»Ästhetischer Revisionismus«
Seit Jahren erhitzt das Phänomen Knopp die Gemüter. Während zahlreiche Fachhistoriker und (linke) Feuilletonisten dem Fernsehhistoriker revisionistische, bisweilen sogar faschistische Tendenzen attestieren, erzielen seine Produktionen regelmäßig hervorragende Einschaltquoten, die bisweilen bei über 20 Prozent liegen.
Diese Beobachtungen müssen sich nicht unbedingt widersprechen – im Gegenteil. Sie bedürfen aber dennoch einer eingehenden Betrachtung. Seit ungefähr 15 Jahren verfügt Knopp im ZDF faktisch über das Deutungsmonopol für die Zeit des Nationalsozialismus. Zugleich haben die unter dem Label »Knopp« produzierten Geschichtsdokumentationen wie etwa »Hitler – eine Bilanz«, »Hitlers Helfer« oder »Hitlers Krieger« in ästhetischer Hinsicht gewissermaßen ein neues Genre im Bereich des deutschsprachigen Fernsehens geschaffen. Diese spezifische Form des Docutainment, vom Berliner Filmemacher Boris Schafgans kritisch als »Knoppismus« bezeichnet, hebt sich von der Ästhetik der klassischen Fernsehdokumentation ab und zielt, so die These des amerikanischen Historikers Wulf Kansteiner, auf eine »Radikalisierung des deutschen Gedächtnisses«.
Knopp – Eine Bilanz
Guido Knopp begann seine Karriere beim ZDF im Jahr 1978. Zuvor war er als Auslandsredakteur bei der FAZ und der Welt am Sonntag tätig gewesen. Seit 1981 fungiert er beim Mainzer Sender faktisch als Leiter der Unterabteilung Zeitgeschichte (später Redaktion Zeitgeschichte), die während der 1980er Jahre sukzessive zu Knopps eigenem »Königreich« (Lutz Kinkel) heranwuchs. In der Redaktion sind ständig bis zu 20 feste bzw. fest-freie Mitarbeiter beschäftigt. Diese treten jedoch nach außen hin kaum mit eigenständigen Arbeiten in Erscheinung, sondern produzieren fast ausschließlich unter dem Label »Guido Knopp«. Im Laufe der letzten 20 Jahre entstanden auf diese Weise dutzende (zeit)geschichtlicher Dokumentationen, die sich unterschiedlichen Thematiken widmeten. Erfolgreiche Reihen waren zum Beispiel: »Die deutsche Einheit« (1990), »Top Spione« (1994) oder die »Macht der Päpste« (1997).
Der Schwerpunkt der Knoppschen Produktionen lag jedoch von Beginn an auf der Zeit des Nationalsozialismus. Nach einigen Dokumentationen in den 1980er Jahren, wie etwa über den »Verführer« Josef Goebbels (1987), gelang ihm mit zwei aufeinander folgenden Staffeln, die sich mit dem Krieg gegen die Sowjetunion befassten (»Der verdammte Krieg« 1991/ 1993) der Durchbruch. Seit Mitte der 1990er Jahre folgten dann Knopps berüchtigte »Hitler«-Reihen, »Hitler: Eine Bilanz« (1995), »Hitlers Helfer« (1997), »Hitlers Krieger« (1998), »Hitlers Kinder« (2000) und »Hitlers Frauen« (2001). Zudem produzierte das »Label Knopp« eine Serie über den »Holokaust« (2000) und die SS (»Eine Warnung der Geschichte«; 2002).
In den letzten beiden Jahren rückte Knopp dann verstärkt die deutschen Opfer des Zweiten Weltkrieges ins Zentrum seines Schaffens. Im Jahr 2001 sendete das ZDF Serien über die Vertreibungen der Deutschen (»Die große Flucht«), den Bombenkrieg über Deutschland (2003), sowie das Schicksal der deutschen Kriegsgefangenen (2003). Alle der hier genannten Reihen wurden im Abendprogramm des ZDF zur besten Sendezeit ausgestrahlt, erzielten im Durchschnitt bemerkenswerte Einschaltquoten und avancierten teilweise sogar zum Exportschlager. Produktionen aus dem Hause Knopp wurden bislang in 42 Länder verkauft. Parallel zu den Serien erschienen meist medial aufwändig gehypte Begleitbücher, Videos und CD-Roms, die es teilweise ebenfalls in die vorderen Ränge der Bestsellerlisten brachten.
Überzeugungstäter und »Verstrickte« – Guido Knopps Geschichtsbild
Die in diesen Sendungen und Publikationen transportierten Interpretationen des Nationalsozialismus sind – das verdeutlichen bereits die Titel der Serien – fast durchgehend hitlerfixiert und intentionalistisch. Geschichte ist für Knopp in erster Linie die Geschichte großer Männer. Im Zentrum des Knoppschen Blicks auf das »Dritte Reich« stehen Hitler, seine engste Führungsclique sowie einige weitere hochrangige Funktionseliten. Der Nationalsozialismus und seine beispiellosen Verbrechen erscheinen somit im Wesentlichen als das Werk einer eingrenzbaren Gruppe ideologisch fanatischer Überzeugungstäter. So resümierte Knopp bereits am Ende der 1980er Jahre: »Das sogenannte Dritte Reich war ohne ihn [Hitler] nicht denkbar. Ohne ihn zerfiel der ganze Spuk, er war der Schreibtischtäter Nummer eins.«
Das »Hinnehmen und Mitmachen der Vielen« (Alf Lüdtke) bleibt dagegen in den ZDF-Produktionen weitgehend ausgeklammert. Zeitgenössische, mittlerweile publizierte Berichte, wie etwa die Tagebücher von Viktor Klemperer, die Essays von Sebastian Haffner oder die Aufzeichnungen von Saul Padover beschreiben ebenso wie neuere historische Forschungen das »Dritte Reich« als eine »Konsensdiktatur«. Die nationalsozialistische Herrschaft beruhte demnach nicht nur auf dem Terror der Gestapo und der SS. Vielmehr konsolidierten sich Volksgemeinschaft und Ausgrenzungsprozesse in kollektiven sozialen Praktiken. Ob als DenunziantInnen oder als Arisierungsprofiteure: Die Deutschen partizipierten an der nationalsozialistischen Macht und gestalteten sie aktiv im Alltag mit.
Diese Beobachtungen und Erkenntnisse finden in den Geschichtsdarstellungen Knopps nur selten Erwähnung. In den mittlerweile kaum noch zu überblickenden Knopp-Sendungen über den Nationalsozialismus bleibt die Rolle der deutschen Bevölkerung ein blinder Fleck. Bezeichnenderweise wurde eine Reihe über »Hitlers Volk« von Knopp zwar angekündigt, jedoch nie produziert.
Statt die (durchaus vielschichtigen) Motive für das »Mitmachen« der »ganz normalen« Deutschen jenseits der »Kommandohöhen« zu benennen und nach deren Verantwortung für ihr Handeln zu fragen, ist bei Knopp oftmals nur diffus von »Verstrickung«, »Verführung«, »Blendung« bzw. »Instrumentalisierung« der jeweiligen Akteure oder Gruppen die Rede. Beispielhaft zeigt sich diese Sichtweise in der Reihe »Hitlers Krieger«, die sich schwerpunktmäßig mit den Biografien von sechs Wehrmachtsgenerälen beschäftigt. Zwar wurde in den jeweiligen Beiträgen der im Juni 1941 begonnene Krieg gegen die Sowjetunion eindeutig als »Vernichtungskrieg« bezeichnet, das konkrete Verhalten und die Handlungsmuster der »einfachen« Wehrmachtssoldaten stehen jedoch nicht zur Diskussion. Aber auch die Verantwortung, die die militärischen Eliten für unzählige Kriegsverbrechen und Massenmordaktionen trugen, verschwindet bei Knopp hinter floskelhaften verschleiernden Formulierungen. Als personifizierter Dreh- und Angelpunkt aller Verbrechen wird wieder einmal Adolf Hitler präsentiert. Denn die Reihe soll vor allem darüber »Aufschluss geben, wie ein wahnbesessener Diktator seine Militärs für ein zerstörerisches […] Werk instrumentalisierte.«
In ihrer Gesamtheit erscheinen die Deutschen somit als getäuschte Opfer eines mit allen demagogischen und propagandistischen Mitteln arbeitenden Regimes. Diese Sichtweise wurde schon in frühen Knopp-Produktionen deutlich: In der 1987 ausgestrahlten Dokumentation »Der Verführer« präsentierte Knopp eine ganze Reihe ehemaliger Mitarbeiter von Josef Goebbels als Zeitzeugen und gab ihnen die Gelegenheit, munter plaudernd über das manipulative Geschick des früheren Propagandaministers zu berichten. Nicht nur in diesem Fall wurden dem Fernsehhistoriker mangelnde Distanz und fragwürdige Interpretationen vorgeworfen. Die Kritik, die der Freiburger Historiker Ulrich Herbert im Hinblick auf die Reihe »Hitlers Helfer« äußerte, hier würde »der Forschungsstand der 60er Jahre in neue Stiefel gegossen«, trifft im Grunde für nahezu alle Knopp-Produktionen zu. Diese fast schon notorisch erhobenen Vorwürfe scheinen Knopp jedoch kaum zu tangieren: Er tut sie, im Bewusstsein der hohen Einschaltquoten, die seine Sendungen erzielen, als Äußerungen einiger »weniger Feuilletons« ab. Stattdessen hält er bis heute unbeirrt an seinen die deutsche Bevölkerung tendenziell exkulpierenden Deutungen des Nationalsozialismus fest.
Patriotismus ohne Trauma
Diese Sichtweise hat ihre Gründe. Eine wesentliche Aufgabe seiner Produktionen sieht Knopp nämlich darin, den Deutschen zu einem gewissermaßen »aufgeklärten« Patriotismus zu verhelfen. Für Knopp, so urteilt Wulf Kansteiner, seien die Deutschen immer noch »Geiseln der eigenen Geschichte«, die es ihnen verbiete, unbefangen über »Euthanasie«, Elitenförderung oder Gentechnik zu diskutieren. Bereits 1988 konstatierte der ZDF-Mann »in der Bundesrepublik ein neues Bedürfnis nach Identität«, das jedoch historischer »Orientierungspunkte« bedürfe: »Denn in der Bundesrepublik gibt es nach wie vor ein Defizit an ›Wir-Bewusstsein‹. Doch unsere Chance liegt hier nur in einer eigenständigen, historisch und moralisch geläuterten Form des ›Common Sense‹. Nach Canossa müssen wir nicht gehen. Doch Patriotismus ohne Trauma ist nur denkbar, wenn er Auschwitz einbezieht.«
Dieser vor 16 Jahren formulierte »Common Sense« gehört heute im Zeichen neuer deutscher weltpolitischer Ambitionen zu den Grundpfeilern rot-grüner Vergangenheitspolitik. Anders als noch in der Ära Kohl ist das Bekenntnis zur deutschen Verantwortung für Holocaust und Kriegsverbrechen zum festen Bestandteil der offiziellen Erinnerungskultur geworden. Der Umgang mit der jahrzehntelang »kommunikativ beschwiegenen« (Hermann Lübbe), relativierten oder geleugneten Vergangenheit hat sich gewandelt und erfährt sogar eine – im deutschen Sinne – positive Umdeutung. Die Metapher »Auschwitz« mutiert nun vom Inbegriff deutscher Schuld zum Kernbestandteil eines neuen »geläuterten« »modernen« Nationalbewusstseins. Der Anteil, den Knopps Produktionen an diesen Wandlungsprozessen haben, ist freilich schwer zu bestimmen, sollte aber nicht überschätzt werden. Fest steht jedoch, dass die Deutungen der NS-Vergangenheit, die Knopp in seinen Serien anbietet, Möglichkeiten zur positiven Identifizierung mit der deutschen Geschichte bewusst offenlassen.
Die Macht der Bilder
Wesentlich problematischer als die über die Texte seiner Beiträge transportierten Interpretationen und Identifizierungsangebote ist jedoch die Art und Weise, wie Knopp sein Filmmaterial montiert und ästhetisch bearbeitet. Die von ihm produzierten Dokumentationen sind eindeutig vom Primat der Bilder bestimmt. Noch bis in die 1980er Jahre waren die Fernsehdokumentationen über den Nationalsozialismus vor allem diskursiv geprägt. Filmsequenzen und Fotos dienten in erster Linie zur Illustration der von den jeweiligen Filmautoren formulierten Texte. Der »Knoppismus« hat dieses Verhältnis zum ersten Mal umgedreht. Den von Knopp bzw. dessen Redakteuren verfassten und meist von Christian Brückner (der deutschen Synchronstimme von Robert de Niro) gesprochenen sowohl inhaltlich als auch wissenschaftlich dürftigen Kommentaren kommt im Gesamtkonzept der Produktionen nur untergeordnete Bedeutung zu.
Entscheidend ist vielmehr die spektakuläre Inszenierung der Bilder. Knopp bedient sich hier der gesamten verfügbaren Palette ästhetischer und dramaturgischer Möglichkeiten der modernen Film- und Fernsehtechnik. Kennzeichnend für alle gesendeten Reihen, beginnend mit »Der Verdammte Krieg«, sind teilweise rasante Schnitte, dramatisierende Musik (u.a. von Richard Wagner), der schnelle Wechsel zwischen Fotos, kurzen Zeitzeugenstatements, Schwarz-Weiß- und Farbfilmaufnahmen. Zusätzlich kommen akustische und visuelle Verfremdungseffekte zur Anwendung: Filmsequenzen werden je nach Bedarf in Zeitlupe gezeigt, beschleunigt oder neu vertont. Propagandareden Adolf Hitlers bekommt der Zuschauer verlangsamt in grotesken Verzerrungen präsentiert, die offenkundig den »dämonischen« Charakter des Diktators noch stärker unterstreichen sollen (so zum Beispiel in »Hitler – Eine Bilanz«). Gängige Praxis in der Redaktion Zeitgeschichte des ZDF ist es weiterhin, einerseits zeitgenössische Filmaufnahmen digital zu bearbeiten, andererseits historische Ereignisse nachzustellen und diese mit Handkameras aufzunehmen, um dadurch Authentizität zu suggerieren. Knopp manipuliert hier sein Material bis an die Grenze zur Fälschung.
Der Versuch, Fotos und Filme quellenkritisch zu interpretieren und historisch zu kontextualisieren, wird meistens gar nicht erst unternommen. Die Herkunft der Aufnahmen und deren jeweilige Entstehungshintergründe bleiben oftmals im Dunkeln. Mehrfach schon griff Knopp auf nationalsozialistische Propagandaaufnahmen zurück, die er jedoch nicht als solche kennzeichnete. »In den ZDF-Dokumentationen« resümiert die Filmwissenschaftlerin Judith Keilbach, stellt sich somit »die derart als Realität konstruierte nationalsozialistische Weltsicht auch heute als authentisches Bild der Zeit dar – womit die Sendungen im Netz der nationalsozialistischen Ideologie gefangen bleiben.« Ebensowenig kann es verwundern, dass identische Filmsequenzen, die in einer Knopp-Reihe einem bestimmten historischen Ereignis zugeordnet wurden, in einer der folgenden Staffeln wieder auftauchen, dort freilich in einem vollkommen anderen inhaltlichen und thematischen Kontext. Die Geschichte des Nationalsozialismus mutiert so zu einer Aneinanderreihung beliebig zusammen geschnittener Videoclips, in denen die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Fiktion verschwimmen.
Ehre – Mythos – Heldentum
Diese Clips allerdings sind keinesfalls belanglos, sondern transportieren einen »ästhetischen Revisionismus« (Wulf Kantsteiner), der eine heimliche Identifizierung mit den in den jeweiligen Produktionen vorgestellten Protagonisten des Nationalsozialismus ermöglicht.
Ein besonders markantes Beispiel hierfür lieferte »Der verdammte Krieg«. Die Darstellung des Vernichtungskrieges in der Sowjetunion folgte der Dramaturgie eines Sportereignisses: Zunächst werden die »Teams« und deren Anführer (Hitler und Stalin) miteinander verglichen, danach kann es losgehen: Während die Knopp-Redaktion die Wehrmacht von links nach rechts vorrücken lässt, marschiert die Rote Armee von rechts nach links über den Bildschirm. Begleitet werden die Sequenzen von Off-Kommentaren, die im Präsensstil einer Sportreportage den Einsatz der 6. Armee rühmen, die »ihr Handwerk mit tödlicher Präzision« ausüben würde. Doch die deutsche Offensive bleibt im russischen Winter stecken und spätestens in Stalingrad beginnt sich die Niederlage des deutschen »Teams« abzuzeichnen. Der hier angewandten Inszenierungspraxis mit ihren vielschichtigen dramaturgischen und ästhetisierenden Elementen liegt nicht die Absicht zu Grunde, eine kritische Auseinandersetzung mit dem Vernichtungskrieg der Wehrmacht in der Sowjetunion zu ermöglichen. Vielmehr erhält der Zuschauer die Chance, vor dem Fernseher um »sein« Team – das deutsche – mitzufiebern.
So entsteht ein auffälliger Widerspruch zwischen der in der offiziellen politischen Kultur der Bundesrepublik mehrheitlich akzeptierten und auch von Knopp hervorgehobenen Auffassung, der Überfall auf die Sowjetunion sei verbrecherisch gewesen und den im visuellen Text der Reihe enthaltenen Angeboten, sich gewissermaßen »privat« mit der Wehrmacht zu identifizieren und den in der Wirklichkeit verlorenen Krieg noch einmal aus der Perspektive der damaligen Täter durchzuspielen. In »Der verdammte Krieg« geht es demnach nicht um »historische Analyse«, sondern, so folgert Kantsteiner, »um Ehre, Mythos, Heldentum und nicht zuletzt um unterdrückten militärischen Stolz.« Ähnliche Identifikationsangebote finden sich in zahlreichen anderen Knopp-Produktionen (besonders in »Hitlers Krieger«).
Die Machart der Dokumentationen bleibt dabei immer die gleiche: Spektakulär in Szene gesetzte Bilderfluten, die der Dramaturgie von Kriminalstorys und Sportevents folgen, konterkarieren die oftmals fragwürdigen, in der Gesamtheit ihrer Aussagen aber eindeutig NS-kritischen Off-Kommentare. Der Reiz für den Zuschauer besteht genau darin, das diskursiv gesetzte vordergründige Tabu zu brechen und – geleitet durch die Bilder – temporär in die Rolle des fanatischen Nazis, des Mitläufers oder des Wehrmachtsgenerals zu schlüpfen. Diese Rollenspiele könnten theoretisch, das zeigen Erfahrungen aus der Gedenkstättenpädagogik, durchaus kritische Denkprozesse auslösen. Hierfür müssten jedoch die Identifikationsangebote diskursiv und visuell durch die Entwicklung gegenläufiger Perspektiven gebrochen werden. Aber genau das geschieht in den Knoppschen Produktionen nicht. Seine Inszenierungen von Geschichte folgen ausschließlich dem bereits skizzierten dramaturgischen und ästhetischen Repertoire, das sich nicht um den Aufbau visueller Spannungen und Brüche schert. Knopps Reihen über den Nationalsozialismus weisen demnach eindeutig NS-apologetische und geschichtsrevisionistische Tendenzen auf.
Welche tatsächlichen Auswirkungen die »Radikalisierung des deutschen Gedächtnisses« durch den »Knoppismus« haben wird, ist bislang nicht zu beantworten. Entsprechende Untersuchungen zur Frage, wie, ob und in welchem Maße Knopp das Geschichtsbewusstsein in Deutschland mit prägt oder verändert, liegen noch nicht vor. Doch wie dem auch sei: In jedem Fall ist davor zu warnen, die Kritik ausschließlich auf Knopp zu fokussieren. Zum einen verfügen mittlerweile nahezu alle deutschen (privaten wie öffentlich-rechtlichen) Fernsehsender über ähnliche Geschichtsformate, von denen einige das inhaltliche Niveau der ZDF-Produktionen weiter unterschreiten. Ästhetischer Revisionismus ist also nicht mehr nur eine Spezialität der ZDF-Redaktion Zeitgeschichte, auch wenn diese hier stilbildend gewirkt haben mag. Zum anderen würde eine Fokussierung auf Knopp letztendlich nur dessen personalisiertes Geschichtsverständnis unter umgekehrten Vorzeichen reproduzieren. Das deutsche Fernsehpublikum ist von Knopp weder »geblendet«, noch wird es von ihm »instrumentalisiert« oder »getäuscht«. Die Deutschen bekommen von Knopp nur das Geschichtsbild, das sie haben wollen. Und das zur besten Sendezeit.
Literatur:
· Frank Bösch: Das »Dritte Reich« ferngesehen. Geschichtsvermittlung in der historischen Dokumentation, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 50 (1999), S. 204–220.
· Wulf Kantsteiner: Ein Völkermord ohne Täter? Die Darstellung der »Endlösung« in den Sendungen des Zweiten Deutschen Fernsehens, in: Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte XXXI (2003), S. 253-286.
· Wulf Kantsteiner: Die Radikalisierung des deutschen Gedächtnisses im Zeitalter seiner kommerziellen Reproduktion: Hitler und das »Dritte Reich« in den Fernsehdokumentationen von Guido Knopp, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 51 (2003), S. 626-648.
· Judith Keilbach: Mit dokumentarischen Bildern effektvoll Geschichte erzählen. Die historischen Aufnahmen in Guido Knopps Geschichtsdokumentationen, in: medien + erziehung 42 (1998), S. 355-361.
· Lutz Kinkel: Viele Taten, wenig Täter. Die Wehrmacht als Sujet neuerer Dokumentationsserien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, in: Michael Th. Greven/Oliver von Wrochem (Hg.): Der Krieg in der Nachkriegszeit. Der Zweite Weltkrieg in Politik und Gesellschaft der Bundesrepublik, Opladen 2000, S. 113-130.
· Guido Knopp: Geschichte im Fernsehen. Perspektiven der Praxis, in: Guido Knopp/Siegfried Quandt (Hg.): Geschichte im Fernsehen. Ein Handbuch, Darmstadt 1988, S. 1-9.