Rechte Wahlantritte 1989
Die Westberliner "Republikaner" bekennen Farbe: Sogar die SPD fühlt sich aus dem Schlaf gerissen, ist empört, verurteilt aufs Schärfste und fordert jetzt ein Verbot der rechten Partei "Die Republikaner" (REPs). Die bürgerlichen Medien und Teile der Öffentlichkeit sehen "das Ansehen Berlins" gefährdet . Als es im Dezember 1988 um die Zulassung der Parteien zur Abgeordnetenhauswahl ging, scherten sich die bürgerlichen Parteien wenig bis nichts um den äußerst rechten Inhalt "republikanischer" Politik. Die REPs wurde in allen Bezirken zur Wahl zugelassen und ihr damit "verfassungstreue" und "demokratisches" Bestreben bescheinigt. Zwei üble Machenschaften sind der Grund für daß plötzliche Umdenken der etablierten Parteien im Wahlkampf: Erstens der Wahlkampfspott der REPs, der am 2. Januar 1989 vom SFB-Fernsehen ausgestrahlt wurde und Zweitens die Schändung der Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus durch militante Neonazis in der Nacht vom 6. auf den 7. Januar 1989.
Im Antifaschistischen Infoblatt Nr. 4 (Sept./Okt.) 1988, brachten wir einen ausführlichen Hintergrundartikel zu den REPs. Mit dem ersten Teil dieses Artikels (noch vor den Westberliner Wahlen geschrieben) möchten wir daran anschließen.
(Extrem) rechte Wahlantritte
Europas Rechte rüsten für die Wahlen zum Europaparlament am 18. Juni 1989. In allen europäischen Staaten blasen die rechtskonservativen, nationalen und neonazistischen Parteien zum Sammeln. Die Hoffnung zum Durchbruch auf europäischer Parlamentsebene, wie ihn die "Front National" (FN) aus Frankreich vor fünf Jahren geschafft hat, ruft die Rechten zu einer Einheit auf. Sie versprechen sich von den Wahlergebnissen eine Signalwirkung für die 'Neue Rechte' in ihren jeweiligen Staaten.
In der BRD bestehen diese Sammlungsbewegungen in erster Linie aus dem Bündnis zwischen der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) und der "Deutschen Volksunion" (DVU) mit ihrer "Liste- D" und aus der Partei "Die Republikaner" unter der Führung von Ex-SS-Mann Franz Schönhuber. Während die REPs sich bereits auf ihren Führer geeinigt hatte, lag bei der "Liste- D" noch ein großes Fragezeichen in der Luft. Es sollte das „Überraschungsei“ werden. Auf ihrem Bundesparteitag vom 26. November 1988 hielt sie den 1. Listenplatz für eine "bekannte Persönlichkeit" frei, die das gesamte rechte Lager integrieren soll. Hier war z.B. über die Person des CDU-Politikers Heinrich Lummer spekuliert worden. Die ganz große Überraschung fiel aber aus und so einigte man sich auf den Platz 1 für Gerhard Frey, Platz 2 für "einen der erfolgreichsten Jagdflieger" des 2. Weltkriegs den Altnazi und Ritterkreuzträger Wilhelm Crinius und Platz 3 für den NPD -Vorsitzenden Martin Mußgnug.
Das Bündnis "Liste-D" gilt in Teilen der NPD als eine Art Alleingang von dem NPD-Vorsitzenden Martin Mußgnug. Am 26. Juni 1988 mußte der Parteivorstand einen Sonderparteitag in Feucht durchführen. Als Gegner des Bündnisses traten u.a. der NPD-Landesvorsitzende im Saarland (Peter Marx) und sein Stellvertreter (Bernhard Kühn) auf. Sie wurden vom NPD Landesvorsitzenden von Rheinland-Pfalz (Karl-Heinz Pfirrmann) und dem NPD-Chef in Hessen (Hans Schmidt) unterstützt. Die NPD-Führung setzte das Bündnis mit 182 zu 133 Stimmen durch.
Mit der "Liste-D", die wohl nach den REPs die meisten Chancen für einen Einzug ins Europaparlament hätte, wollen wir uns im Antifaschistischen Infoblatt (AIB) Nr. 7 genauer beschäftigen.
Die REPs stellte ihre Kandidatenliste auf dem Europaparteitag in Dinkelsbühl Anfang Dezember 1988 zusammen. Erster Mann ist wie immer Franz Schönhuber. Listenplatz 2 wurde dem REP-Landesvorsitzenden von Baden-Württemberg Peter Köhler zugeteilt. Der bayrische Landesvorsitzende Harald Neubauer übernimmt Platz 3. Insgesamt sind zehn Kandidaten aufgestellt, die zu zwei Dritteln aus Süddeutschland kommen. In Süddeutschland liegen die kleinen REP-Hochburgen. Allein in Bayern leben über die Hälfte der (laut Schönhuber) 7.800 REP-Mitglieder. In Bayern haben sich die REPs mittlerweile zu einer Bierzeltpartei entwickelt.
Nach dem Franz Josef Strauß am 3. Oktober 1988 das Zeitliche gesegnet hat, steigt die Zahl der Besucher von REP-Veranstaltungen. Wenig verwunderlich in der Führung der "Republikaner" saßen zwei frühere CSU-Bundestagsabgeordnete: Franz Handlos, der bei der Bundestagswahl 1983 noch mit dem bundesweit besten CSU-Erststimmenergebnis für den Wahlkreis Deggendorf in das Parlament eingezogen war und Ekkehard Voigt.
Hier hält Schönhuber vor mit gröhlenden Zuhörern seine Hetzreden gegen alles Nichtdeutsche. Wie das französische Gegenüber, FN-Führer Jean-Marie Le Pen, nimmt er jetzt für seine publikumswirksamen Auftritte ein Eintrittsgeld, um die Parteikasse aufzubessern. Bei den bayrischen Landtagswahlen vor drei Jahren kam die REPs auf rund 342.000 Stimmen (3 Prozent). Für die Europawahl ist mit einem erheblichem Stimmenzuwachs zu rechnen, für die bayrischen Landtagswahlen 1990 ist ein Einzug der REPs in den Landtag zu befürchten.
Die Führungsrolle – für wen?
Die REPs erheben wie alle (extrem) rechten Parteien den Anspruch die einzig wahre Partei für die "nationale Sammlung" zu sein. Daraus ergeben sich natürlich diverse Anfeindungen und Streitereien um die Führungsrolle im "rechten Lager". Zwischen NPD und DVU ist dieser alte Streit so gut wie beigelegt. Ergebnis ist das Bündnis, daß sich mit der "Liste-D" Erfolge, wie den Einzug in die Bremer Bürgerschaft, zuschreiben kann. Mit den Republikanern existiert zwar seit fünf Jahren ein neuer "Konkurrent", aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß die politischen Inhalte sich schnell zu einem einheitlichen Programm zusammenfassen lassen können. Politisch stehen diese Anfeindungen nicht so sehr im Vordergrund. Es scheint sich dabei eher um Feindschaften aus persönlichen Gründen zu handeln, die sich aus dem Streit um den "Führer" der Bewegung entwickelt haben.
In der REP-Parteizeitung "Der Republikaner", die übrigens (wegen interner Streitigkeiten) nicht mehr durch die "res-publica GmbH" von dem REP-Funktionär Dieter Gutwald (Rosenheim), sondern über die neugegründete "RVG Verlags- und Vertriebs GmbH" von Franz Ludwig Glasauer (Landshut) erscheint, wird z.B. so über den DVU-Chef Gerhard Frey geschrieben, als sei er der Erbfeind Schönhubers. Auch in seinen Reden läßt Schönhuber kein gutes Haar an Frey, der ihm die NPD praktisch vor der Nase weggeschnappt hat. Geschäftsführer des RVG-Verlags ist der REP-Funktionär Harald Neubauer, der 1969 der NPD beitrat (bis 1980 Mitglied) und von 1974 bis 1984 als Redakteur im DSZ-Verlag (München) von DVU-Chef Gerhard Frey arbeitete.
Programmatisch ist die Einheit der drei extrem rechten Parteien fast schon so gut wie hergestellt. Die Programme der REPs und der "Liste-D" zur Europawahl lesen sich als hätten sie sich beim schreiben gegenseitig die Feder geführt. Unterschiedliche Formulierungen können die inhaltliche Gemeinsamkeit nicht verstecken. Die Hauptparole im Europawahlkampf heißt bei den REPs: "Deutschland zuerst". Dagegen will die "Liste-D" mit "Erst Deutschland – dann Europa" antreten. Die REPs sagen: "Ja zu Europa - Nein zu dieser EG" und die "Liste-D" will "Ja zu einem Europa ..." und "Nein zu einer EG, in der die Deutschen die Zahlmeister (...) sind" sagen. Aber dies nur um die deutlichsten Beispiele hervor zu heben. Bei den Stimmengewinnen, die die (extrem) rechten Parteien in der letzten Zeit zu den verschiedenen Wahlen verzeichnen konnten, ist es durchaus möglich, daß die kommenden Wahlen zum Kristallisationspunkt für eine zukünftige Einheit der deutschen und europäischen extremen Rechten werden.
Wenn auch der "Führer" heute noch fehlt, so heißt das eben auch nicht, daß er nicht morgen schon kommen kann. Die REPs werden da sicher ein Wort mitreden. Sie binden die "Braunzone" aus konservativen und reaktionären Politikern am stärksten ein, weil sie sich nicht ganz so traditionell-nationalsozialistisch verkaufen.
Rassismus – Mittel und Zweck
Die Entwicklung der Partei ist nicht rückläufig, im Gegenteil. Überall in der BRD gründen sich neue Bezirks- und Kreisverbände. Die REPs stützen sich bei ihrer Propaganda auf die in dieser Gesellschaft (latent) vorhandenen rassistischen Vorurteile gegen ausländische ArbeitnehmerInnen und Flüchtlinge. Sie versuchen dabei auch die Unzufriedenheit und Ängste des einzelnen Menschen (im Kapitalismus) zu nutzen, um den Haß gegen Minderheiten weiter zu schüren. Dieser (instrumentelle) Rassismus, verbindet die Kräfte von den Rechtsaußen in den gegenwärtigen Regierungsparteien, bis hin zu militanten Neonazis und sie verfolgen damit das Prinzip der Spaltung. Das heißt sie zielen auf die historisch bekannte Formel vom "Rassenkampf statt Klassenkampf", um die einmal erreichten Machtpositionen zu sichern.
Rechte in die Parlamente?
Auf der Ebene von Wahlen füllen die REPs die noch bestehenden Lücken aus, die zwischen konservativen und traditionell neonazistischen Parteien klaffen. Sie sammeln ihre Stimmen in allen sozialen Schichten dieser Gesellschaft. Die Stimmen können der Rechten nicht verloren gehen und fallen in keinem Fall der Linken oder gar den antikapatilistischen Kräften zu. Auch die 'Neue Rechte' sucht ihre Chance im parlamentarischen System. Steine werden ihr dabei nicht gerade in den Weg gelegt. Die Tatsache, daß die REPs zu Wahlen zugelassen werden, soll sie nicht nur als "verfassungskonform" erscheinen lassen. Es macht sie auch zu potentiellen Koalitionspartnern: Ein Weg Rassismus und extrem rechte Ideologie zum Bestandteil einer bürgerlichen Demokratie zu machen.
In Gesprächen oder Korrespondenz zwischen REPs- und CDU-Vertretern sollen in einigen Fällen die "weitgehenden Übereinstimmungen" in Fragen der Asyl-, Sicherheits- und Deutschlandpolitik festgestellt worden seien. Bei den zwei Zusammentreffen mit Schönhuber wird Heinrich Lummer (CDU) ihm jedoch wohl kaum 2000 Mark in die Hand gedrückt haben. Damit soll Lummer noch 1971 u.a. die Kreise der Westberliner NPD für den schmutzigen Part im Wahlkampf - für die CDU, gegen die SPD- angeworben haben.1
- 1Laut der "DER SPIEGEL" 14/1986 war der Westberliner FDP-Sprecher und frühere Mitarbeiter beim Verfassungsschutz Axel Lutze in die extrem rechte "Aktionsgemeinschaft 17. Juni" eingeschleust worden. Diese Organisation sei, behauptet Lutze, von Lummer finanziell bedacht worden. Dem damaligen Vorstandsmitglied Manfred Plöckinger und dem einstigen NPD-Kreischef Philip Gölles habe Lummer 2000,00 DM übergeben.