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Zwischen Neonazismus und Karriere. Die »Deutsche Burschenschaft«

Einleitung

Beim diesjährigen Burschentag in Eisenach marschierten Neonazis zur Unterstützung der Verbindungsstudenten gegen antifaschistische Proteste auf. Kein Zufall, denn die Burschenschaften orientieren sich immer weiter nach rechts. Die Verbindungshäuser entwickeln sich zu Schnittstellen zwischen Konservativen, »Republikanern« und Neonazis.

Treffen der Deutschen Burschenschaft in Eisenach 2012.

Knapp 120 Verbindungen aus der Bundesrepublik und Österreich gehören dem Dachverband, der »Deutschen Burschenschaft«, an. Verbindungshäuser der rund 15.000 aktiven Studenten und Alten Herren sind in fast allen größeren und kleineren Universitätsstädten zu finden. Die Burschen vertreten eine ausgeprägte Ideologie der Ungleichheit, in der sie sich selbst die Rolle der Elite zuschreiben. Völkischer Nationalismus, Rassismus und großdeutsche Vorstellungen sind darum inden Männerbünden weit verbreitet. Zwar spielt Politik in den Verbindungen eine unterschiedliche Rolle, der Dachverband wird jedoch von der rechts ausgerichteten »Burschenschaftlichen Gemeinschaft« dominiert. In Österreich stammen zahlreiche FPÖ-Funktionäre, vor allem Jörg Haider selbst und sein engeres Umfeld, aus den Burschenschaften.

Schnittstelle der rechtsextremen Szene

In nahezu allen Verbindungen der »Deutschen Burschenschaft«, so war es 1996 in den rechtsextremen »Staatsbriefen« zu lesen, seien Verbandsbrüder anzutreffen, »die in irgendeiner Form national oppositionell sind.« Bezeichnender noch als die Mitgliedschaft von Neonazis oder Rechtsextremen ist die Funktion der Verbindungshäuser. Konservative, sogenannte »Neue Rechte«,»Republikaner« und Neonazis kommen dort in seltener Eintracht zueinander. Als ein Beispiel dafür können die Vorgänge in der Burschenschaft »Normannia-Nibelungen« zu Bielefeld gelten. Der derzeitige Sprecher der aktiven Burschen, Marc Strothe, ehemals Chef des regionalen Verbandes der »Jungen Landsmannschaft Ostpreußen«, wurde in einer Adressdatei der 1992 verbotenen »Nationalistischen Front« geführt. Zusammen mit dem ehemaligen Sprecher der Burschenschaft und Björn Hauptfleisch, einem Autor der »Jungen Freiheit«, gehört Strothe zu den Gründungsmitgliedern der »Initiative Hochschulrecht«. Die kleine Gruppe rechter Studenten hat in Bielefeld eine Initiative des Hochschulverbandes der »Republikaner« aufgegriffen und versuchte durch Klagen, die Arbeit des AstA der Universität zu behindern und seinen Einfluss einzuschränken.

Im Verbindungshaus der »Normannia Nibelungen« geben sich »Neue Rechte«,»Republikaner« und Neonazis die Klinke in die Hand. Referenten waren das ehemalige Bundesvorstandsmitglied der »Republikaner«, Klaus Weinschenk, oder der aus der »Deutschlandbewegung« kommende Rolf Stolz. Im Mai 1999 lud die Burschenschaft Horst Mahler zum »Burschenschaftlichen Abend« ein. Mahlers Warnungen vor der »Überfremdung« lauschte in Bielefeld ein Publikum, in dem neben Burschenschaftlern auch eine Reihe von Neonazis saßen. Den Büchertisch auf der Veranstaltung betrieb der stadtbekannte Neonazi Meinhard Otto E. Den burschenschaftlichen Abenden, die in fast allen Verbindungshäusern ein- bis zweimal je Semester stattfinden, wird in den »Staatsbriefen« in politischer Hinsicht eine Schlüsselfunktion zu gewiesen. Sie könnten als »Band zwischen Burschenschaften einerseits und nationaler Opposition andererseitsdienen«. Dieser Funktion kommen zahlreiche Referenten nach. So verweist die Frankfurter Burschenschaft »Arminia« zum Beispiel stolz auf Veranstaltungen mit dem »Republikaner«-Vorsitzenden Rolf Schlierer, der zugleich Alter Herr der Burschenschaft »Germania« in Giessen ist. Die »Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn« hatte u.a. den Herausgeber der »Jungen Freiheit«, Dieter Stein, zu Gast. Die Erlanger »Frankonia« veranstaltete Abende mit dem Vorsitzenden des neofaschistischen »Thule Seminars« Pierre Krebs oder mit Reinhold Oberlercher. Es gelingt den Burschen jedoch auch immer wieder Politiker der etablierten Parteien oder Redner aus Wirtschaft und Gesellschaft zu gewinnen. Damit wollen sie den Anschein von Pluralität erwecken. Denn nach offizieller Diktion sind die Verbindungen dem Karriereklüngel dienende Lebensbünde und keine politischen Verbände. Sie sind meist als Hochschulgruppen anerkannt und genießen die damit verbundenen Privilegien.

Angst vor Verlust von Privilegien

Seit der Abspaltung der gemäßigten Verbände der »Deutschen Burschenschaft« Anfang 1996 gibt es immer mal wieder interne Turbulenzen um die Ausrichtung und Außendarstellung einzelner Verbindungen und des Dachverbandes. So sollte beim Eisenacher Burschentag im Juni dieses Jahres nach dem Willen der Burschenschaft »Oberösterreicher Germanen« eigentlich Horst Mahler den Festvortrag halten. Kurz vor der Veranstaltung wurde Mahler jedoch durch den österreichischen Professor Lothar Höbelt ersetzt. Damit wurde ein Mann gewonnen, der zwar in der Öffentlichkeit weniger bekannt ist als das Enfant terrible Mahler, aber kaum andere Ansichten vertritt. Das FPÖ-Mitglied war u.a. Mitverfasser einer Festschrift für den Auschwitzleugner David Irving und 1995 Mitherausgeber eines FPÖ-Jahrbuches, das antisemitische und rechtsextreme Beiträge enthielt. In Jena hat die öffentliche Aufmerksamkeit zum Ausschluss von elf Burschenschaftern aus der Burschenschaft »Jenensia« geführt. Die Verbindung war durch antifaschistische Proteste in die Diskussion geraten. Anlass war eine Veranstaltung am 1. Dezember 1999 mit Peter Dehoust. Zuvor hatten in dem Verbindungshaus schon Alfred Mechtersheimer von der »Deutschlandbewegung« oder Rolf Sauerzapf von der »Evangelischen Notgemeinschaft« referiert. Dehoust, Mitherausgeber der rechtsextremen Zeitschrift »Nation & Europa«, war schon in den 50er Jahren Mitbegründer des später verbotenen »Bund Nationaler Studenten«. Später führte sein Weg über die NPD zur gescheiterten Sammlungsbewegung »Deutsche Liga für Volk und Heimat”.

Auf der Veranstaltung waren neben den Burschen ein örtliches Vorstandsmitglied der »Republikaner« ebenso anwesend wie die Mitglieder des »Thüringer Heimatschutz« (THS) Tino Brandt, Andrè Kapke oder Jörg Krautheim. Neonazis aus dem »Thüringer Heimatschutz« stellten auch die Ordnergruppe für die Veranstaltung und fungierten als Personenschutz für Dehoust. Hierbei traten sie teils in Personalunion als Burschenschaftler auf. Die »Jenensia«, die auch Mitglied der rechtsextremen »Burschenschaftlichen Gemeinschaft« ist, bestätigte gegenüber der Presse, dass Angehörige des THS und der NPD »Ehrenmitglieder« seien. Der durch AntifaschistInnen erzeugte öffentliche Druck im Vorfeld der Dehoust-Veranstaltung hatte den Ausschluss von elf aktiven Burschen aus der »Jenensia« zum Ergebnis, die am 12. Februar diesen Jahres allerdings die neue Burschenschaft »Normannia Jena« gründeten. Viele Burschenschaften stehen ebenso wie die »Jenensia« vor einem Dilemma. Einerseits wollen sie eine Ideologie vertreten, die auch in der Öffentlichkeit als rechtsextrem gilt. Andererseits wollen sie als Hochschulgruppen in das universitäre Leben integriert sein und ihre Kontakte zu den Führungsebenen von Politik und Wirtschaft nicht verlieren.

Die »Jenensia« ist nämlich auch Mitglied der »Freunde und Förderer der Friedrich-Schiller-Universität«, die teilweise die Internetseiten der Burschenschaft verwaltet. Die Korporierten können als Hochschulgruppe offen und uniformiert an der Uni auftreten und für sich werben. Universitäre Räume stehen ihnen zur Verfügung und über die studentische Wohnungsvermittlung werden Verbindungshäuser angeboten. Am 4. Juni 1998 gab Ministerpräsident Bernhard Vogel einen Empfang für die Burschen und alten Herren. Auch ohne Kenntnis der offensichtlichen Verbindungen zur Neonaziszene äußerte der rechte CDU-Mann ein sonderbares Demokratieverständnis, als er sagte, er freue sich, in den Burschenschaftern junge Menschen zu treffen, die in ihren Conventen aktiv Demokratie praktizierten. Der zunehmende Schulterschluss der Burschenschaften mit der Neonaziszene ist aber kein Zufall, sondern Ergebnis eines Menschenbildes und einer Ideologie, die kaum Differenzen zum Rechtsextremismus aufweist.