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8. Mai in Berlin-Steglitz

Einleitung

Mit einem Beschluss zum Gedenken an den 60. Jahrestag des 8. Mai 1945 hat die Berliner Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Steglitz-Zehlendorf im Januar 2005 für einen politischen Eklat gesorgt.

Bild: Faksimile aus Tagesspiegel, 10.03.05

Der Berliner CDU-Funktionär Torsten Hippe

Am 8. Mai 1945 hatte die Wehrmacht ihre bedingungslose Kapitulation erklärt. In einem Antrag, der mit Mehrheit von CDU und FDP beschlossen wurde, fordert die BVV das Bezirksamt auf, nicht nur der Niederschlagung des NS-Regimes zu gedenken, sondern auch an »den Schrecken und das Leid der Bevölkerung« zu erinnern, »den die Rote Armee von Ostpreußen bis nach Berlin zu verantworten hat«. Weiter heißt es: »Im Rahmen der Veranstaltung gedenkt das BA der Verfolgten und Ermordeten des Naziregimes, der Kriegsopfer, Flüchtlinge, Vertriebenen, geschändeten Frauen und der Opfer des sinnlosen Bombenkrieges.«

Die politisch wie grammatikalisch abenteuerliche Konstruktion wurde eilig als Änderungsantrag zu einem Gedenkantrag der PDS eingebracht und verabschiedet. Unter anderem der VVN-BdA und die Jüdische Gemeinde kritisierten den Beschluss als Geschichtsverfälschung, die Botschaft der Russischen Förderation sah sich genötigt, darauf hinzuweisen, dass die Rote Armee nicht aus eigenem Antrieb nach Berlin marschiert sei.

Überraschen kann der Beschluss nicht wirklich, bereits im Mai 1994 lehnten die Bezirksverordneten von CDU und FDP mit den Stimmen der Republikaner ein Mahnmal für die deportierten Berliner Juden in Berlin-Steglitz ab.1 Der damalige regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen höchstpersönlich musste seinen Parteifreund, den bis heute amtierenden Bezirksbürgermeister Herbert Weber zur Ordnung rufen.2 Auch dass die nach einem antisemitischen Reichstagsabgeordneten3 benannte Treitschkestrasse 2002 nicht umbenannt wurde, ging auf das Konto der Südwest-CDU.

Weniger Probleme hat die örtliche Union, wenn Protagonisten der extremen Rechten im Bezirk wirken wollen, so konnte die Berliner Burschenschaft Gothia am 20. Juni 2003 einen Festkommers der Deutschen Burschenschaft im Rathaus Zehlendorf ausrichten.4 Im Anschluss des aktuellen Beschlusses geriet auch der CDU- Bezirksverordnete Torsten Hippe in die Diskussion, er stellte gegenüber Journalisten fest: »Ich kann nicht verhindern, dass ich in einzelnen Fragen den Positionen der NPD nahe stehe. Es ist möglich, dass man in Teilfragen zu gleichen Teillösungen kommt.«

In einer Rede in der BVV warf er der SPD vor, sie würde durch ihre Position zum 8. Mai-Gedenken »eine Art intellektuelles Versailles5 aufbauen«.6 Hippe vertrat übrigens als Anwalt den Berliner Geschichtslehrer Karl-Heinz Schmick, welcher wegen Verharmlosung der Verbrechen des Nationalsozialismus suspendiert wurde.7 Als die rechtsextreme Fraktion von Pro Köln im Anschluss der Diskussion einen inhaltsgleichen Antrag in die Bezirksvertretung Köln-Porz einbringen wollte, weigerte sich der CDU-Bezirksvorsteher Horst Krämer, den Antrag auch nur in die Tagesordnung aufzunehmen. Er halte den Antrag inhaltlich für nicht akzeptabel und werde ihn deshalb den Fraktionen nicht zur Beratung vorlegen lassen.8

Der Rechtsextreme Manfred Rouhs von Pro Köln stellt dazu folgerichtig fest, man bewerte in Köln Inhalte »als rechtslastig und diskussionsunwürdig (...) die andernorts bei der Union mehrheitsfähig sind.«

  • 1AIB Nr. 27, Juni/Juli 1994 – Steglitzer Provinzpossen, Wieviel Platz darf das Gedenken an NS-Opfer einnehmen?
  • 2Der Tagesspiegel, 5.2.2005, »Eine Empfehlug zum Nachdenken«
  • 3Der Historiker und Professor Heinrich von Treitschke löste 1879 mit einem Artikel in den Preußischen Jahrbüchern den sog. Berliner Antisemitismusstreit aus. Er sprach sich unter Verwendung ausgrenzender judenfeindlicher Stereotype gegen die Einwanderung osteuropäischer Juden aus und machte eine grassierende antisemitische Agitation gesellschafts- und diskussionsfähig. Er prägte die Parole »Die Juden sind unser Unglück!«
  • 4Unabhängige Antifa Zeitung # 0, PM Kläger
  • 5Der Versailler Vertrag war Ergebnis der Pariser Friedenskonferenz 1919. Nach dem I. Weltkrieg wurde dem besiegten Deutschland ein Vertrag vorgelegt, welcher u.a. Gebietsverluste, eine Schadensregulierung und die Anerkennung der alleinigen Kriegsschuld beinhaltete.
  • 6Der Tagesspiegel, 18.2.2005, »Gedenkstreit: Empörung über Steglitzer Union«
  • 7Berliner Zeitung, 26./27.2.2005, »Streit um Parteiausschluss spitzt sich zu«
  • 8www.pro-koeln-online.de, Porzer Bezirksvorsteher will keine Diskussion zum 8. Mai