Neue Antworten auf die BNP sind nötig
David Williams (Searchlight), LondonDie Londoner Kommunalwahlen im Mai dieses Jahres waren offensichtlich der bisher größte Erfolg einer faschistischen Partei in der britischen Geschichte. Die British National Party (BNP) erlangte knapp 70.000 Erst- und über 128.000 der Zweitstimmen und kam so auf 5,23 Prozent. Das reichte für einen Sitz im Stadtparlament und somit für eine gewisse Rolle in der Verwaltung.
Dies war sowohl ein Erfolg als auch eine Niederlage für den britischen Antifaschismus. Ungerechterweise suchten manche die Fehler bei Searchlight, hatten wir doch vor der Wahl geschätzt, dass die BNP zwei oder gar drei Sitze erlangen würde, was eine Katastrophe gewesen wäre.
Wir lagen falsch und waren verdammt froh darüber. Unsere Analyse, die auf der Situation an der Basis beruhte, wurde auch von Meinungsforschungsinstituten geteilt. Das Schlimmste befürchtend, gaben wir mit unserer Kampagne »Hope not Hate« alles, um den Super-GAU zu verhindern. Dass die BNP nicht stärker wurde, war ein Resultat der täglichen praktischen Arbeit im Rahmen unserer Kampagne, zu der wir hunderte von AktivistInnen mobilisiert hatten. Auch wenn wir die BNP nicht restlos geschlagen haben, denken wir doch, dass wir mit begrenzten Mitteln und maximalem Einsatz das Bestmögliche bewirkt haben. Es ist sicher, dass die Dinge ohne die »Hope not Hate«-Kampagne sehr viel schlimmer gekommen wären.
Die Fortschritte der BNP in London und auch in anderen Regionen wie Stoke on Trent sind zwar nicht irreversibel, geben aber Anlass zu großer Sorge. In ehemaligen BNP-Hochburgen wie Oldham, Bradford oder Kirklees hingegen wurde die BNP erfolgreich bekämpft und ihr politischer Einfluss zurückgedrängt.
Unabhängig davon gibt es eine bittere Pille, die britische AntifaschistInnen früher oder später schlucken müssen, auch wenn viele es nicht wollen: Sie müssen einsehen, dass die BNP sich verändert hat. Zu Zeiten ihrer Gründung 1982 war die BNP eine offen neonationalsozialistische Partei und eher eine Privatveranstaltung von John Tyndall, dem Ex-Chef der National Front (NF). Nach Tyndalls Absetzung durch Nick Griffin im Jahre 1999 begann dieser, die Partei zu modernisieren und durch eine Abkehr von allzu offensichtlicher faschistischer Politik hoffähig und somit wählbar zu machen. Für AntifaschistInnen, die das Innenleben der BNP gut kennen und ihre Entwicklung seit Jahren mitverfolgen, war es schwer einzusehen, dass viele diese Veränderungen der BNP nicht wahrnehmen.
Aber die BNP begann zu wachsen. Insbesondere seit 9/11 und den rassistischen Krawallen in Oldham im Jahre 2001 gelang es der BNP sich aus ihrer Isolation zu lösen und am Rand der politischen Mitte zu etablieren. Es wird zunehmend deutlich, dass die BNP von ihren WählerInnen anders gesehen wird.
Sie sehen die BNP nicht als eine faschistische Partei an, sondern ihre Wahl als einen Protest gegen die unentschlossene Labour Partei, die ohne Anschluss an die Basis ihrer nächsten Wahlniederlage entgegen steuert. Die Strategie, die BNP einfach als »Nazi«-Partei zu betiteln, stösst bei deren WählerInnen auf keinerlei Resonanz. Diese Versuche werden als ein geschmackloser Angriff vom politischen Gegner angesehen.
Stattdessen wird die BNP von ihren WählerInnen als eine Partei verstanden, welche eine aufrichtige politische Alternative darstellt. Es ist keine Überraschung, dass die BNP in einer Zeit an Einfluss gewinnt, in welcher die Labour-Regierung sich, auf der Jagd nach politischer Macht, von ihrer eigenen sozialen Agenda verabschiedet hat. Die Wahlergebnisse in Mittelengland haben der Zeit, in welcher die Labour Partei die Interessen der marginalisierten, weitestgehend weissen Arbeiterklasse in bestimmten Teilen des Landes vertrat, ein Ende gesetzt – allerdings nicht unbedingt in den Teilen, die am schlimmsten von der Politik von New Labour betroffen sind. Der Anspruch der BNP, der legitime Erbe des »old labour«-Sozialismus zu sein, ist lächerlich. Aber während unter »new Labour« ein massiver gesellschaftlicher Rechtsruck stattfand, wurden viele empfänglich für die BNP und ihre vagen Versprechungen eines weissen »National«-Sozialismus.
Dies liegt nicht darin begründet, das alle BNP-WählerInnen Rassisten sind. Das Benutzen von »Rasse« als Erklärungsansatz liefert schnelle Lösungen für komplexe sozio-ökonomische Missstände, welche ursprünglich einen Ausdruck in der Politik der Labour Partei gefunden hätten. Die Menschen, die sich (richtigerweise) von der Labour Partei im Stich gelassen fühlen, laufen Gefahr, eine vielleicht dauerhafte Bindung zur BNP aufzubauen. Stoke sollte in dieser Hinsicht wohl am beunruhigendsten sein.
In der ehemaligen Labour Hochburg haben Jahre der Gleichgültigkeit die ehemaligen politischen Bindungen schwinden lassen. Die BNP ist Nutznießer dieser Situation. Setzt die BNP die aktuelle Wahlkampagne fort, ist es sehr gut möglich, das sie im nächsten Jahr die Mehrheit im Rathaus bekommen.
Natürlich bleibt die BNP eine faschistische Partei
Das Problem ist, dass die »Kampagne gegen den Islam« der BNP quer durch alle Bevölkerungsschichten erschreckend viele Menschen berührt. Die BNP ist aktuell mit einer xenophoben Argumentation erfolgreich, dass ihre Gegnerschaft zum Islam nichts mit Rasse zu tun habe, aber um so mehr mit Verteidigung der eigenen Religion und Kultur. In einigen Gegenden repräsentiert diese Unterstützung der BNP, die auf Werten und nicht biologistischen Prinzipien basiert, nicht mehr einen vorübergehenden Enthusiasmus sondern ein tief verwurzeltes politisches Phänomen, dem schwierig zu begegnen ist. Es sieht danach aus, dass die BNP sich in einigen Regionen in den nächsten Jahren als politischer Akteur etablieren wird.
Dies hat dazu geführt, dass Searchlight die einfache aber wichtige Frage stellt: »Wohin jetzt?« Falls die BNP die Kontrolle über Stoke erhält – also die erste extrem rechte Partei wird, die jemals eine britische Stadt kontrolliert hat – oder bei den Europawahlen 2009 einen Abgeordneten ins EU-Parlament schicken kann, würde das die BNP über Nacht von einer eher unbedeutenden Partei in eine seriöse politische Kraft verwandeln.
Der fundamentale Wechsel in der Politik der Labour Party hin zur politischen Rechten, hat eine Kluft geöffnet, welche die BNP in einigen Gegenden füllen kann. Die Öffnung dieses politischen Spielraums hat uns dazu veranlasst eine interne Analyse zu beginnen, was in der Kampagne gegen die BNP funktioniert hat und was nicht.
Seit langem vertreten wir die Auffassung, dass es die beste Methode ist, die örtlichen Basisorganisationen in den Kampf gegen die BNP mit einzubeziehen. Sie versuchen der BNP vor Ort zu begegnen, indem sie deutlich machen, wie die BNP lokale Themen und Missständen verdreht und lügt. Gleichzeitig wird versucht authentische soziale und demokratische Strukturen als die einzige richtige Lösung darzustellen, entgegengesetzt der spaltenden rassistischen Politik, welche von der BNP angeboten wird.
Als Ergänzung dazu konzentrierten wir uns auf den Ausbau unserer Netzwerke, um unsere Unterstützung für die lokalen Gruppen und Einzelpersonen zu intensivieren und mit ihnen die Effektivität der Kampagne vor Ort abzusichern. Dies wurde zu einer Priorität in unserer politischen Arbeit. Eine lokale Netzwerkarbeit, welche die BNP direkt vor Ort politisch bekämpft, ist unserer Ansicht nach der Schritt in die richtige Richtung. Sich in den örtlichen Gemeinden zu verwurzeln und Partnerschaften mit z.B. PolitikerInnen, Gewerkschaften, kirchlichen Gruppen, Jugendorganisationen etc. einzugehen, hat sich als die effektivste Methode zur Bekämpfung der extremen Rechten erwiesen.
Obwohl diese Art der Politik natürlich nicht frei von ihren spezifischen Problemen ist, hat die »Hope not hate«-Kampagne doch bewiesen, dass die BNP mit einer lokal orientierten Kampagne in ihrem eigenem Hinterhof geschlagen werden kann, was sich auf die Partei sehr demoralisierend auswirkte. Letzten Monat musste die BNP im Wahlkreis Chadwell Heath starke Verluste einstecken. Waren die Erwartungen, besonders nach dem Londoner Wahlerfolg im Mai diesen Jahres hoch, hat die unermüdliche Arbeit der AntifaschistInnen hier erste Früchte getragen und die BNP in ihre Schranken verwiesen.
Die Bindung zu AntifaschistInnen vor Ort und die anhaltenden politischen Bündnisse können die BNP in ihren Hochburgen wirksam bekämpfen und die lokalen Gruppen befähigen ihre Situation zu verbessern. Der Kampf hat greifbare Resultate hervorgebracht, auf die alle involvierten AktivistInnen stolz sein können.
Searchlight hat natürlich kein Patent darauf wie die extreme Rechte am effektivsten bekämpft werden sollte, national aber auch international. Es ist wichtig zu erkennen, dass es keine Art der Politik gibt, welche auf jede Situation passt. Aus diesem Grunde wären wir erfreut von den Erfahrungen von unseren internationalen GenossInnen zu hören. Wie haben sie ihre Kampagnen gestaltet? Was hat funktioniert und – vielleicht noch wichtiger – was hat nicht funktioniert?