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Ein Diener wird geopfert

Einleitung

Unter den »enttarnten« V-Männern des Verfassungsschutzes in der NPD dürfte der Vorsitzende der NPD-NRW, Udo Holtmann aus Oberhausen, der wohl Ranghöchste in der Partei gewesen sein. Er arbeitete von 1978 bis Ende Januar 2002 für das Bundesamt für Verfassungsschutz.

Die JN-NRW marschiert - mit dem V-Mann Udo Holtmann vorneweg.

Holtmann ist nur ein, wenn auch das krasseste Beispiel für hochkarätige V-Männer in der NPD, die an führender Stelle die Partei steuerten. Ein Umgang, der selbst gegen die Dienstvorschriften des VS verstösst, die besagen, dass V-Leute weder die Zielsetzung noch die Tätigkeit des Beobachtungsobjektes entscheidend mitbestimmen dürften. In NRW arbeitete von 1993 bis mindestens 1995 mit Holtmann und dem Solinger Wolfgang Frenz sogar die komplette Landesspitze der NPD gleichzeitig für den VS. Beide erhielten regelmässige Zahlungen, die ihnen Freiräume für ihre zeitaufwändige politische Arbeit verschafften. Der Wert der gelieferten Informationen, insbesondere wenn sie mit der Parteiführung abgestimmt waren, dürfte - wenn überhaupt - gering gewesen sein.

Frenz hatte sein »Material (...) mindestens bis in die 80iger Jahre mit den Führungskreisen der Partei abgestimmt«.1 So hatte beispielsweise der damalige JN-Landesvorsitzende Thorsten Crämer, zugleich auch Beisitzer im NPD-Landesvorstand, am 9. Juli 2000 einen Angriff auf eine 15köpfige KZ-Gedenkstättenveranstaltung der VVN-BdA in Wuppertal angeführt. Wenige Stunden nach der Tat telefonierte Crämer von seinem Handy aus mit Udo Holtmann. Der Inhalt des Gespräches zwischen Crämer und Holtmann wurde nicht in den folgenden Prozess eingeführt. Anscheinend war der Schutz einer V-Mann-Identität wichtiger als die gründliche Aufklärung eines Überfalles auf AntifaschistInnen, darunter auch Überlebende des Nationalsozialismus.

Mit 14 schon dabei

Eigenangaben der NPD zufolge2 war der 1937 in Duisburg geborene Holtmann schon als 14jähriger »Mitglied einer vaterländischen Jugendgruppe«. Mit 18 sei er dann der »Deutschen Reichspartei« (DRP) beigetreten. Wie Wolfgang Frenz zu berichten wusste, gehörte Holtmann dem »sozialistischen Flügel der Deutschen Reichspartei an, trennte sich aber von dieser (...) um (...) die Deutsche Freiheitspartei zu gründen - ein Unternehmen, das keinen Bestand hatte«. 1966 fand Holtmann den Weg zur NPD und übernahm von Beginn an führende Funktionen. Bereits ein Jahr später wurde er als stellvertretender Kreisvorsitzender der NPD-Duisburg geführt, noch im selben Jahr übernahm er den Vorsitz.3

Schon 1968 war er Mitglied des Landesvorstandes und führte »in dieser ‚Sturm-und- Drang-Zeit‘ der noch jungen NPD die Referate Propaganda und OD-Leitung«, wie es der Parteivorsitzende Udo Voigt 1999 ausdrückte. Als Leiter des NPD-«Ordnungsdienstes« (OD) in NRW war der ehemalige Zeitsoldat und heutige Oberfeldwebel der Reserve auch für die persönliche Sicherheit des damaligen NPD-Bundesvorsitzenden Adolf von Thadden bei dessen Wahlkampftour 1969 verantwortlich. Aus den Reihen des OD in NRW entstand kurze Zeit nach dem Scheitern der NPD bei den Bundestagswahlen 1969 die terroristische »Europäische Befreiungsbewegung« (EBb, auch »Europäische Befreiungsfront«). Diese wurde von dem kommissarischen Duisburger Kreisvorsitzenden Helmut Blatzheim geleitet. Die NPD hatte die Gruppe nach deren Scheitern an den Wahlurnen abgeschrieben. Nun ging es darum, einen angeblich seit der Bundestagswahl 1969 auf die BRD ausgeweiteten »europäischen Kommunistenblock« zu »liquidieren«.

Ein Jahr später wurden bei Hausdurchsuchungen bei Gruppenmitgliedern »13 Gewehre ..., 17 Pistolen und verschiedene Sprengkörper sowie Hieb- und Stichwaffen; ca. 3.000 Schuß Munition« gefunden.4 Der NPD-Landesvorstand will erwartungsgemäß von der Existenz der Truppe nichts gewußt haben, eine Behauptung, die angezweifelt werden darf, da auf der beschlagnahmten Liste der Organisation auch ein Landesvorstandsmitglied der NPD - vermutlich Holtmann persönlich - gestanden hat. 1977 wurde Holtmann als Beisitzer in den NPD-Bundesvorstand gewählt, dem er bis zu seiner »Enttarnung« angehörte. Kurze Zeit später wurde er offensichtlich vom VS angeworben. »1982 machte er sich selbständig und betreibt eine eigene Druckerei, mit der er der NPD schon oft aus der ‚Patsche‘ half«, schrieb Udo Voigt 1999 in seiner Laudatio auf das »‘Fossil‘ im amtierenden Parteivorstand«. Bei der Druckerei handelt es sich um die Firma »Offset-Express« in Oberhausen. Laut NPD-Rivale Steffen Hupka hingegen hat Holtmann vor über zehn Jahren Parteigelder in fünfstelliger Höhe zur Sanierung seiner privaten Firma veruntreut.5

1993 stieg Holtmann in der NPD NRW vom stellvertretenden- zum Landesvorsitzenden auf. Im selben Jahr wurde er auch zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden gewählt. Erstere Funktion bekleidete er bis zu seiner »Enttarnung«, zweitere bis zum Bundesparteitag 2000, bei dem er nicht wieder für dieses Amt antrat, statt dessen aber wieder als Beisitzer in den Bundesvorstand gewählt wurde. Von 1995 bis 1996 leitete er nach der Amtsenthebung von Günter Deckert und bis zur Wahl von Udo Voigt sogar zusammen mit Ellen-Doris Scherer kommisarisch die Bundespartei. Lange Jahre bis August 1999 war er laut Impressum »Chef vom Dienst« und »Verantwortlicher in Sinne des Presserechts« der bundesweiten NPD-Zeitung »Deutsche Stimme«. Ebenfalls presserechtlich verantwortlich zeichnet er für die Monatszeitschrift »Deutsche Zukunft NPD-Landesspiegel Nordrhein-Westfalen« und im Oktober 2001 für das verbotene antisemitische NPD-Wahlplakat mit dem Spruch: »Den Holocaust hat es nie gegeben...«4

Als die Aufmarschwelle der NPD auch in NRW begann, war Holtmann einmal mehr an vorderster Front dabei. Bei der Demonstration am 12. September 1998 in Münster trat er als Redner und Versammlungsleiter in Erscheinung. Danach ließ er sich aber auf Demonstrationen in NRW nicht mehr blicken. Statt dessen übernahm er federführende Funktionen bei der Organisation bundesweiter Großveranstaltungen. Parallel zu seiner Arbeit für die Bundespartei führte er einen Landesverband, der in den letzten drei Jahren über 200 Mitglieder dazu gewinnen konnte. Holtmann wurde zuletzt am 16. September 2001 beim Lande

  • 1So Frenz in einem Brief an »seine Freunde« vom 31. Januar 2002, laut dem Rundbrief oppositioneller NPD-Kräfte Nr.1/2002
  • 2Sämtliche in diesem Artikel nicht anderweitig gekennzeichneten Angaben der NPD über Holtmann sind dem Buch von Apfel, Holger (Hrsg.): Alles Große steht im Sturm. Tradition und Zukunft einer nationalen Partei. 35 Jahre NPD - 30 Jahre JN, Stuttgart, 1999, entnommen worden.
  • 3Vgl. zu Holtmanns Werdegang: JungdemokratInnen/Junge Linke (Hg.): Duisburg – rechts um!? Neonazismus im Großraum Duisburg/Oberhausen, Duisburg 2002
  • 4a4bBericht des Landesamts für VS NRW an den Hauptausschuß des Landtages NRW (Berichtstand: 21.11.1970)
  • 5Rundbrief oppositioneller NPD-Kräfte Nr.1/2002