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Die Firma Polarfilm

Rainer Brahms
Einleitung

Die extreme Rechte war begeistert. Unter dem bezeichnenden Titel »Churchills Friedensfalle« hatte sich im Jahr 2004 der britische Historiker Martin Allen auf n-tv verbreiten dürfen und hierbei behauptet, Hitler habe 1941 ein Ende des Krieges gewollt und deshalb seinen Stellvertreter in der NSDAP, Rudolf Heß, nach England geschickt. Bei der ausgestrahlten Produktion handelte es sich um eine komprimierte Fassung einer DVD des Filmproduktions- und Vertriebsunternehmens Polarfilm aus dem münsterländischen Gescher.

Foto: Marek Peters

Hajo Herrmann bei einem Neonaziaufmarsch am 3. März 2007 in Halbe. Polarfilm widmet ihm ein Hörbuch.

Ob ZDF, Arte oder Spiegel-TV: Polarfilm mangelt es nicht an prominenten Kunden. Für das ZDF produzierte man zum Beispiel die DVD »Sternflüstern – Das Sibirienabenteuer« zur gleichnamigen Fernsehserie. Zum Programm gehören jedoch auch Filme und DVDs zweifelhafter Qualität, wie die genannte »Geheimakte Heß«, u.a. erstellt vom ehemaligen Herner Stadtarchivar Olaf Rose (vgl. LOTTA #13, S.25 und LOTTA #23, S. 38) aus Bochum, der seit 1. Januar 2007 als parlamentarischer Berater der sächsischen NPD-Fraktion tätig ist.

Nach der Ausstrahlung auf n-tv entfernte Polarfilm die Namen Roses und von Co-Autor Michael Vogt, Mitglied der einschlägig bekannten Münchener Burschenschaft Danubia, vom Cover der DVD und kündigte die Produktion als »Langfassung der n-tv Dokumentation« an. Nach einer kritischen Meldung im Stern bekam man aber offensichtlich kalte Füße, die DVD verschwand aus dem Angebot des Unternehmens. Offenbar wollte man nicht die lukrativen Geschäftsbeziehungen zu ZDF, Arte und anderen aufs Spiel setzen. Ein genauerer Blick hinter die Kulissen offenbart aber, dass die »Geheimakte Heß« mitnichten die einzige zweifelhafte Produktion der Polarfilmer ist.

Die POLAR Film- und Medien GmbH

Gegründet wurde die POLAR Film- und Medien GmbH 1996 in Dortmund. Seit 2000 hat das Unternehmen seinen Sitz in Gescher. Die Gesellschaft, deren Jahresumsatz eigenen Angaben zufolge bei zwei Millionen Euro liegt, gibt als Schwerpunkt der Firmenaktivitäten u.a. Filmproduktion, Vertrieb von Videos und DVDs, Dokumentarfilmen sowie Werbe- und Imagefilmen an. Man exportiere nach Österreich, in die Schweiz, Frankreich, England, USA und Italien. Polarfilm bezeichnet sich als deutscher Marktführer im Bereich Zeitgeschichte. Man verfüge, heißt es ebenso unbescheiden auf der Homepage des Unternehmens, »über das größte private Archiv mit Zeitzeugeninterviews und historischen Originalfilmaufnahmen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts«. Neben der Produktion, u.a. von »Dokumentationen zur Zeitgeschichte« vertreibt man – offenbar mit großem Erfolg – eigene Filme auf Video, DVD und Audio-CD.

Geschäftsführer und zugleich Mitgesellschafter der Firma sind Johannes Haneke aus Essen und Karl Höffkes aus Dorsten. Haneke betreibt in Essen auch das Studio Haneke, das Cover für DVDs und Bücher produziert. Neben Cover für Spiegel-TV- und ZDF-Dokumentationen, die als DVDs bei Polarfilm erschienen sind, gestaltete er die Titelseiten mehrerer Bücher aus dem rechten Bublies-Verlag, dessen Besitzer zeitweise Karl Höffkes war. Dieser wiederum ist seit Jahrzehnten in der Braunzone zwischen rechtskonservativem und extrem rechtem Spektrum aktiv.

Karl Höffkes

Über Jahre hinweg war Karl Höffkes Redaktionsmitglied der »neurechten« Zeitschrift »wir selbst«, als deren Mitherausgeber er auch zeitweise fungierte. In der Ausgabe 1/1984 wurde beispielsweise ein Beitrag aus seinem Buch »Wissenschaft und Mythos. Auf der Suche nach der verlorenen Identität« nachgedruckt, das 1983 im extrem rechten Grabert-Verlag erschienen war. Hierin versuchte er sich als »Dritter Weg«-Weiser: »Daß die Beschäftigung mit der nationalen Identität ein rein ‘rechtes’ Feld ist, [...] ist eine Ansicht, von der sich zu lösen eine der wichtigsten Erkenntnisse [...] sein sollte.« Der »reale Nationalismus« entziehe sich einer »Einordnung in die lähmenden Urteile des ›rechts‹ und ›links‹«.

Unter den von ihm publizierten Büchern finden sich auch das ebenfalls im Grabert-Verlag veröffentlichte Werk »Hitlers politische Generale. Die Gauleiter des Dritten Reiches« und ein Buch über den bis heute von der extremen Rechten als Märtyrer verehrten Freikorps-Kämpfer Albert Leo Schlageter.

Höffkes trat auch als Autor der extrem rechten Monatspostille »Nation und Europa« in Erscheinung. Zudem war er Beisitzer im Vorstand der extrem rechten Gesellschaft für freie Publizistik (GfP). Als 1990 in München eine internationale Konferenz der Holocaust-Leugner stattfand, traf sich Höffkes mit dem britischen Geschichtsrevisionisten David Irving und mit Bela Ewald Althans, damals einer der führenden deutschen Neonazis. Wie der Berliner Politikwissenschaftler Hajo Funke nachweisen konnte, stand Höffkes offenbar in engem Kontakt zu Irving. Irving besuchte Höffkes sogar im Sommer 1990 in Essen. Dabei wurden Interviews mit Althans aufgenommen, die Höffkes als Buch vermarkten wollte.

Zweifelhafte Produktionen

Somit wundert es nicht, dass sich im Angebot von Polarfilm neben der »Geheimakte Heß« weitere suspekte Produktionen finden, zum Beispiel »Die Geschichte der deutschen Panzerwaffe 1914–1945« (2002) und »Die Geschichte der Deutschen Wehrmacht« (2006). Auch die DVD »Alliierte Kriegsverbrechen« zählt hierzu. Diese würde »Einblicke in einige der zahllosen Kriegsverbrechen, die auch auf alliierter Seite verübt wurden«, bieten. Eben dieses Anliegen haben auch die drei DVD-Folgen unter dem Titel »Als das Reich zerfiel«: »Dresden von der Blüte bis zur Zerstörung«, »Triumph und Tragödie der Wilhelm Gustloff« und »Nemmersdorf 1944 – Die Wahrheit über ein sowjetisches Kriegsverbrechen«.

Dokuvision

Bis 2005 hatte im Firmengebäude von Polarfilm auch die Dokuvision GmbH ihren Sitz. Das zwischenzeitlich nach Hamburg verzogene Unternehmen, das sich ebenfalls der Produktion von Bild- und Tonträgern widmet, wird geführt von Kristof Berking, zeitweise Autor der »neurechten« Jungen Freiheit und ehemaliger Hamburger Landesvorsitzender des Bundes Freier Bürger (BFB). Dokuvision produziert »zeitgeschichtliche Dokumentarfilme« wie »Sturm über Ostpreußen: Dokumentation der Tragödie von Juni 1944 bis Mai 1945«, die als Video und DVD bei Polarfilm erhältlich sind. Als Prokuristen bei Dokuvision fungierten bis 2001 zwei der heutigen Führungspersonen von Polarfilm: Johannes Haneke und Karl Höffkes.

»Siegerjustiz«

Die extreme Rechte zeigt sich beeindruckt von dem Sortiment. War der n-tv-Mitschnitt schon heißbegehrt, so sorgte Polarfilm im September 2006 mit »Death by Hanging. Tod durch den Strang. Nürnberger Prozess: Recht oder Rache?« erneut für Begeisterung. »In Nürnberg sollte Recht gesprochen werden, doch es war Siegerjustiz«, so der Pressesprecher der Landsmannschaft Ostpreußen, Bernhard Knapstein, in einer zusammenfassenden Besprechung im Ostpreußenblatt. Ebenfalls 2006 veröffentlichte Polarfilm ein Hörbuch mit den Lebenserinnerungen des Altnazis und Mitglieds in Hitlers Luftwaffenführungsstab, Hajo Herrmann aus Düsseldorf. Dieser tritt als Starredner auf großen NPD-Veranstaltungen auf und pflegt seit vielen Jahren engste Verbindungen in den Kreis der Holocaustleugner-Riege, zu deren Unterstützern er auch zählt (vgl. LOTTA #15, S. 30). Bei Polarfilm gilt er als »erfolgreicher Sachbuchautor« und »einer der herausragenden Zeitzeugen in Fragen des Luftkrieges«. Wie es »damals« angeblich »wirklich war«, kann man auch im Hörbuch von Gerd Schultze-Rhonhof erfahren. Dieser zeige, so Polarfilm, in »Der Krieg, der viele Väter hatte« in »aller Deutlichkeit, was den ersten Schüssen des 1. September 1939 vorausgegangen« sei.

Unsensibel

Aus Anlass des 75. Geburtstages von Anne Frank ließ das ZDF ausgerechnet Polarfilm eine DVD mit einer Johannes-B.-Kerner-Talkshow zum Thema Anne Frank produzieren, was angesichts der beschriebenen Faktenlage nur als äußerst unsensibel bezeichnet werden kann. Auf der DVD ist als »Extra« auch ein Interview mit Buddy Elias, dem Präsidenten des Anne-Frank-Fonds, enthalten. Geführt wurde es von Höffkes und Haneke.