Neonazis unter falscher Flagge
1. Mai 2009 in Berlin: Eine Gruppe junger Demonstranten taucht auf einer Gewerkschaftsveranstaltung mit einem Transparent: »Das Eigentum in fremder Hand? Unsere Antwort: Klassenkampf!« auf. Erst im Nachhinein nahmen die Organisatoren den Inhalt näher unter die Lupe und bemerkten, dass sich hinter der Gruppierung eine neonazistische »nationalrevolutionäre« Kameradschaft verbirgt, die sich »Sozialrevolutionäre Alternative Mitte« (SAM) nennt und sich zu einem »Netzwerk sozialistische Nation« (NWSN) zählt.
Die Neonazis agitieren für einen »souveränen sozialistischen Nationalstaat« und sind auf der Suche nach einem zukünftigen »Bündnis zwischen der sozialistischen und nationalen Bewegung«. Ihren »neuen bzw. dritten Weg« garnieren sie mit einem Ideologiemix aus nationalrevolutionären/nationalbolschewistischen Klassikern, ein bisschen Marx, Lenin und Anarchosyndikalismus. Auf ihrer Website berichten die Neonazis ausführlich über ihre Teilnahme an der »revolutionären 1. Mai Demo« in Berlin-Kreuzberg. Weiterhin prahlen sie mit der Teilnahme an verschiedenen linken Demonstrationen und Veranstaltungen, wie den »Sozialismustagen« der »Sozialistischen Alternative Voran« (SAV) in Berlin. Hinter dem großen Gruppennamen stehen nicht mehr als 10 Personen.
Undercover reisen sie zu verschiedenen linken Veranstaltungen, um im Nachgang ihre erfolgreiche »Querfrontarbeit« zu schildern. Am 5. September 2009 wollten sie an einer Anti-Atomkraft Demonstration in Berlin teilnehmen, wurden dort jedoch weggeschickt. Am gleichen Tag beteiligten sie sich an der, u.a. von Jürgen Elsässer organisierten Demonstration gegen den »Lissaboner Vertrag«. Thematisch waren die Neonazis der SAM hier auf jeden Fall richtiger, denn Elsässers Thesen mit der Fixierung auf den Nationalstaat und gegen das internationale Finanzkapital kamen einer Einladung gleich. Die Nationalrevolutionäre beteiligten sich hier mit einem Transparent auf dem sie das Symbol der linken »Freien Arbeiterinnen- und Arbeiter Union« (FAU) benutzten. Zwei der Transparentträger, der Magdeburger Daniel Pommerenke und Marc Kluge aus Wernigerode, sind in Sachsen-Anhalt als Neonazis bekannt. Daniel Pommerenke hat noch vor zwei Jahren mit Matthias Gärtner (Bundesschulungsleiter der JN) zusammen auf einer »getarnten« JN-Liste an den Universitätswahlen in Magdeburg teilgenommen. Marc Kluge war jahrelang in der NS-Hardcoreszene und mit dem JN Bundesvorsitzenden Michael Schäfer zusammen für die NPD-Jugendorganisation »Junge Nationaldemokraten« (JN) aktiv. 2007 kandidierte er für die NPD bei den Kreistagswahlen. Ihre Flugblätter unterschrieben die Neonazis mit den unverdächtigen Gruppennamen »eco-revolution«. Ein Blick auf die verlinkten Websites dieser Gruppe führt jedoch zum NWSN. Registriert hat die NWSN Domain Lars Poppke aus Soltau/Niedersachsen. Im Dezember 2007 trug er auf einer Neonazi-Demonstration in Berlin ein Transparent mit der Forderung »Querfront – gemeinsam statt gegeneinander« und engagierte sich u.a. mit Söhnke Dorten bei den »Autonomen Nationalisten Nord/West«. 2009 versuchten die beiden Soltauer, Poppke und Dorten sich über die »Piratenpartei« zu den Bundestagswahlen als Direktkandidaten aufstellen zu lassen. Sie scheiterten aber an zu wenig Unterstützungsunterschriften bzw. traten von der Kandidatur zurück, nachdem ihr neonazistischer Background öffentlich wurde.