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DNA-Analysen und Gendateien. Genetischer Fingerabdruck

AutorInnen-Kollektiv des Buches „Durch die Wüste“ (Gastbeitrag)
Einleitung

Vor allem durch Berichte über »Massenscreenings« im Raum Cloppenburg im Jahr 1998 hat das Thema DNA-Analyse eine breite Öffentlichkeit erreicht. Nach zwei »Sexualmorden« hatten Polizei und Staatsanwaltschaft rund 18.000 Männer aus der Region dazu aufgerufen, sich »freiwillig« einer DNA-Analyse zu unterziehen. Von »Freiwilligkeit« konnte aber aus zwei Gründen keine Rede sein. Zum einen wurde geschickt ein sozialer Druck erzeugt. Wer nicht mitzog, machte sich verdächtig, ein Kindermörder zu sein. Zum anderen streute die Polizei die Aussage, sie werde gezielt bei Personen nachhaken, die sich der Speichelentnahme verweigern. Die massenweise Aufforderung zur DNA-Analyse ist deshalb nichts anderes als eine geschickte Umgehung der Unschuldsvermutung.
 

Bild: flickr.com/cimmyt; International Maize and Wheat Improvement Center/CC BY-NC-SA 2.0

Um die komplizierten gesetzlichen Regelungen verstehen zu können, ist es wichtig, zwischen der Entnahme von z.B. Speichel, der eigentlichen DNA-Analyse innerhalb eines aktuellen Strafverfahrens oder zu erkennungsdienstlichen, also präventiven Zwecken und der zentralen Speicherung der Analyseergebnisse unterscheiden. Zur Entnahme von Blut oder Speichel ist eigentlich eine richterliche Anordnung nötig. In der Praxis reicht, wenn in den Augen der Sicherheitsbehörden Eile geboten ist, als »Anordnung« schon das bloße Mitnehmen zur Polizeiwache. Die Entnahme darf auch mit Zwang – z.B. durch gewaltsames Öffnen des Mundes –vorgenommen werden.

Die DNA-Analyse muß hingegen schriftlich von einem/einer RichterIn angeordnet werden. Das kann dadurch umgangen werden, indem zur »freiwilligen« Entnahme aufgerufen und ein schriftliches Einverständnis zur DNA-Analyse unterschrieben wird. Deshalb gilt auch hier: Bei Polizei und Staatsanwaltschaft generell nichts unterschreiben und nicht von Suggestivfragen überrumpeln lassen! Durch die DNA-Analyse kann »nur« nachgewiesen werden, dass sich eine Person am »Tatort« aufgehalten hat, und nicht unbedingt, wann das war und erst recht nicht, was er/sie dort gemacht hat. Eine Verurteilung kann sich deshalb in der Regel nicht allein auf eine DNA-Analyse stützen.

Letztlich ist es aber dem Gericht überlassen, wie stark das Analyseergebniss im Verfahren gewichtet wird. Das entnommene Material (z.B. Speichel) muss erst vernichtet werden, wenn es für das Verfahren nicht mehr benötigt wird. Wann das ist, bestimmen Polizei und Staatsanwaltschaft. Das Ergebnis der DNA-Analyse braucht hingegen nicht vernichtet werden. Das bedeutet: Der »genetische Fingerabdruck« wandert in die Akten und darf für andere Verfahren wieder verwendet werden.

Seit September 1998 können (Speichel-) Entnahme und DNA-Analyse auch zu erkennungsdienstlichen, also präventiven, Zwecken vorgenommen werden. Der so gewonnene »genetische Fingerabdruck« kann in einer zentralen Datei beim BKA für zukünftige Ermittlungsverfahren gespeichert werden. Die präventive DNA-Analyse darf allerdings nur bei einer Straftat von »erheblicher Bedeutung« vorgenommen werden. Dabei handelt es sich um einen dehnbaren Begriff, so dass einer massenweisen Speicherung Tür und Tor geöffnet sind. Im Gegensatz zur zentralen Speicherung bedarf die präventive DNA-Analyse einer richterlichen Anordnung, außer der/die Betroffene stimmt zu.

Die »Rechtsbehelfe« gegen die DNA- Analyse sind teilweise sehr kompliziert. Daher raten wir dringend davon ab, auf eigene Faust damit herumzujonglieren. Vielmehr sollten sich Betroffene an kompetente AnwältInnen wenden. Trotzdem stellen wir die wichtigsten »Rechtsbehelfe« kurz vor. Gegen die richterliche Anordnung einer Entnahme (z.B. von Speichel oder Blut) steht als Rechtsbehelf gemäß Paragraph 304 StPO die Beschwerde bei dem Gericht zu, dessen RichterIn die Anordnung getroffen hat. Gegen die staatsanwaltliche oder polizeiliche Anordnung sowie die Art und Weise der Durchführung der Entnahme kann beim zuständigen Amtsgericht gemäß § 98 Abs.2 S.2 StPO ein Antrag auf richterliche Entscheidung gestellt werden, damit sie nicht später behaupten können, du hättest eingewilligt.

Gegen die richterliche Anordnung einer DNA-Analyse kann gemäß § 304 StPO ebenfalls Beschwerde eingelegt werden. Unabhängig davon kann die Rechtmäßigkeit der Entnahme sowie der DNA-Analyse auch während der Hauptverhandlung überprüft werden. Egal ob Spuckeentnahme, Hausdurchsuchung oder ED-Behandlung: gegen polizeiliche Repressionsmaßnahmen sollte immer »Widerspruch« eingelegt und das (wenn möglich) protokolliert werden. Unterschreiben sollte man aber nichts!