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Ein kleines Fazit...

Einleitung

Zwei Jahre Antifa-Debatte im AIB, der Versuch einer Zusammenfassung

Mit dem Schwerpunkt »Antifa 2004?«  haben wir vor fünf Jahren versucht eine bundesweite inhaltliche Auseinandersetzung um antifaschistische Politik anzustoßen. Leider mit geringem Erfolg. Die Idee eine Diskussion anhand der jährlichen Neonazigroßaufmärsche in Dresden aufzuziehen schlug fehl. Da kam uns die Initiative der Kampagne »NS-Verherrlichung stoppen« gelegen, mit einem Beitrag eine eben solche Debatte ins Leben zurufen. Wir vom AIB sehen uns als ein strömungsübergreifendes Projekt an. Dies ist auch der Grund, warum wir das Antifaschistische Infoblatt als Sprachrohr zur Verfügung stellen, selbst aber keinen inhaltlichen Diskussionsbeitrag in dieser Debatte leisten. Unsere Enthaltung ist keinesfalls als Desinteresse zu werten. Als MacherInnen des AIB sind wir eine sehr heterogen zusammengesetzte Gruppe und somit sind auch bei uns die verschiedensten Ansätze antifaschistischer Politik repräsentiert.

Bild: attenzione-photo.com

Antifaschistischer Protest gegen den Neonaziaufmarsch in Dresden am 13. Februar 2011.

Den Anfang der Diskussion machte die Kampagne »NS-Verherrlichung stoppen«. Nach diesem Startschuss lief die Debatte fast von alleine. Ein Interesse war spürbar vorhanden. Aufgrund politischer Aussagekraft wurden aber nur Gruppenbeiträge berücksichtigt. Nach insgesamt sieben Beiträgen und zwei Jahren finden wir, dass es an der Zeit ist, ein kleines Fazit zu wagen. Selbstverständlich können die verschiedenen Aspekte einer zwei Jahre dauernden Debatte hier nur kurz angerissen werden. Für einen Gesamtüberblick sind sämtliche Beiträge auch unter www.antifainfoblatt.de zu finden.

Auf den Beitrag der bundesweiten Kampagne »NS-Verherrlichung stoppen« folgten in chronologischer Reihenfolge Artikel von: Antifaschistische Linke Berlin (ALB) aus Berlin, Antifaschistische Linke International (A.L.I.) aus Göttingen, Leipziger Antifagruppe (LeA), Theorie, Organisation, Praxis (TOP) aus Berlin , Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes VVN (Berliner OG), und der Antifa F (Ffm). Das Gros der Beiträge hat eine übergeordnete Sicht als Herangehensweise gewählt. A.L.I. und die VNN haben die eigene politische Praxis als Ausgangspunkt bevorzugt, während TOP aus Berlin sich positiv auf den Beitrag von LeA bezogen hat, um sich dann der Frage zu widmen, warum antifaschistische Arbeit überhaupt erst eine Notwendigkeit hat. Keine Überraschung, aber trotzdem wichtig zu erwähnen ist, dass sich die teilnehmenden Gruppen darin einig sind, dass das Problem extrem rechter Ideologie nicht als ein von der Gesellschaft losgelöstes Phänomen gesehen werden kann und darf, sondern ihr immanent ist. Die VVN, welche sich ausdrücklich als Bündnisprojekt definiert, hebt diesen Zusammenhang nicht so deutlich hervor und sieht die Zivilgesellschaft zuerst als Partnerin im Kampf gegen Rechts. Doch auch ihr Blick richtet sich nicht nur nach äußerst rechts: »Unser Ansatz will keineswegs die gesellschaftlichen Widersprüche negieren, sondern für uns ist Antifaschismus der Gegenentwurf zum Nationalismus, Chauvinismus, Rassismus und Antisemitismus – nicht allein der radikalen Rechten und Neonazis. Und das beschreibt auch die Grenzen unserer Bündnispolitik.« Schnell vorbei mit dieser Einigkeit ist es, wenn es darum geht, wie mit eben jener Erkenntnis umgegangen werden soll. Bei aller Unterschiedlichkeit der verschiedenen Gruppen, kristallisieren sich bei dieser Debatte zwei politische Ansätze heraus. »NS-Verherrlichung stoppen«, ALB, A.L.I. und VVN sehen Bündnisarbeit und die damit verbundene Möglichkeit zur gesellschaftlichen Intervention als unumgehbar und einen elementaren Bestandteil ihrer Politik an. Von diesen Gruppen werden zwei Punkte als die wesentlichen angegeben. Den ersten erläutert die ALB: »Um einen breiten antifaschistischen Konsens herstellen und damit gesellschaftlich intervenieren zu können, bedarf es in der Regel Bündnisarbeit – schon allein zur banalen Bündelung von Kräften. Eine breite Wirkung und politische Durchsetzungskraft entwickelt sich in der Regel entweder über viele, viele Menschen oder über gesellschaftliche Breite. Ist beides nicht gegeben, dann wird es schwierig.« Punkt zwei führt A.L.I. aus: »Antifaschismus war und ist für uns ein geeigneter Ansatz, um gleichermaßen Menschen innerhalb der radikalen Linken zu sammeln und Handlungsfähigkeit herzustellen, in drängende gesellschaftliche Konflikte zu intervenieren, sowie linksradikale Theorien und Praxis über einen engen Szenekreis und Generationen hinaus zu vermitteln.« Und weiter heißt es: »Das Bündnis soll somit nicht nur gesellschaftlich eingreifen, sondern ist auch selbst Schauplatz gesellschaftlicher Auseinandersetzungen.« Die LeA, TOP und Antifa F lehnen eine derartige Orientierung auf Bündnisarbeit ab und fordern zuallererst die Bestimmung gesellschaftlicher Verhältnisse und antifaschistischer Politik, auf deren Basis dann gearbeitet werden soll. So argumentiert LeA: »Vor einer ›Intervention‹ in die Gesellschaft hat nämlich die Kritik derselben zu stehen, mit anderen Worten: Sich einen Begriff von ihr zu machen. Das Hintenanstellen der Theoriebildung befördert seinerseits eine Diskussion, die sich nur noch auf das ›Auftreten‹ der ›Bewegung‹ und nicht mehr auf den politischen Gehalt des Bewegtseins bezieht.« Aus diesen Gründen macht die Antifa F in ihrem Beitrag »Extremismus der Vernunft« einen Unterschied zwischem Antifaschismus und linkem (radikalen) Antifaschismus aus: »Da linksradikaler Antifaschismus die Möglichkeit der Gesellschaftskritik verteidigt, geht er weiter. Er bekämpft nicht nur Neonazis und andere Bösewichte, sondern auch jene Ideologien aus denen heraus die Bereitschaft entsteht, rechtsradikale Denkmuster anzunehmen. Mit ihnen kennt linker Antifaschismus kein Pardon, egal wo sie auftreten. Hier – und nicht im Steineschmeißen oder Carhartttragen – liegt der zentrale Unterschied zwischen Antifa und bürgerlichem Antifaschismus.« Interessant ist, dass sich beide »Parteien« gegenseitig eine gewisse Entpolitisierung und das Festhalten an der eigenen Subkultur und Vorgehensweise vorwerfen. Eine Absage an bewusste Bündnispolitik hat für die ALB eine klare Kosequenz: »Eine selbstbewusste Antifa hat trotz der abschreckenden Beispiele keine Angst vor breiten Bündnissen. Dieses Feld aufzugeben, weil die anderen ›zu blöd‹ sind oder man selbst zu ›radikal‹ ist, ist ein Schritt hinein in den Szenesumpf.« Die GenossInnen von der Kampagne »NS-Verherrlichung stoppen« ziehen ähnliche Schlüsse: »Oft genug zielt die politische Praxis nur darauf ab, sich als ›autonome Antifas‹ darzustellen. Bestimmte Formen des Protestes werden unabhängig von den Gegebenheiten ewig gleich wiederholt, weil bei Vielen offenbar die militante Geste ein Ersatz für politisches Bewusstsein geworden ist.« Die Antifa F sieht in der Bündnisorientierung das Fehlen eines politischen Inhalts: »Wenn Antifaschismus mehr sein soll als ein subkultureller Habitus, muss er inhaltlich – und nicht, wie bei den GenossInnen der ALB und der ALI, anhand von schon entschiedenen Bündnisstrategien – bestimmt werden. Dafür ist zu klären, in welcher Gesellschaft wir eigentlich leben und wie mithin gegen rechtsradikale Bewegungen vorgegangen werden sollte.« Grossartige Überraschungen sind in der Debatte ausgeblieben und sichtbare Ergebnisse nicht wirklich entstanden. Die Frage ist aber berechtigt, ob dies in dieser Form der aufeinander folgenden Beiträge möglich war. Erfreut sind wir über die rege Teilnahme und darüber, dass die Diskussion unserer Einschätzung nach durchaus auch in anderen Foren und Zusammenhängen Beachtung gefunden hat. Bemängeln müssen wir, dass die Beiträge teilweise aneinander vorbeigeredet haben. Das Verteidigen der eigenen Vorgehensweise stand oft im Vordergrund. Wir vermissen eine offene, konstruktive, nicht auf den eigenen Standpunkt fixierte Auseinandersetzung um eine der Ausgangsfragen dieser Debatte: »Wie kann und sollte die Zielrichtung der antifaschistischen Arbeit in der Zukunft aussehen?«