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»Pro NRW«: Der Riese unter den Zwergen

Tomas Sager
Einleitung

Mit 1,4 % der Zweitstimmen hat »pro NRW« bei der Landtagswahl im einwohnerstärksten Bundesland die extrem rechte Konkurrenz abgehängt. Die NPD erreichte nur noch 0,7 % (2004: 0,9 %) und den »Republikanern« kamen beinahe zwei Drittel ihrer Wählerschaft abhanden. Sie landeten bei 0,3 % (2004: 0,8 %).

107.476 BürgerInnen votierten mit ihrer Zweitstimme für »pro NRW«. Von den Wahlzielen der »Bürgerbewegung« – anfänglich war ernsthaft ein Einzug ins Landesparlament angepeilt worden, später ging es mehr um einen »Achtungserfolg« irgendwo oberhalb von zwei Prozent – blieb man aber deutlich entfernt. Die höchsten Ergebnisse erzielte »pro NRW« in Duisburg IV (4,6 %), Gelsenkirchen II (4,1 %), Gelsenkirchen I (4,0 %), Duisburg II (3,9 %), Duisburg III und Leverkusen (jeweils 3,8 %), Remscheid (3,6 %), und im Rhein-Erft-Kreis I (3,5 %). Kaum etwas zu holen gab es hingegen im Münsterland mit den schwächsten Ergebnissen in zwei Steinfurter Wahlkreisen (0,2 %). Dabei war »pro« in einzelnen Fällen auch in Regionen erfolgreich, in denen es bei der Kommunalwahl 2009 für einen Wahlantritt noch nicht gereicht hatte, so in Duisburg, Remscheid und Solingen. In Köln hingegen kam »pro NRW« nur auf 2,5 % stadtweit; bei der Kommunalwahl hatte »pro Köln« 5,4 % geholt.

»Eine rechtspopulistische Plattform schaffen«

Trotz der verfehlten Wahlziele zeigte sich »pro NRW«-Chef Markus Beisicht insgesamt zufrieden. »Die Bürgerbewegung ist stärker als alle verbrauchten, alten Rechtsparteien zusammen, obwohl diese mit allen Mitteln um einen Erfolg gekämpft haben.« Insbesondere freute er sich, dass »pro« künftig in den Genuss der staatlichen Parteienfinanzierung kommt. Beisicht: »Wenn wir jetzt auch finanziell ordnungsgemäß staatlich aufgepäppelt werden, dann besteht eine sehr gute Chance, eine sehr gute Perspektive, dass wir in fünf Jahren das umsetzen, was wir eigentlich schon heute umsetzen wollten.« Bundesweit sei es das Ziel, »die Voraussetzungen für die Schaffung einer modernen, demokratischen, rechtspopulistischen neuen Plattform zu schaffen«.

»Pro Deutschland«-Chef Manfred Rouhs blickt derweil schon mal auf die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus im nächsten Jahr. Nun gelte es, alle Kräfte in der Hauptstadt zu konzentrieren. Rouhs sehe, so »pro NRW«, »seinen politischen Schwerpunkt zukünftig in Berlin« und sei »daher von seinen Aufgaben« als Leverkusener Fraktionsgeschäftsführer »einvernehmlich entbunden« worden.

Die nicht neonazistische Konkurrenz im Lager der extremen Rechten ließ »pro NRW« weit hinter sich. Die REP kamen nur noch auf 23.330 Stimmen. 2004 waren es 67.220 gewesen. Lediglich in drei Wahlkreisen erreichten sie eine 1 vor dem Komma: Düsseldorf IV (1,2 %), Herne I (1,2 %) und Aachen III (1,0 %).

Auf die NPD entfielen 55.400 Zweitstimmen. 2004 hatten 73.969 BürgerInnen ihr Kreuzchen bei der neonazistischen Partei gemacht. Erwartungsgemäß erzielte die NPD überdurchschnittliche Ergebnisse vor allem im Ruhrgebiet und im Südwesten des Landes. Die Wahlkreise mit den höchsten Werten: Bochum III – Herne II (1,6 %), Unna II und Düren I (jeweils 1,5 %), Dortmund I, Düren II – Euskirchen II, Märkischer Kreis I, Oberhausen I, Essen I – Mülheim II (jeweils 1,4 %), Heinsberg I (1,3 %).

Ausnahmslos desolat

Noch ehe sich die NPD zum Wahlergebnis äußerte, meldeten sich »parteifreie« Neonazis vom »Koordinierungsnetz Ruhr-Mitte«, der früheren »AG Ruhr-Mitte«, zu Wort. »Pro NRW« habe »das geschafft, was der NPD-Landesvorsitzende Claus Cremer seit Jahren als unmöglich darstellt. Mit einem starken Schwerpunktwahlkampf weit über 1 Prozent einfahren«, bilanzierten sie. Einen Wahlkampf der NPD habe es in weiten Teilen des Landes nicht gegeben. Öffentlichkeitswirksame Aktionen der NPD hätten sich »auf das ›Dagegensein‹ bei ›pro‹-Veranstaltungen« beschränkt. Unter »Personen wie Claus Cremer und dem von ihm seit Jahren installierten Marionettenvorstand« könne man keine »nationale Arbeit verrichten, erst recht keine radikale Oppositionsarbeit«. Die »Kameradschaft Hamm« ergänzte: »Wenn in einer Millionenstadt wie Köln (0,3 %) oder in vielen anderen Regionen kein vernünftiger Wahlkampf gemacht wird, kann die Partei auch nicht erwarten, daß die Wähler die NPD als ernstzunehmende politische Kraft erkennen.«

In Durchhalteparolen übte sich direkt nach der Wahl NPD-Chef Udo Voigt. »Wir haben die besseren Argumente, wir sind die wirkliche Alternative und wir werden weiter kämpfen«, ließ er trotzig verlauten und richtete seine Hoffnungen darauf, dass irgendwann die jetzigen Nichtwähler die NPD in Massen unterstützen: »Wir wissen, dass Millionen Wahlberechtigte (in NRW waren es fast die Hälfte) ›Gewehr bei Fuß‹ stehen, aber von ihrer Waffe – gemeint ist der Stimmzettel – noch die Finger lassen. Das ist heute so, kann sich morgen aber schon sehr wesentlich ändern.« Von einer kritischen Analyse des Ergebnisses hielt er wenig: »Wir können sicher selbstkritisch den einen oder anderen Fehler bei uns suchen und finden, an der Großwetterlage ändern wird dies auch nichts.«

Eine Woche nach der Wahlpleite bohrte der NRW-Landesvorstand der Partei dann doch etwas tiefer: »Strukturelle Defizite im größten Bundesland« seien eine der Ursachen für das schlechte Abschneiden. In der Tat bewies die Wahl vom 9. Mai 2010 erneut, dass die NPD in Teilen des Landes kaum bis gar nicht mit arbeitsfähigen Strukturen präsent ist. Das betrifft vor allem das Münsterland, Ostwestfalen sowie weite Teile der ländlichen Regionen in Südwestfalen und am Niederrhein. Doch auch in einigen Großstädten hat die NPD erhebliche Probleme. In den Kölner Wahlkreisen reichte es gerade einmal für Ergebnisse zwischen 0,1 und 0,5 %, in Bonn für 0,2 %. In Duisburg – ehemals so etwas wie eine »Hochburg« der Partei in NRW, zugleich aber auch einer der Kreisverbände, denen parteiintern Inaktivität vorgehalten wird – halbierte sich das Ergebnis verglichen mit der Bundestagswahl vom vorigen September in etwa.

Die NRW-NPD beließ es bei ihrer Analyse des von ihrem Vorstand »ausnahmslos als desolat« bewerteten Wahlergebnisses nicht bei der Suche nach strukturellen Schwachstellen. Sie beklagte sich auch über eine mangelnde Unterstützung des Bundesvorstands und anderer Landesverbände. Eine der Ursachen für die Wahlpleite sei die »schlechte finanzielle Ausstattung durch die Bundespartei«. Dem Parteivorstand wird zudem vorgeworfen, er habe »mit wenigen Ausnahmen« die Landtagswahl »augenscheinlich ignoriert« – wobei wohl Parteichef Voigt, der immerhin zum Wahlkampf an den Rhein kam, zu den Ausnahmen gerechnet werden dürfte.

Auf die Frage, welche Folgen das Wahlergebnis für den politisch-inhaltlichen Kurs und für das Verhältnis zu parteifreien Neonazis haben könnte, geht der Landesvorstand mit keinem Wort ein. Wenige Tage vor seiner Sitzung war der NS-Flügel der Partei aber schon einmal vorgeprescht. Der stellvertretende Landesorganisationsleiter Ingo Haller empfahl einen ungeschminkt radikalen Kurs, wie er auch in seinem Kreisverband Düren gepflegt wird. Er beklagte »die mangelnde Zusammenarbeit einiger Verbände mit den freien Kräften in ihrer Region«. Es gehe darum, meint er, »den Weg des radikalen Kampfes um die Straße und damit um die Köpfe der Menschen, die uns den Kampf um die Parlamente ermöglichen, weiterzuführen«. Haller: »Es bleibt zu hoffen, dass unsere Politik auch vom Landesvorstand als die einzig sinnvolle erkannt und für die Gesamtpartei in NRW umgesetzt werden wird.« Der Streit darüber dürfte bald folgen.