Kirche für arische Kämpfer – Die Artgemeinschaft
Vom 8. bis zum 10. Dezember 2006 hielt die Artgemeinschaft in der Gaststätte Hufhaus im Thüringischen Ilfeld ihre Weihnachtsfeier – oder, wie es in neuheidnischen Kreisen heißt – ihr »Julfest« ab. Circa 130 Personen, darunter viele Familien mit Kindern, aus dem ganzen Bundesgebiet nahmen an dem Treffen teil. Die hohe Teilnehmerzahl und die Zugehörigkeit von vielen Kadern der militanten neonazistischen Szene zur Artgemeinschaft unterstreichen die Bedeutung der Artgemeinschaft für die extreme Rechte.
Aufgeklärten Menschen fällt es schwer, neuheidnische Organisationen, die zumeist den Eindruck einer Mischung aus Esoterikzirkel, Karnevalsverein und Trachtengruppe machen, ernst zu nehmen. Zu weltfremd und abstrus wirken ihre Schriften und ihr Auftreten. So gilt zum Beispiel für die Artgemeinschaft nicht die christliche Zeitrechnung, sondern hier werden die Jahre nach Stonehenge gezählt. Auch werden die lateinischen Monatsnamen durch vermeintlich germanische ersetzt. Aus Dezember 2006 wird der »Julmond 3806«. Dennoch erfüllen die neuheidnischen Organisationen für die Neonazis eine wichtige Funktion, sie vermitteln ein Weltbild und geben dem Handeln der neonazistischen Akteure einen Sinn. Sie stellen also einen Teil des ideologischen Überbaus der extremen Rechten, insbesondere der neonazistischen Szene.
Die Artgemeinschaft, die im Untertitel den Namen »Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V.« trägt, ist seit 1957 ein eingetragener Verein. Sie ist überwiegend auf den Gebieten aktiv, welche man als »kulturell« oder »religiös« beschreiben würde. Volkstanzlehrgänge, Feiern zur Sommer- und Wintersonnenwende oder den Tag- und Nachtgleichen, gehören zu ihrem Repertoire. Hinzu kommen Vorträge zu Themen wie »Frühlingsbrauchtum«, »Nietzsche und das Christentum« oder »Kult – Ritus – Brauchtum«.
Glaubt man jedoch dem Spruch, der regelmäßig unter den Einladungen der Artgemeinschaft steht: »Es handelt sich bei unseren Veranstaltungen nicht um politische Treffen, sondern um Veranstaltungen zur Pflege und Stärkung des Artglaubens«, so verkennt man den Charakter dieser Organisation. Und das nicht, weil die Artgemeinschaft es nötig hätte, ihre Mitglieder darauf hinzuweisen, dass »militärische Kleidung an diesen Tagen zu vermeiden« ist, sondern weil die von der Artgemeinschaft mittels Kultur und Religion vermittelten Gesellschaftskonzepte und Wertvorstellungen zutiefst antidemokratisch und rassistisch sind.
»Wesensgemäße« Religion
Grundlage der Ideologie der Artgemeinschaft ist ein rassistisches, biologistisches Weltbild. In der Artgemeinschaft werden Menschen nur als Bestandteile eines Volkes gesehen. Als Mitglieder dieses Volkes verfügen sie über bestimmte, »rassisch« vorgegebene, Fähigkeiten und Charaktereigenschaften, die ihre Ausprägung durch den Einfluss der Landschaft, in dem das Volk seit Generationen lebt, erhalten – ein klassisches Konzept von Blut und Boden. Dieser Annahme folgend gehört zu jedem Volk eine ihm »arteigene« Religion.
Als Kernsätze der Religionsvorstellung der Artgemeinschaft können das »Artbekenntnis« und das »Sittengesetz« angesehen werden. Sie finden sich regelmäßig auf den Rückseiten der vierteljährlich erscheinenden »Nordischen Zeitung« der Artgemeinschaft. »Das Leben wirkt nach Naturgesetzen« wird dort behauptet und wir »bekennen uns zur Erhaltung und Förderung unserer Menschenart als höchstem Lebensziel, denn auch sie ist eine Offenbarung des Göttlichen«. Der rassistische Inhalt offenbart sich weiter in Geboten wie »Das Sittengesetz in uns gebietet gleichgeartete Gattenwahl, die Gewähr für gleichgeartete Kinder«.
Zur vermeintlich wesensgemäßen Religion gehört auch, dass »Kampf (ein) Teil des Lebens« ist, der als »naturnotwendig für alles Werden« anzusehen ist. Wo gekämpft wird, gibt es auch Tote und Opfer, welche gerechtfertigt werden müssen: »Ohne den Tod des Einzelwesens sind die Arten nicht entwicklungsfähig« heißt es im Artbekenntnis, was für den germanischen Kämpfer aber nicht so tragisch ist, denn »der Mensch ist unsterblich in den Nachkommen und Verwandten, die sein Erbe teilen.«
Traditionslinien
Die Betonung von Rasse und Kampf, von Blut und Boden lässt schnell Assoziationen zum Nationalsozialismus aufkommen. Tatsächlich decken sich Teile der Ideologie der Artgemeinschaft mit der NS-Ideologie. Vor allem im Bereich der SS, in der Kampf und Tod in Form von Massenmord, aber auch als soldatischer »Opfergang« omnipräsent waren, wurde der heidnische Glaube propagiert und gelebt. Hier durfte das christliche Gebot »Du darfst nicht töten« nicht einmal mehr gedacht werden.
Allerdings gehen die Traditionslinien der heidnischen Religionen noch in die Zeit vor dem Nationalsozialismus zurück. Zwar nicht, wie oft behauptet bis in die Prähistorie, aber doch bis in die Zeit um die Jahrhundertwende. So sieht sich die Artgemeinschaft als Fortführung der »Germanischen Glaubens-Gemeinschaft«, welche 1913 von Ludwig Fahrenkrog gegründet wurde. In dieser Zeit entstanden eine Reihe völkisch-esoterischer Gemeinschaften, die für die Ideologie der Artgemeinschaft Pate standen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden Runen außerhalb jeder Wissenschaftlichkeit interpretiert und eine Religion und Gesellschaftsform der Germanen konstruiert. Nicht auf »uraltem Heidentum«, sondern auf einer neuzeitlichen Religionsschöpfung basieren die Grundsätze der Artgemeinschaft und anderer neuheidnischer Gruppen.
Personen und Strukturen
»Die Artgemeinschaft ist kein ›Schönwetterverein‹, der friedlich, fröhlich, fromm und betulich bei Kaffee und Kuchen ein wenig von der Vergangenheit schwärmt (...) Die Artgemeinschaft ist gezwungen worden, ein Kampfverband zu sein, der um die Möglichkeiten einer artgemäßen Lebensführung kämpfen muß«, heißt es in einer Selbstdarstellung.
Betrachtet man die Vergangenheit einiger Artgemeinschaftsmitglieder, so verwundern solche Sätze nicht, sie sind als ehemalige Mitglieder der verbotenen neonazistischen Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) oder als militante Kader bekannt. Als »Leiter« der Artgemeinschaft fungiert seit 1989 der Hamburger Rechtsanwalt Jürgen Rieger. Rieger, inzwischen NPD-Mitglied, ist bekannt als Rechtsbeistand von Neonazis in unzähligen Prozessen und als Anmelder der Rudolf-Heß-Gedenkmärsche der letzten Jahre. Rieger ist eine der wichtigen Personen des deutschen Neonazismus. Die von Rieger vor einigen Jahren genannte Zahl von fast 1.000 Mitgliedern ist unrealistisch, es werden eher 300 bis 400 sein. Bedeutung hat die Artgemeinschaft aber auch weniger als Massenorganisation, denn vielmehr als Hintergrundorganisation des Neonazismus.
Religion oder Tarnung
Oftmals werden, gerade von antifaschistischer Seite, die Artgemeinschaft oder andere neuheidnische Organisationen der extremen Rechten als Tarnvereine bezeichnet, hinter denen die Neonazis ihr politisches Handeln verstecken. Mit einer solchen Aussage wird man der viel wichtigeren Funktion dieser Organisationen nicht gerecht. Auch Personen aus der extremen Rechten suchen nach Ansätzen sich die Welt und die Gesellschaft zu erklären. Klassisch spielt der Mythos dabei auf Seiten der Rechten eine viel größere Rolle als in der Linken.
Die Artgemeinschaft hat die Funktion ihren Anhängern ein Weltbild zu vermitteln, das ihrem Dasein und auch ihrem Handeln einen letzten, »höheren Sinn« gibt. Grundlage dieses Weltbildes sind selbstverständlich Rassismus, Autoritarismus und auch Sexismus. In der Artgemeinschaft wird jedoch tatsächlich daran geglaubt, dass es die Vorbestimmung und die Natur der Arier sei, andere zu führen und zu befehlen. Die Artgemeinschaft verdient es daher von antifaschistischer Seite ernst genommen zu werden, ebenso wie sie es verdient sich ihrem Treiben entgegen zu stellen.
Thüringen
Die ArtgemeinschafterInnen, die sich am ersten Dezemberwochenende im Ausflug- und Ferienhotel Hufhaus / Harzhöhe in Ilfeld trafen, betraten kein Neuland. Erstmals 1992 zog es sie zum Julfest nach Thüringen. War es 1992 gelungen die Kulturhalle in Exdorf anzumieten, trifft man sich in den letzten Jahren fast durchgängig im Hufhaus / Harzhöhe des Ehepaares Jakob und Bärbel Lotter. »Unser Julgemeinschaftstag findet am selben Ort wie im Vorjahr statt«, steht regelmäßig in den Einladungen. Vielleicht gelingt es ja 2007 die Bedeutung der Artgemeinschaft deutlich zu machen und hier zu intervenieren.