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RechtsRock - Versorgungslinie Ost

Einleitung

»Machen Sie sich nicht strafbar bei der Einfuhr von gewaltverherrlichenden CD's, Tonträgern, Druckwerken oder Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen«, rät die Grenzpolizei an der Deutsch-Tschechischen Grenze. Mitte des Jahres reagierten die Behörden der Region mit einem Flugblatt auf einen Trend im kleinen Grenzverkehr. Fast täglich werden hier Personen aufgegriffen die indizierte Neonazi-CD's über die Grenze schaffen.

Bild: Screenshot von YouTube

Auftritt der RechtsRock-Band "Buldok".

»Junge Leute mit Springerstiefeln und Glatzen werden generell kontrolliert - und wir werden sein oft fündig» kommentiert ein Beamter. Beschlagnahmt werden eine Vielzahl von RechtsRock-CD's wie etwa das extrem rassistische Machwerk der "Zillertaler Türkenjäger" aus der Produktion des inzwischen in Dänemark eingestellten "NS-88" Versandes von Marcel Schilf (Dänemark). Zum Verkauf angeboten werden die Neonazi-Musik-CD's in Massen auf sogenannten »Vietnamesenmärkten« wenige hundert Meter hinter der Grenze in Tschechien.

Shopping á la NS-Butterfahrt

Der rege Verkauf von NS-Material in Ländern des ehemaligen Ostblocks ist nichts Neues. Schon seit einigen Jahren versorgen sich dort deutsche Neonazi-Skinheads mit hier illegalen Materialien. Umschlagbörse waren in der Regel Konzerte. Ein Bericht über das »1.White Unity Fest« 1995 im tschechischen Maidalena verdeutlicht dies. So schrieb der sächsische "Hammerskin"-Anführer Mirko Hesse in seiner Postille "Hass Attacke": »Drinnen stürzte man sich ersteinmal auf die Verkaufsstände und konnte so einige Schnäppchen machen (Reb. Europ., usw.)1 es gab auch ganz gute Sachen. Dazu kam ein T-Shirt 10,- DM (...). Ich ergatterte auch noch einen Sanipier LP für 5,- DM. Von dieser Billigkeit war man fasziniert.«

Vom Kauf in dieser Form ist die jüngste Entwicklung in Tschechien bereits um Dimensionen fortgeschritten. So zeigt sich auf fast allen Grenz-Märkten unseres Nachbarlandes das gleiche Bild. Die meisten CD-Stände verfügen über eine identische Angebotspalette von mehr als 50 verschiedenen RechtsRock-CD's. Dabei finden sich die Titel von indizierten Tonträgern der "Böhsen Onkelz" (Frankfurt/M) wie »Der nette Mann« oder die CD's »Republik der Strolche« von "Landser" (Berlin) und »Trotz Verbot nicht tot« von "Kraftschlag" (Kellinghusen) um Jens-Uwe Arpe einträchtig und gut sortiert nebeneinander. Die Kosten von etwa 8,- DM pro Exemplar fallen enorm niedrig aus und ziehen eine große Käuferschar an. Selbst an einem kleinen Grenzübergang wie im fränkischen Selb werden täglich »Nazi-Shopper« erwischt. Über tatsächliche Käuferzahlen sagt dies wegen der hohen Dunkelziffer zwar wenig aus, hochgerechnet auf die Gesamtheit ist aber von mehreren Tausend auszugehen.

Legal & illegal - Der rechte Musikmarkt

Das einträgliche Geschäft an der tschechischen Grenze ist bei weitem nicht unter der Rubrik »Nazi-Skins machen ein Schnäppchen« zu betrachten. Auf dem boomenden RechtsRock-Musik-Markt hat sich längst eine rechte Musikindustrie etabliert, die jenseits des Begriffs »subkulturelle Erscheinung« steht. Umsatzzahlen in Millionenhöhe lassen nur die Bewertung als florierende lassen nur die Bewertung als florierende Unternehmen, die nach marktwirtschaftlichen Prinzipien organisiert sind und dementsprechend handeln, zu.

Auf der Ebene der Vermarktung sind im wesentlichen zwei Absatzstränge zu nennen. So wird der rechte bis neonazistische Musikmarkt einerseits von Unternehmen wie "Rock-O-Rama" (Brühl) von Herbert Egoldt, das Firmennetz ("Funny Sounds", "Creative Zeiten") um die Publikation "Rock Nord" (Düsseldorf) von Torsten Lemmer oder das NPD-nahe Label und Versandhaus "Pühses Liste" (Sinning/Riesa) von Jens Pühse, die auf ein strikt legalistisches Erscheinungsbild achten, bedient.

Andererseits besteht eine Struktur, die den illegalen Markt mit strafbaren, also eindeutig volksverhetzenden und NS-glorifizierenden CD's versorgt. Beispiele wie die Razzia bei dem Kieler Label "No Mercy Records", wo 1997 mehr als 30.000 CD's sichergestellt wurden oder die Beschlagnahmung Ende 1998 von mehreren hundert "Landser"-CD's mit dem Titel »Rock gegen Oben« während einer von dem "Blood & Honour"-Aktivisten Torben Klebe (Hamburg) mit organisierten Kurierfahrt von Hamburg nach Berlin, werfen ein Schlaglicht auf den Grad der organisierten Neonazi-Kriminalität mit Musik.

Gerade für den illegalen Geschäftszweig sind Länder, in denen die Produktion und der Verkauf von NS-Material nicht strafbar sind, wichtig - bieten sie doch einen sicheren Rahmen. Im Fall Tschechien kommt noch eine finanzielle Komponente hinzu, so werden hier RechtsRock-CD's zu Spottpreisen hergestellt. So vermutet auch die bayerische Grenzpolizei, wie ein Beamter kundtut, daß »die rechte Szene das Zeug rüberschafft, um es dort vervielfältigen zu lassen.« Was liegt also näher, als die Neonazi-Musik-CD's auch gleich vor Ort verkaufen zu lassen? Fällt doch die Gefahr für die Hersteller bei der Einfuhr nach Deutschland erwischt zu werden, gering aus. Stattdessen wird dieses Risiko auf die Neonazi-Kundschaft abgewälzt.

Tschechien selbst verfügt(e) über eine sehr große Neonazi-Skinhead Szene von bis zu 4.000 AnängerInnen. Die Platten der rechten OI-Band "Orlik" gehörten hier 1991 zu den meist verkauften Platten (angeblich rund 200.000 Stück) überhaupt. Die Neonazi-Skinhead-Organisationen wie  „Bohemia Hammerskins" (1993 von dem französischen "Hammerskin"-Aktivisten Herve Guttuso initiiert) und die hiesige „Blood & Honour"-Sektion "Bohemia" und die Neonazis um die Band "Buldok" von Jan S. ("Honza") organisier(t)en Neonazi-Konzerte bis hin zu mehrtägigen Großfestivals.

  • 1Hinter dem Begriff "Reb. Europ." steht das inzwischen eingestellte "Blood & Honour"-nahe Label "Rebelles Europeens" von Gael Bodilis aus Brest (Frankreich). Bis Anfang der neunziger Jahre hatte es die Aufgabe Platten von Bands aus dem "Blood & Honour"-Spektrum zu veröffentlichen, deren Inhalte in Deutschland strafbar waren.