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NPD vor dem Verbot? Zwischen Deutschem Reich und BRD-Gerichten

Einleitung

Radikalisierung und Machtkämpfe kennzeichnen die Zerrissenheit der NPD im Zuge des Verbotsverfahrens. Es ist ein Richtungsstreit entbrannt, in dem einige Flügel der Partei kaltgestellt werden und sich der Bundesvorstand orientierungs- und konzeptionslos präsentiert.

Seit dem NPD-Verbotsantrag Anfang 2001 ist Partei-Anwalt Horst Mahler führend in der ideologischen Radikalisierung der NPD.

Radikalisierung

Seit dem NPD-Verbotsantrag Anfang 2001 ist Partei-Anwalt Horst Mahler führend in der ideologischen Radikalisierung der NPD. Munter publiziert er übelste neonazistische Positionen und forciert den Streit mit Teilen der alteingesessenen NPD-Basis. Als »unverantwortlich«1 bezeichnete etwa der langjährige NPD-Aktivist Winfried Krauß die Erklärung Mahlers zum Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 20012 und dürfte damit vielen an der eigenen Basis aus dem Herzen sprechen. Ein jüngeres Beispiel dieser Radikalisierung ist ein Positionspapier des Deutschen Kollegs zur Reformation der NPD, auf das die Partei verschnupft reagierte.

»Im übrigen stellt die NPD klar, dass das >Deutsche Kolleg< keine Einrichtung oder ein Bestandteil der NPD ist« lautete der Kommentar in der Parteizeitung Deutsche Stimme.3 Das Deutsche Kolleg (DK) lebt in der Annahme des rechtlichen Fortbestehens des »Deutschen Reiches«. In dem vorgelegten Papier klärt das Kolleg die NPD darüber auf, dass »nach dem geltenden Reichsparteiengesetz, Parteigründungen verboten« seien. Aber so lange man »noch außerstande ist, dem Reichsgesetz auf deutschem Boden Geltung zu verschaffen«, sei die NPD eine »vorläufige Notwendigkeit«. Da aber alle Parteien nach 1945 reichsfeindlich, gesetzwidrig und daher kriminelle Vereinigungen seien, dürfe sie lediglich den »parteipolitischen Hilfstrupp spielen« und müsse zuvor den Wortbestandteil »demokratisch« aus ihrem Parteinamen streichen.

Die NPD auflösen

Dem Papier von Mahlers Deutschem Kolleg ist eine lediglich vier Punkte umfassende Satzung und ein Neuentwurf des NPD-Parteiprogramms beigelegt. Programmpunkt eins: »Die NPD erstrebt ihre möglichst baldige satzungsgemäße (§ 4) Auflösung«. Nach ihrer neuen Satzung träte dies ein, wenn das »deutsche Volk« eine verfassungsgebende Versammlung einberufen hat.4 Ein Vorschlag für diese neue Verfassung ist als »Notprogramm« beigelegt, deren erster Punkt die »Entausländerung der Wohnbevölkerung in Deutschland«5 ist. Inhaltlich gibt es von Seiten der NPD eigentlich kaum Differenzen mit dem Kolleg, denn »seit 1964 führt die NPD im besetzten und fremdbestimmten Deutschland den Kampf um das Deutsche Reich«. Allerdings möchte die NPD keine parteipolitische Hilfstruppe des Kollegs sein, sondern den »organisatorischen Kern der nationalen Befreiungsbewegung darstellen«. Brüsk betont die Deutsche Stimme, eine von außen gesteuerte Einmischung in innere Angelegenheit der Partei verbiete man sich.5

Der Dissens in der »Reichsfrage« ist eine für das Verbot entscheidende Formsache: Kämpft man – wie die NPD - um das »Reich« auf dem Boden des Grundgesetzes oder hat dessen Bestehen nie aufgehört und somit die Bundesrepublik Deutschland nicht existiert. Schrammten »echte Reichsdeutsche« mit selbstgebastelten Ausweisen bisher eher knapp an der Psychiatrie6 vorbei, werden sie der NPD vor der Verbotsverhandlung zum Problem. Der Parteivorstand widmete seiner Erwiderung auf die Forderungen des Kollegs gar eine halbe Seite in der offiziellen Parteizeitung. Die überdeutliche Distanzierung ist strukturelle Augenwischerei. Nicht nur, dass die Ideologen des Kollegs – Uwe Meenen, Reinhold Oberlercher und Horst Mahler - seit jeher in NPD-Kreisen herumtingeln, in denen auch die Schulungsarbeit für deren Mitglieder stattfindet. Zumindestens Meenen und Mahler sind NPD-Mitglieder und Mahler vertritt die Partei als Anwalt vor dem Bundesverfassungsgericht.

Notstände und Klagen

Als einer der engsten Berater des Parteivorsitzenden Udo Voigt ist Mahler bislang über jede Kritik erhaben gewesen. Weniger Nachsicht gegenüber einer (ideologischen) Radikalisierung zeigte die NPD-Bundesführung beim Thema NPD-Landesverband Schleswig-Holstein, der maßgeblich von »Freien Nationalisten« geleitet wird. Am 23. September vergangenen Jahres verhängte der Bundesvorsitzende Voigt den Notstand über den Landesverband. Offizielle Begründung waren die Äußerungen der Norddeutschen zu den Attentaten von New York. Letztere sahen in den »Selbstmordangriffen einen notwendigen kriegerischen Befreiungsakt gegen den allgegenwärtigen US-Imperialismus«.7

Sicherlich war Voigts Schritt nur das Ende eines langen Streits, jedoch zeigt dessen Klärung, mit welchem Mitteln derzeit um Einflusssphären in der NPD und um deren Ausrichtung gestritten wird. Der ausgebootete Landesvorstand reichte beim Landgericht Berlin Klage auf Beendigung der Suspendierung ein. Damit wurde das parteiinterne Bundesschiedsgericht quasi umgangen. Für Neonazis, die das politische System Deutschlands und dessen »Systemgerichte« verabscheuen, ein fast unglaublicher Schritt. Am 8. November 2001 gab das Gericht der Verfügungsklage recht und »stellte die innerparteiliche Demokratie in der NPD wieder her«.8

Die Polizei hilft

Ähnliche Peinlichkeiten dokumentierte bereits im Sommer 2001 der »Unabhängige Rundbrief« der inzwischen aufgelösten Revolutionären Plattform (RPF) innerhalb der NPD über den 9. Landesparteitag der NPD Sachsen-Anhalt. Dort hatte der damalige Landesvorsitzende Andreas Karl - mit Hilfe der Polizei - eine Gruppe um Steffen Hupka aus dem Saal entfernen lassen.9 Auch Steffen Hupka bemühte das Landgericht Berlin. Anfang des Jahres klagte er vergeblich gegen seinen Rausschmiß aus der NPD. Diese hatte ihn im Dezember 2001 endgültig aus der Partei ausgeschlossen, da Hupka mit seinem »Finanzgebaren, insbesondere aber in der Mißachtung des Führungsauftrages des Parteivorstandes« die Partei schwer geschädigt habe.10 Bei der Demonstration gegen die sogenannte Wehrmachtsaustellung am 2. Februar 2002 in Bielefeld kam es auch prompt zum Eklat, als der aus der NPD ausgeschlossene Hupka, trotz Redeverbot, das Wort ergriff (siehe Artikel S. 35 ff.) Aufgeben will Hupka offenbar nicht, auch wenn er und seine Gefolgsleute beim Bundesparteitag der NPD im März 2002 in Königslutter erneut unterlagen.

Spitzelängste und Intrigen

Gänzlich aus den Fugen geriet das innerparteiliche Miteinander, nachdem Ende Januar 2002 die ersten V-Männer des Verfassungsschutzes in der NPD bekannt wurden. Hierzu zählt beispielsweise Udo Holtmann, der seit 1978 mit Wissen des damaligen NPD-Vorsitzenden Martin Mußgnug gespitzelt haben soll.11 Bisher ist von mindestens acht weiteren Informanten die Rede, von denen nur die Hälfte namentlich bekannt ist. Somit wird intern lebhaft spekuliert, was dem stoertebeker.net eine Klage wegen übler Nachrede vom stellvertretenden NPD-Landesvorsitzenden in Mecklenburg-Vorpommern, Maik Spiegelmacher, einbrachte. In einer Meldung des Internetprojektes von Spiegelmachers Konkurrenten, Axel Möller, wurde der NPDler Erwin Kemna in die Nähe von Geheimdiensten gerückt.12 Indem sich Horst Mahler beim internen V-Mann-Schießen mitengagierte, wurden nebenbei auch Widersacher kaltgestellt.

Er lancierte eine Pressemitteilung, in der er einem seiner Kritiker, dem Parteivorstandsmitglied Per Lennart Aae13 , Verbindungen zum Militärischen Abschirmdienst (MAD)14 unterstellte. Hintergrund für Mahlers Anschuldigungen war Aaes Arbeitsplatz bei der Firma Industrieanlagen Betriebsgesellschaft im bayerischen Ottobrunn bis 1991. Das Unternehmen arbeitet zum Teil für die Bundeswehr und unterstand der Aufsicht des MD. Es ist naheliegend, dass Mahler vor allem Aaes Glaubwürdigkeit zerstören wollte, denn der ehemalige Leiter der Rechtsabteilung in der NPD und einflussreiche Ideologe hatte Mahler u.a. im Politischen Forum der Internetseite npdverbotsprozess.de vorgeworfen, die NPD verbal verbotsreif zu schießen und eine ungünstige Prozessstrategie zu verfolgen.

Offiziell wurde Aae Anfang Februar von seinem Vorstandsamt enthoben, da er durch eine angekündigte eigene Stellungnahme »die festgelegte Prozeßstrategie« in Frage gestellt und die »NPD in große Gefahr« gebracht hätte.15 Ihren Mitgliedern verordnete die Partei inzwischen absolutes Stillschweigen und Auskunftsverbot bezüglich der V-Mann-Affäre.16 JournalistInnen drohte die NPD, »gegen jeden strafrechtlich vorzugehen, der (...) die NPD und ihre Prozeßvertreter in der Öffentlichkeit zu diskreditieren« versuche.17 Trotzdem beteiligte sich auch der Herausgeber der rechtsextremen Zeitschrift Signal, Manfred Rouhs, am V-Mann-Ratespiel. Er zeigte Horst Mahler wegen »Parteiverrats« an. Rouhs Begründung: Nur Mahler hätte neben ihm selbst den genauen Ort des Signal-Pressefestes 1999 in Engel-Anselfingel gekannt. Trotzdem hätte sich der Staatsschutz bei dem Betreiber des Gasthauses »Krone« gemeldet, woraufhin Rouhs gekündigt wurde. Er schliesst seine Anschuldigungen gegen Mahler mit der Feststellung: »Bei Mahlers Schriftsätzen lacht aus jeder Zeile der nackte, offensichtliche Irrsinn«.18

Open end...

Ein Ende der Flügelkämpfe innerhalb der ältesten deutschen Neonazipartei ist vorerst nicht in Sicht. Diese werden von Innen und Außen durch die Freien Kameradschaften weiter angeheizt. Die Beteiligten im partei-internen Gezänk werden sich weiterhin öffentlich bekriegen. Und während sich etwa Aae brav am npdverbotsprozess.de - Forum beteiligt, versorgt der geschasste Steffen Hupka die Öffentlichkeit mit allerlei schmutziger Wäsche aus der NPD. Die internen politischen Differenzen werden jetzt immer deutlicher. Der jahrelange Konsens der verschiedenen politischen Strömungen, der die NPD zur derzeit wichtigsten neonazistischen Partei wachsen ließ, wird weiter bröckeln. Hinzu kommt, dass die NPD als Aktionsplattform längst nicht mehr so wichtig ist wie vor einigen Jahren. Auch wenn sich führende Parteikader derzeit betont kämpferisch und siegessicher angesichts der V-Mann-Affären und der Folgen für das Verbotsverfahren geben, bröckelt die Fassade zusehends. Offenbar herrscht parteiintern durchaus Unsicherheit, ob man das Ganze tatsächlich als Reinigungsprozess sehen sollte, aus dem die NPD gestärkt hervorgeht. Oder ob die NPD aus ihrer selbsternannten Rolle als Anführerin einer »Nationalen Außerparlamentarischen Opposition«19 – auch wenn Parteichef Voigt Gegenteiliges behauptet20 – abdanken wird.

  • 1Deutsche Stimme, Nr.11, 2001, S.7: Unverantwortlich, von Winfried Krauß.
  • 2AIB 54/2002, S.XVII: Wer ist hier nun eigentlich das Opfer?
  • 3Deutsche Stimme, Nr.12, 2001, S.14: Organisatorischer Kern der nationalen Befreiungsbewegung.
  • 4Angelehnt ist dieser Gedanke an die deutsche Nationalversammlung von 1848 in der Frankfurter Paulskirche.
  • 5Deutsche Stimme, Nr.12, 2001, S.14: Parteiführung lehnt weltfremden Vorschlag zur vermeintlichen »Reformation« der NPD ab.
  • 6Die Staatsanwaltschaft stellte bspw. ein Verfahren gegen den »Generalbevollmächtigen der Kommissarischen Reichsregierung« Wolfgang Ebel wegen dessen Schuldunfähigkeit ein. Die »Reichsregierung« aus Berlin-Zehlendorf hatte u.a. Haftbefehle mit angedrohter Todesstrafe an »Hochverräter« verschickt.vgl.: Die Tageszeitung, 15.08.2000
  • 7Unabhängiger Rundbrief. Rundbrief kritischer Nationalismus, Nr.4, 2001, S.1: Parteipräsidium handelt vorsätzlich rechtswidrig, um einen mißliebigen Flügel ihrer Partei auszuschalten, von Jürgen Gerg.
  • 8Pressemitteilung, 08.11.2001: Landgericht Berlin stellt innerparteiliche Demokratie in der NPD wieder her, von Jürgen Gerg.
  • 9Unabhängiger Rundbrief. Rundbrief kritischer Nationalismus, Nr.2, 2001, S.2: NPD-Landesvorstand Sachsen-Anhalt führt satzungswidrig Parteitag durch!, von Steffen Hupka.
  • 10Pressemitteilung, 10.12.2001 von der NPD-Bundespressestelle.
  • 11http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,180484,00.html: Bundesregierung wußte seit 1995 von Holtmann.
  • 12www.jungle-world.com/2002/07/11a.htm.
  • 13Aae erklärte eidesstattlich, es habe »zu keinem Zeitpunkt einen Kontakt zwischen dem MAD und mir« gegeben. vgl.: An die Abgeordneten des Innenausschusses im Deutschen Bundestag, 01.02.2002, von Per Lennnart Aae. Auch vier weitere Auskunftspersonen aus dem Spektrum der »Freien Nationalisten«, nämlich Steffen Hupka, Christian Worch, Thorsten Heise und Jürgen Schwab, haben dem Bundesverfassungsgericht vorsichtshalber eidesstattliche Versicherungen geschickt, in denen sie versichern, keine V-Männer zu sein.
  • 14Presseinformation, 31.01.2002: NPD-Prozeß hier: Ermittlung der vom Militärischen Abschirmdienst (MAD) geführten V-Leute, von Horst Mahler.
  • 15www.npd.net, 05.02.2002: Parteivorstandsmitglied Aae erneut vom Amt suspendiert.
  • 16www.stoertebeker.net, 09. 02.2002: Neue Wendung im V-Mann-Skandal.
  • 17www.npd.net, 11. Februar 2002: Trittbrettfahrer in der V-Mann-Afffäre.
  • 18www.signal-online.de, 04.02.2002, Manfred Rouhs.
  • 19Deutsche Stimme, Nr.3, 2000, S.3: Speerspitze der nationalen Erneuerung, von Christian Wendt.
  • 20Deutsche Stimme (Sonderbeilage), Nr.2, 2002, S.3ff: Wiederaufbau der Volksgemeinschaft. Interview mit Udo Voigt.