Wahlen in Schleswig-Holstein
»Wer hätte dieses Ergebnis nach so einer positiven Stimmung vorausgesagt?« fragt der Landesvorsitzende Uwe Schäfer in der aktuellen Ausgabe der »Schleswig-Holstein Stimme«. Groß ist also die Enttäuschung innerhalb der NPD über das schlechte Abschneiden bei der Landtagswahl im Februar 2005 in Schleswig-Holstein. Durch das gute Ergebnis bei der Wahl in Sachsen sah die NPD auch bundesweit einen Aufwärtstrend auf sich zu kommen und die Erwartungen in die Wahlergebnisse in Norddeutschland stiegen ins Unermessliche. Der Hauptaugenmerk wurde noch weiter in die Zukunft gerichtet. Über die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen sollte der positive Trend bis zur Bundestagswahl erhalten und so der Sprung über die 5%-Hürde vollzogen werden.
Die Wahl
Unter völliger Ignoranz der örtlichen Begebenheiten und noch unter dem Eindruck der Wahl in Sachsen stehend, prophezeiten die NPD-Funktionäre noch im Januar, bei der Landtagswahl 7-8% der abgegebenen Stimmen auf sich verbuchen zu können. Mit den nur erreichten 1,9 Prozent ist die NPD weit unter diesen hohen Erwartungen geblieben und die vielbemühte »Volksfront von Rechts« bekam einen deftigen Dämpfer. Trotz dieser offensichtlichen Niederlage versucht die NPD in der Erklärung »Aufwärtstrend bestätigt – mehr wäre besser gewesen«, der Landtagswahl etwas Positives abzugewinnen. So wird dort festgestellt, dass es trotz Antifa, staatlicher Willkür und der Medien gelungen ist, die Anzahl der Stimmen zu verdoppeln. Aber auch diese Erklärung kann die Enttäuschtheit der rechten Szene, welche sich unter anderem auch in Internetforen äußert, nicht verbergen.
Sachsen gleich Schleswig-Holstein?
Die positive Stimmung, welche sich in der NPD ausbreitete, erreichte auch den Landesverband Schleswig-Holstein und hat ihren Ursprung in der Landtagswahl in Sachsen. Die großen strukturellen und gesellschaftlichen Unterschiede dieser Bundesländer wurden ignoriert und die erfolgreiche Wahlkampfstrategie sollte auch in Schleswig-Holstein ihre Früchte tragen. Der Versuch, eine einigende »Volksfront von Rechts« zu etablieren, fand hier ebenso seine Fortsetzung wie die Anreise auswärtiger Wahlhelfer und die Übernahme der inhaltlichen Themenschwerpunkte im Wahlkampf. Dass dieses Konzept nicht ohne weiteres übertragbar ist, hätte auch die NPD sehen müssen. Alleine die unterschiedlichen Mitgliedszahlen der Landesverbände sprechen eine deutliche Sprache. Während sich der sächsische Verband auf über tausend Mitglieder stützen kann, zahlen in Schleswig-Holstein gerade einmal 180 Personen ihren monatlichen Mitgliedsbeitrag an die NPD. Aber der größte Unterschied liegt bei der kommunalen Arbeit vor Ort.
In Sachsen hat die NPD besonders in ländlichen Gebieten eine sehr starke lokale Verankerung, welche Inhalte leicht in den Hintergrund rücken lässt und bei der die persönliche Ebene eine wichtige Rolle einnimmt. Dort ist es oft sprichwörtlich »der nette Mann von nebenan«, welcher die Arbeit der NPD repräsentiert und sich um die Belange der BürgerInnen kümmert. Gerade diese »bürgernahe« Politik ist es, welche die Leute dann häufig zu NPD-Wählern werden lässt. Auf solch eine lokale Verankerung kann die NPD in Schleswig-Holstein nicht zurückgreifen. Die Partei ist in der Öffentlichkeit kaum wahrnehmbar, ganz zu schweigen davon, dass es ihr je gelungen wäre, in politische Debatten einzugreifen oder diese sogar für sich zu vereinnahmen. Ein weiterer wichtiger Unterschied zu Sachsen ist, dass es eine lange Tradition der etablierten Parteien in Schleswig-Holstein gibt. Sie sind es, welche lokal verankert sind, den Kontakt zu den Bürgern halten und somit auch die politischen Debatten bestimmen, führen und prägen. Gerade in diesem Jahr, als die Prognosen ein hauchdünnes »Kopf an Kopf«-Rennen zwischen alter Regierung und Opposition voraussagten, war klar, dass andere politische Inhalte in den Wahlkampf kaum einzubringen sein würden.
NPD Schleswig-Holstein und der Wahlkampf
Der NPD-Landesverband Schleswig-Holstein befindet sich schon seit Jahren strukturell und finanziell in einem desolaten Zustand. Die freien Nationalisten um Peter Borchert, Jürgen G. und Jörn Lemke putschten sich an die Parteispitze und spalteten den Landesverband in zwei Lager. Als sie 2003 wieder abdankten, war der Landesverband ohne funktionierende Struktur, die Parteikasse leer und es war absehbar, dass sich der Landesverband in dieser kurzen Zeit nicht rehabilitieren wird. Die Bundes-NPD musste massive Unterstützungsarbeit leisten. So wurden viele Wahlkampfhelfer, vornehmlich aus dem Osten Deutschlands, nach Schleswig-Holstein geschickt und auch den Vorschuss für die Kosten des Wahlkampfes dürfte nicht der Landesverband selber getragen haben. Trotz dieser negativen Vorzeichen hatten sie sich viel vorgenommen. Es wurden fünf Stützpunkte im ganzen Land eingerichtet, in denen Material gelagert und die Verteilung der Propaganda organisiert werden konnte. Es gab einige Saalveranstaltungen, Büchertische und TV- und Radiospots. Die Plakatierung war zwar massiv, aber meist nach antifaschistischer Intervention nicht lange sichtbar.
Das klingt nach viel, aber insgesamt kann festgestellt werden, dass der NPD Wahlkampf doch weitaus weniger intensiv war als befürchtet. Die Aktivitäten hatten ihren Schwerpunkt nur in einigen Orten und auch dort traten sie nicht sehr regelmäßig in Erscheinung.
»Volksfront von Rechts«?
Unterstützung für den Wahlkampf bekam die NPD auch aus der Ecke der freien Nationalisten. Bereits kurz vor der Wahl in Sachsen traten führende Neonazis wie Thomas Wulff, Ralph Tegethoff und Thorsten Heise der NPD bei, um Werbung für die gemeinsame nationale Sache zu machen. Inhaltliche Streitigkeiten sollten in den Hintergrund rücken und die Einheit der extremen Rechten stärker vorangetrieben werden.
Und in der Tat zeigte dieses Signal Wirkung und die NPD Sachsen erfuhr beim Wahlkampf massive Unterstützung von lokalen »Freien Nationalisten«. Aber auch mit den rechtsextremen Parteien fand die NPD Sachsen eine Einigung im Sinne einer »Volksfront von Rechts«. Die DVU versprach in Sachsen nicht anzutreten, dafür verzichtete die NPD auf eine Kandidatur in Brandenburg. Der Landesverband der Republikaner konnte so von der NPD vereinnahmt werden, dass diese gegen den Willen des Bundesvorstandes ebenfalls auf einen Wahlantritt verzichteten. Durch diese Strategie gelang es der NPD, als einzige rechtsextreme »Alternative« bei der Wahl anzutreten und so die Stimmen von DVU und REP einzusammeln.
Dieses Konzept sollte natürlich auch in Schleswig-Holstein verwirklicht werden. Die Weichen in diese Richtung wurden schnell gestellt. In einem unterzeichneten »Deutschland-Pakt« sah die DVU schon frühzeitig von einer Wahlteilnahme ab und die Republikaner und Abgeordnete der Schill Partei sprachen Empfehlungen für die NPD aus. Dass die REPs und DVU in Schleswig-Holstein schon seit Jahren ums Überleben kämpfen und diese Einigung nicht so starke Auswirkungen haben würde wie in Sachsen, bremste die gute Stimmung nicht. Das Signal der »Einheit von Rechts« stand im Vordergrund. Die Euphorie über die Gewinne in Sachsen war auch bei freien Nationalisten eindeutig wahrnehmbar. Im Januar 2005 machte der Anti-Antifa-Aktivist Martin Engelbrecht auf dem Landesparteitag im Schleswig-Holsteinischen Steinburg klar, dass die »Volksfront« von den Kameradschaften in Schleswig-Holstein aktiv unterstützt wird. Um dieses Signal zu unterstreichen, verkündete er vor Ort seinen Eintritt in die NPD. Die Botschaft kam an und so waren relativ viele freie Nationalisten für den NPD-Wahlkampf auf den Beinen. Sie unterstützten Infotische, Saalveranstaltungen oder fuhren wie z.B. Neonazi-Aushängeschild und NPD-Neumitglied Thomas Wulff stundenlang mit einem Lautsprecherwagen durch die Gegend und belästigten die Umgebung mit menschenverachtenden Reden.
Wahlkampfthemen
Inhaltlich ging die NPD mit Themen in den Wahlkampf, welche auch überwiegend in Sachsen Schwerpunkt waren. Mit dem Motto »Quittung für Hartz IV« wurde versucht, auf den Zug der sozialen Proteste aufzuspringen und sich als einzige »wahre Alternative« gegen Sozialabbau zu profilieren. Durch die Wahl der NPD sollte den etablierten Parteien die »rote Karte« gezeigt und eine Absage erteilt werden. Die Botschaft war eindeutig: Die NPD sei die einzige Partei, die sich um die Belange des »kleinen Mannes« kümmere und die »wahre Vertreterin« Deutschlands. Die Lösung für Arbeitslosigkeit und Sozialabbau liefert die NPD gleich mit. Jeder beschäftigte Ausländer, der ausgewiesen wird, mache einen Platz für einen deutschen Arbeitnehmer frei. Der unsägliche Slogan »Heimreise statt Einwanderung« macht eindeutig klar, wofür die NPD steht: für populistisch aufgezogene rassistische, völkische Programme, die Angst vor MigrantInnen schüren und Nationalismus als Identifikation anbieten.
Antifaschistische Interventionen
Mitverantwortlich für das schlechte Abschneiden der NPD sind die intensiven antifaschistischen Aktivitäten gewesen. Die Kampagne »Keine Stimme den Nazis« setzte auf Öffentlichkeit und versuchte, über die Neofaschisten und ihre rassistischen Inhalte aufzuklären. Es wurden tausende Flugblätter, Plakate und Aufkleber hergestellt und flächendeckend in Schleswig- Holstein verteilt. Schwerpunkt war es, besonders in den Gegenden präsent zu sein, in denen die NPD bei den letzten Wahlen besonders stark war. Direkte antifaschistische Gegenaktivitäten gehörten natürlich genauso zum Konzept und so konnten mehrere Saalveranstaltungen und Büchertische der NPD empfindlich gestört werden. Wie weit hergeholt es bei den Nazis mit der Friedlichkeit ist, zeigten sie sehr oft, wenn AntifaschistInnen sich bei ihren Aktionen blicken liessen. Mehrmals wurden Antifas von Neonazis tätlich angegriffen, einer sogar von einem Auto angefahren, so dass er ambulant im Krankenhaus behandelt werden musste. Bei dem Parteitag im Schleswig-Holsteinischen Steinburg attackierten einfache NPD-Mitglieder, aber auch führende Funktionäre, antifaschistische GegendemonstrantInnen. Da ein Kamerateam vor Ort war, konnte der Angriff dokumentiert und die Öffentlichkeit von der Friedfertigkeit der NPD überzeugt werden.
Fazit
Die Euphorie dürfte bei der NPD nach der Landtagswahl stark nachgelassen haben. Es ist sehr deutlich geworden, dass die NPD über keinerlei Basis und kommunalen Anschluss in Schleswig-Holstein verfügt. Die euphorische Stimmung, welche die Szenerie in Sachsen beherrschte, ist in Schleswig-Holstein nicht aufgekommen. Mit ihren rassistischen und populistischen Inhalten haben es die Rechtsextremen nicht geschafft in Debatten einzugreifen oder selber welche anzuschieben. Es muss aber auch gesagt werden, dass diese 1,9% der Stimmen nicht einfach mit dem Wort »Protestwähler« herunterzuspielen sind. Die Leute, die NPD gewählt haben, taten es gerade wegen der Inhalte. Das rassistische Protestwählerpotenzial ist auch in Schleswig- Holstein höher, aber für viele war der Schritt, eine so offen neofaschistische Partei zu wählen, dann doch zu groß. So sind viele dieser potenziellen Wähler zuhause geblieben oder haben bei diesen knappen Prognosen die CDU im Kampf gegen Rot/Grün mit ihrer Stimme unterstützt.
Trotz alledem muss festgestellt werden, dass sich die NPD um etwa ein Prozent verbessert hat. Dieses Wahlergebnis ist im Vergleich zu Sachsen zwar harmlos, aber doch eine Warnung genug, um nicht in Freude zu verfallen. Immerhin haben 1,9% der WählerInnen bewusst für eine neofaschistische Partei gestimmt.