkeit zur freiwilligen Ausreise« hätten.

Aber schon die Streichung des Taschengeldes stellt die Flüchtlinge vor fast unlösbare Probleme. So müssen sie z.B, auf ihren Wegen zwischen Ämtern und Behörden öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Ohne Bargeld bleibt nur "Schwarzfahren" und damit steigt die Gefahr, als »kriminell« eingestuft zu werden. Ein besonderes Problem stellt der Identitätsnachweis dar. Denn ein von den serbischen Behörden ausgestellter Personalausweis genügt wegen »zu leichter Fälschbarkeit« nicht. Deswegen versuchen fast alle Kriegsflüchtlinge aus dem Kosovo bei der jugoslawischen Botschaft Pässe zu beantragen, dort werden sie jedoch abgewiesen, da der Botschaft die Kopien der Personalausweise - die Originale werden von der Ausländerbehörde eingezogen - nicht als Nachweis der Staatsangehörigkeit ausreichen. Ohne Bargeld ist auch hier jeder Versuch Papiere zu erhalten von vornherein unmöglich.

Bei der Umsetzung der neuen Bestimmungen des AsylBLG gehen die zuständigen Berliner Bezirksämter unterschiedlich vor. Während im Bezirk Wedding bis Ende November alle Personen, die Leistungen beziehen, nach den Gründen für ihren Aufenthalt in Berlin, ihrer Fluchtroute und nach ihren Rückreisemöglichkeiten befragt werden sollen, geht man in Kreuzberg genau den entgegengesetzten Weg. Dort wird auf eine derartige Befragung verzichtet, stattdessen muß die Ausländerbehörde nachweisen, warum eine Person keine Leistungen mehr erhalten solle. Die Unterschiede in der Behandlung der Flüchtlinge ziehen sich quer durch die Parteien. Im Bezirk Mitte, in dem der Sozialstadtrat ebenso wie in Kreuzberg Mitglied der SPD ist, häufen sich die Fälle, in denen albanische Flüchtlinge keinerlei Unterstützung mehr erhalten.

Etliche Sozialämter bezwecken, »die Leute zur Ausreise zu bringen, indem die Leistungen gestrichen werden«, wie es eine Amtsleiterin formulierte. Übersehen wird dabei, daß es für Flüchtlinge aus dem Kosovo de facto einen Abschiebestopp gibt. So hatten mehrere Flüchtlinge, die eine Duldung als Kriegsflüchtlinge und Leistungen nach dem AsylBLG beantragt hatten, mit Klageandrohungen und Klagen vor dem Berliner Verwaltungsgericht Erfolg. Doch solange der Abschiebestopp nicht von der Innenministerkonferenz der Länder beschlossen ist, können die Sozialämter die Grauzone weiter ausnutzen. Bei ihrer letzten Sitzung im November haben die Innenminister genau dieses Thema ausgeklammert. Über das AsylBLG wurde ohnehin nicht geredet.

Die Flüchtlinge können auf vielen Wegen unterstützt werden: Die Praktiken von Sozialämtern und Ausländerbehörden öffentlich zu machen, Flüchtlingen die Gutscheine abkaufen, damit sie Bargeld haben, sich um medizinische Versorgung für die kümmern, die keine Krankenscheine mehr bekommen ... Der Phantasie und den konkreten Handlungsmöglichkeiten sind da kaum Grenzen gesetzt.