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Das Ende vom Lied

Einleitung

Für die Produktion von insgesamt 8.000 Landser-CDs »Ran and den Feind« und 3.000 CDs »Deutsches Volk erwache« der Band D.S.T. (Deutsch-Stolz-Treu) kassierte der Inhaber von H.A. Records, Mirko Hesse, eine zweijährige Haftstrafe. Vermutlich wird er jedoch schon im Juli 2002 nach Verbüssung von 2/3 der Strafe wieder auf freien Fuß kommen. Das Landgericht Dresden hatte den Hammerskin-Aktivisten am 21. Dezember 2001 wegen Volksverhetzung, verbotenem Waffenbesitz in zwei Fällen und Aufforderung zu Straftaten verurteilt. Der Prozess warf trotz des eher geringen Aufklärungsinteresses des Gerichts einige interessante Schlaglichter auf die Produktion von indizierter Neonazimusik.

Visitenkarte des Neonazi-Aktivisten und Geheimdienst Spitzels Mirko Hesse. (Bild/Faksimile: gamma.noblogs.org)

Ausgangspunkt für den Prozess gegen Hesse war das §129-Ermittlungsverfahren gegen die Berliner Neonazi-Band »Landser«.1 Im Zuge dieser Ermittlungen war es dem Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt gelungen, Strichcodes auf der Landser CD »Ran an den Feind« wiederherzustellen. Daraufhin konnten die Beamten den Code der Firma »Digicon AG« in Baden-Württemberg zuordnen und wurden dort vorstellig. »Digicon AG« lässt ihre CDs in Dänemark pressen, und über ein Rechtshilfeersuchen der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe wurde schließlich die Master-CD für »Ran an den Feind« im dortigen Presswerk beschlagnahmt. Dabei stießen die Ermittler auch auf die Spur des Auftraggebers für die »heiße Ware«: Mirko Hesse.

Der hatte unter dem Namen und der Telefonnummer seines Freundes Thorsten L. sowie dem Firmennamen »High Age Records« im März 2001 – unmittelbar vor der Indizierung von »Ran an den Feind« durch die Bundesprüfstelle - zum wiederholten Mal eine Marge von 1.000 CDs der Landser-Produktion in Auftrag gegeben. Mit Telefonüberwachung stellten die Sicherheitsbehörden fest, dass Hesse die Nummer seines Freundes nutzte. Und anstelle der fertigen CDs tauschten Polizeibeamte den Inhalt der Lieferung gegen CD-Rohlinge und sandten diese an den als Paketempfänger angegebenen Sebastian K. nach Sachsen. Sebastian K. behauptete im Prozess, nichts vom Inhalt des Pakets gewusst zu haben; er habe Mirko Hesse lediglich einen Freundschaftsdienst erweisen wollen. Sein Lohn: Ein paar läppische CDs. Damit endete die dritte und letzte Produktion von Landser für Hesse.

Das Muster bei der Produktion von »heißen« CDs wurde im Prozess deutlich. So trat der 26jährige Hesse nie als Empfänger der frischgepressten Ware in Erscheinung. Bereits bei den beiden vorangegangen Lieferungen der Landser-CD »Ran an den Feind« hatte er Mittelsmänner eingesetzt. Am 2. Oktober 2000 unterschrieb Hesse unter dem Namen und der Adresse seines Freundes Torsten L. den Auftrag für 5.000 Stück »Ran an den Feind« bei »digicom«, die am 16. Oktober 2000 geliefert wurden. Über den Zeitraum eines Monats schliff Hesse dann in Handarbeit die IFPI-Nummern aus den CDs, um den Hersteller zu verschleiern.2 Über SMS-Kontakte wurden anschließend die Übergaben der CDs an Weiterverkäufer und Zwischenhändler vor einem Einkaufspark in Dresden vereinbart.

Hesse selbst will Anfang September 2000 auf einer Party in Berlin von einer ihm unbekannten Person gefragt worden sein, ob er eine CD pressen lassen könnte. Als er bejahte, wurde ihm die Master-CD von »Ran an den Feind« und das Geld für die Produktion übergeben. Bei ihren Vernehmungen  nach ihrer Festnahme hatten Mitglieder von Landser erklärt, dass es sich bei dem großen Unbekannten um Jan Werner aus Chemnitz gehandelt habe.3 Als Vermittlungsgebühr sollte Hesse 500 CDs zur eigenen Verwendung behalten dürfen. Wenig glaubwürdig schien Hesses Versuch, vor Gericht jegliche Kenntnis vom Inhalt der CD-Texte zu leugnen. Die Sicherheitsbehörden jedenfalls gehen davon aus, dass Hesse wochenlang das Cover, Textbooklet und die Rückseite von »Ran an den Feind« auf seinem Computer gespeichert hatte und das Cover gestaltete. Auch seine Bekanntschaft mit »Landser« dürfte inniger sein als er im Prozess zugab. Schließlich war die Telefonnummer von Landser-Drummer Christian Wenndorff unter der Bezeichnung »Christian Landser« in seinem Telefon abgespeichert.

Die zweite Lieferung von 2.000 Landser-CDs im Dezember 2000 sprach Hesse mit der Band nicht mehr ab. Die Nachfrage nach Landser-CDs war so groß, dass Hesse unautorisiert Bootlegs von »Ran an den Feind« herstellen ließ. Ein Don aus Kalifornien, für den Hesse schon im August des gleichen Jahres 3.000 Stück der mittlerweile ebenfalls indiziierten CD »Deutsches Volk erwache« vom Dr. Sommer Team pressen liess, hatte ihn telefonisch um Nachschub gebeten.4 Lieferadresse für die Pakete mit den frischgesressten Landser-CDs aus Dänemark war dieses Mal Sandro W. in Bautzen, der von Thorsten L. vermittelt wurde. Die Bezahlung des Auftrags lief in diesem Fall über eine Gutschrift, die Hesse vom Presswerk erhalten hatte. Denn zwischen der ersten und zweiten Landser-Lieferung wurde im dänischen Presswerk durch einen Zufall der Inhalt eines anderen Auftrages von H.A. Records bekannt. Aufgrund des rassistischen Inhalts einer CD der »White Aryan Rebels« wurde diese von den Dänen eingestampft, das vorab gezahlte Geld aber gutgeschrieben.

Wie schon erwähnt erreichte die dritte Lieferung von 1.000 Stück »Ran an den Feind« den von Hesse vorgeschalteten Empfänger Sebastian K. nicht mehr. Am 11. Juli 2001 hatte Hesses vom Land Sachsen und der EU mit 12.000 D-Mark Existenzgründerhilfe geförderte Karriere dann ein vorläufigen Ende. Ein Dutzend Beamte der LKAs Sachsen und Berlin durchsuchten das Einfamilienhaus von Hesses Eltern in Langburkersdorf bei Sebnitz. In der ersten Etage residierte Sohn Mirkos Firma »H.A. Records«, die er 1997 als Geschäft zur »Produktion und Vertrieb von Tonträgern und Merchandising« angemeldet hatte.5 . Im selben Jahr hatte er zusammen mit dem Hammerskin Michael Löwe (Sebnitz) den Vertrieb Michael Löwe & Mirko Hesse GbR / Boot Boy Sevice (Hohwald) gegründet. Die Beamten stießen auf ca. 10.000 CD`s, einen Schlagring mit Hakenkreuz, eine Präzisionsschleuder mit Stütze, ein Imitat eines Maschinengewehrs und eine geladene, schussfähige Halbautomatikpistole sowie Computer. In fast jedem Raum, im Keller und auf dem Dachboden des Hauses waren CDs gelagert. Ein Sprengstoffhund förderte schließlich noch mehrere hundert Schuss Munition zu Tage. Hesse wurde verhaftet und aus der Untersuchungshaft im Prozess vorgeführt.

Polizei und Gericht attestierten Hesse, dass er die CDs aus Überzeugung produzierte. Seine über zehnjährige Neonazi-Karriere begann 1992 in der Nationalen Offensive (NO); nach Gastspielen bei der DVU und der Freiheitlich Nationalen Partei (FNP) landete er bei den Hammerskins. 1993 gründete Mirko Hesse die sächsischen Hammerskins als East Saxon Hammerskins (ESHS), die später in Saxon Hammerskins (SHS) umbenannt wurden. Die Gruppe expandierte - das frühere Hammerskin Chapter Thüringen wurde dem Chapter Sachsen zugeordnet.6 Zusätzlich gab es noch die Gruppierung Hammerskins Sachsen-West. Und obwohl die Hammerskin-Zugehörigkeit von Hesse »allgemein bekannt« ist, wie der Zeuge Sandro W. aussagte, wurde dieses Hauptaktionsfeld Hesses im Prozess nur beiläufig erwähnt. Die Produktion des Fanzines »Hass Attacke« spielte gar keine Rolle. Alles in allem ist Hesse mit einem blauen Auge davon gekommen. Die Staatsanwaltschaft hatte 3 Jahre und 8 Monate Haft gefordert, doch auf Empfehlung des Richters wurden die Anklagepunkte bezüglich der sichergestellten Soft-Air Maschinenpistole, der Präzisionsschleuder und der Munition wegen »relativer Bedeutungslosigkeit« eingestellt. Die Urkundenfälschung wurde in der Klageschrift schlicht vergessen. Da Hesse auf die sichergestellten 3.000 DM Bargeld verzichtete, schränkte er mögliche Folgen wegen Steuerhinterziehung zumindest ein. Spannender dürfte die Frage sein, ob der Zorn der derzeit nicht sonderlich mobilen Landser-Bandmitglieder über das Bootlegging bei Hesses Haftentlassung schon verraucht ist.7

  • 1vgl. AIB Nr. 54/ 2001, S.10f., »Ausgerockt«.
  • 2Den Tip dafür bekam Hesse im Mai 1999 von der Agentur für Kommunikation des Adrian Preißinger, der am 6. Februar 2002 aufgrund eines internationalen Haftbefehls der Staatsanwaltschaft Dresden festgenommen wurde, weil er von der Slowakei aus international mit neonazistischen CDs, Büchern und Heften gehandelt haben soll. Jedes Presswerk druckt auf die CDs eine eigene IFPI-Nummer, anhand derer das Werk zugeordnet werden kann.
  • 3Vgl. AIB Nr. 54/2002, S. 10f., »Ausgerockt«
  • 4Dabei handelt ist sich wahrscheinlich um den inzwischen verstorbenen Betreiber des Strikeforce-Versandes Don McKechnie aus Santa Clara.
  • 5Hesses Mutter hat das Gewerbe inzwischen abgemeldet.
  • 6Nach der Verhaftung von Mirko Hesse übernahm Stefan M. (Neustadt in Sachsen) die Führung der sächsischen Hammerskins.
  • 7Anmerkung der Redaktion (November 2002): Im November 2002 wurde Mirko Hesse für die Produktion von zwölf weiteren strafrechtlich relevanten RechtsRock-CDs durch das Landgericht Dresden, unter Berücksichtigung des Urteils vom Dezember 2001, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.