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Die »Anti-Islam-Partei«

Einleitung

»Jetzt kommt Stimmung in die Bude: Seidi räumt im Rathaus auf«, verkündet ein Flugblatt der Gruppierung »pro Hambühren – Liste Seidensticker« im Landkreis Celle. Diese fordert die tägliche Öffnung des Strandbades, ein »Begrüßungsgeld« für Neugeborene sowie eine städtische »Familienbeauftragte«. Ratsherr Lars Seidensticker weiß neuen Mitgliedern allerhand zu bieten, insbesondere den ersten fünf: Diese nämlich »erhalten das Buch‚ Gedanken und Erinnerungen von Otto von Bismarck«... Die Rede ist von einem Ableger der »Bürgerbewegung pro Deutschland«, die den Ausbau ihrer Strukturen vorantreibt. Parallel dazu bereitet sich in NRW die »Bürgerbewegung pro NRW« auf einen Wahlantritt vor.

Bild: attenzione-photo.com

pro Köln demonstriert am 16. Juni 2007 gegen einen Moscheeneubau.

Ansprechpartner für die Homepage von »pro Hambühren« ist der Kölner Manfred Rouhs, ehemals Landesvorsitzender der »Jungen Nationaldemokraten«; anschließend Funktionär der »Republikaner« und der »Deutschen Liga für Volk und Heimat« (DLVH) und seit 2004 Ratsmitglied und Fraktionsgeschäftsführer von »pro Köln«. 2005 gründete er die »Bürgerbewegung pro Deutschland« (PRO D), wurde deren Bundesvorsitzender und versucht seitdem, den Wahlerfolg von »pro Köln« (4,7 Prozent bei den Wahlen zum Kölner Stadtrat im Jahre 2004) bundesweit zu exportieren. Dabei hat er es insbesondere auf rechtspopulistische Bürgerinitiativen und Wählergemeinschaften sowie auf abtrünnige oder übrig gebliebene kommunale Mandatsträger, beispielsweise der REPs und der »Schill-Partei« abgesehen.

Aktivitäten entfaltete PRO D bislang außer in Hambühren noch im Hochtaunuskreis, in Frankfurt/Oder, im fränkischen Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen, in Oberhausen, im Raum Hannover und insbesondere in Berlin (»Berlin brummt«). In der Bundeshauptstadt hat sich die selbsternannte »Bürgerbewegung« ihrer Lieblingsthemen »Moscheebau«, »Multi-Kulturalismus« und »EU-Beitritt der Türkei« angenommen und versucht, sich als Speerspitze und langfristig als parlamentarischer Arm der Islamgegner zu etablieren. Angestrebt wird eine erfolgreiche Teilnahme an den Berliner Wahlen zum Angeordnetenhaus im Jahr 2011. Aber auch in anderen Regionen, z.B. in mehreren baden-württembergischen Städten bilden sich nach und nach PRO-Strukturen, beispielsweise in Karlsruhe und Heilbronn.

PRO NRW

Von den meisten anderen »pro Köln«-Funktionären um ihren Vorsitzenden Markus Beisicht und ihre Kölner Fraktionsvorsitzende Judith Wolter wird der – großteils recht willkürlich erscheinende – Rouhs’sche Alleingang einer bundesweiten Ausdehnung eher skeptisch betrachtet. Am 6. Februar 2007 gründeten sie den Verein »Bürgerbewegung pro Nordrhein-Westfalen e.V.« (»pro NRW«), zum Vorsitzenden wurde der ehemalige REP- und DLVH-Funktionär Beisicht gewählt. Angestrebt wird eine Wahlteilnahme bei den nordrhein-westfälischen Landtagswahlen im Jahre 2010. Selbst auferlegte Voraussetzung für einen solchen Wahlantritt soll ein erfolgreiches Abschneiden in mehreren Städten bei den nordrhein-westfälischen Kommunalwahlen im Jahre 2009 sein. Auf ihrem »Gründungsparteitag« im September 2007, auf dem »einstimmig die Umwandlung zu einer landesweiten Regionalpartei« vollzogen wurde, war von dieser Selbstauflage schon keine Rede mehr: Man werde sich »sowohl an den Kommunalwahlen 2009 als auch an der Landtagswahl 2010 beteiligen«. Als Versammlungsleiter fungierte der »Sprecher der Bürgerbewegung pro München«, Rüdiger Schrembs, der zuletzt als Mitglied des bayrischen NPD-Landesvorstandes geführt wurde, nach seiner Versammlungsleitung in Bonn aber aus der Auflistung der Vorstandsmitglieder verschwand. Nach der Abspaltung seines offenkundig neonazistischen Flügels darf jetzt auch »pro München« in der PRO-Familie mitspielen.

Differenzen zwischen »Pro D« und »pro NRW« scheint es bei der Frage zu geben, wie deutlich man sich von der extremen Rechten abgrenzen sollte. Die »Bürgerbewegung pro Deutschland« bekennt sich »zu den Werten der freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland«. Man positioniere »sich innerhalb des Verfassungsbogens« und erteile »jeder Form von politischem Extremismus eine scharfe Absage.« Bei Beisicht klingt das etwas distanzierter: »Jeder, der in der Bundesrepublik Deutschland Politik betreiben will, muß sich zu den freiheitlich-demokratischen Grundwerten bekennen«. Diese Verlautbarung hielt ihn allerdings nicht davon ab, noch im Juni 2007 dem NPD-Organ »Deutsche Stimme« ein Interview zu geben. Und so erstaunt es nicht, dass trotz Teilnahme des DVU-Chefs Gerhard Frey und des NPD-Vorsitzenden Udo Voigt auch Beisicht und der »Pro NRW«-Generalsekretär Markus Wiener anwesend waren, als die extrem rechte EU-Parlamentsfraktion »Identität, Tradition, Souveränität« (ITS) am 25. September 2007 zu einem Treffen mit den deutschen Rechtsaußenparteien nach Straßburg eingeladen hatte.

Zeitweise schien es so, als würden Rouhs und Beisicht getrennte Wege gehen beim Versuch, das Konzept ihrer »Bürgerbewegung« über die Domstadt hinaus auszudehnen. Doch Ende Juli diesen Jahres schlossen sie eine Art Burgfrieden. Rouhs erklärte am 31. Juli seinen Beitritt zu PRO NRW und seine Mitwirkung beim Aufbau von Strukturen im Rheinland. PRO D werde bis zur Kommunalwahl 2009 »keinen aktiven Verbandsaufbau betreiben«, so Rouhs. Wenige Wochen später wurde er prompt zum stellvertretenden Vorsitzenden der Partei »Pro NRW« gewählt.

Im Sommer 2007 wurde auch die Gründung neuer Kreisverbände in NRW in die Wege geleitet. In Bonn, im Rhein/Sieg-Kreis, im Erftkreis (Hürth und Pulheim) und in Leverkusen. In Gelsenkirchen ist die Gruppierung nach dem Beitritt des früheren REP-Stadtverordneten Kevin Gareth Hauer bereits im Rat vertreten. Schon im Februar wurde die Gründung von »pro Bottrop« gemeldet. Auch in Münster, Warendorf, Düsseldorf, Essen und im Oberbergischen Kreis sollen sich PRO-Gruppen bilden. Ebenso wird in Dormagen (Kreis Neuss) an einem Kreisverband und einem Wahlantritt im Jahre 2009 gebastelt.

Konkurrenz und Ausblick

»Insgesamt haben wir somit zwei Jahre vor den nächsten Kommunalwahlen und fast drei Jahre vor der NRW-Landtagswahl eine erfreuliche Zwischenbilanz vorzuweisen auf unserem Weg zu einer flächendeckenden Präsenz in Nordrhein-Westfalen«, meint Beisicht. Und freut sich über ›prominenten‹ Zuwachs beim Kampf gegen »Moscheebauten und andere Projekte der Multikultur-Fanatiker«. »Der bekannte Solinger Unternehmer Günther Kissel ist heute der Bürgerbewegung pro NRW beigetreten«, meldete er am 16. August. Dabei hatte die Firma des finanzkräftigen Auschwitzleugners erst kürzlich den Rohbau der Merkez-Moschee in Duisburg fertiggestellt.

Argwöhnisch beäugt wird die Entwicklung von der NPD, die in NRW kommunalpolitisch ihre Felle davonschwimmen sieht. NPD-Landesorganisationsleiter Timo Pradel wirft »pro Köln« eine Anbiederung an Systemparteien und »Abgrenzung zur authentischen nationalen Opposition in Gestalt von NPD und parteifreien Kräften« vor. Die militante Neonaziszene hat sich eine Meinung über die PRO-»Bewegung« schon gebildet. Das »Aktionsbüro Westdeutschland« nennt beispielsweise »pro Köln« eine »reaktionäre, populistische, philosemitische und absolut spießbürgerliche Partei«.

»Neue Rechtspartei gegründet«, titelte PRO NRW im Internet den Bericht über ihren Gründungsparteitag im September. »Eine weitere« könnte man hinzufügen, zumal zu erwarten steht, dass in diversen Kommunen in NRW drei Rechtsaußenparteien gegeneinander antreten werden, die um den politischen Raum rechts der CDU konkurrieren: REPs, NPD und PRO. Beisicht betont, man werde zu den Kommunalwahlen nur dort antreten, »wo sich noch keine rechte Partei im Stadtparlament etablieren konnte und wo sich genügend geeignete Leute vor Ort finden, die ihre ›pro-Bewegung‹ selbstständig und eigenverantwortlich führen können.«

Ob es in NRW trotz einer schwachen NPD und den immer bedeutungsloser werdenden REPs für Wahlerfolge nach Kölner Vorbild reichen wird, darf bezweifelt werden. Für den Einzug in das eine oder andere Kommunalparlament aber dürfte es reichen, insbesondere dort, wo es der selbsternannten »Anti-Islam-Partei« gelingt, sich durch Stimmungsmache gegen Moscheebauten zu profilieren.