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Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!

Ein Beitrag des Berliner VVN-BdA
Einleitung

Mit dieser griffigen Losung wird der Schwur der überlebenden Buchenwald-Häftlinge, geleistet am 19. April 1945, wenige Tage nach ihrer Selbstbefreiung, von Generation zu Generation weitergegeben. »Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.«

Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) überreichte im Dezember 2007 175.000 Unterschriften, mit denen ein Verbot der NPD gefordert wird, an den Deutschen Bundestag.

In dieser Tradition sieht sich auch die Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA).  Sie gehört mit ihren 14 Mitgliedsorganisationen zu den ältesten und größten antifaschistischen Organisationen in Berlin. Gemeinsam mit Gründungsmitgliedern und vielen Freunden und Sympathisanten begingen wir im Januar 2008 den 60. Geburtstag der Berliner VVN mit einer Festveranstaltung im Berliner Abgeordnetenhaus, auf der u.a. Walter Momper (Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses), Prof. Andreas Nachama (Direktor der  Stiftung Topographie des Terrors), Petra Rosenberg (Vorsitzende des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma Berlin-Brandenburg) und Prof. Günther Morsch (Stiftung brandenburgische Gedenkstätten) sprachen.

Selbstverständnis

Der Antifaschismus der (Berliner) VVN-BdA begreift sich zuerst und vor allem als antifaschistische Bündnispolitik. Die VVN-BdA Initiative »nonpd« für ein Verbot der NPD mit ihren 175 445 gesammelten Unterschriften hat sichtbar gemacht, dass es in der BRD ein breites antifaschistisches Spektrum gibt und Voraussetzungen zur Schaffung konkreter Bündnisse im Kampf gegen Neofaschismus überall vorhanden sind. Vieles davon mag anlassbezogen und temporär sein, einem Klima, das rechten Meinungen den gesellschaftlichen Rückhalt entzieht, dient es allemal. Es gibt unterschiedliche Zugänge zum Antifaschismus: antikapitalistische, sozialistische, allgemein demokratische, humanistische, christliche, liberale. Sie alle sollen Raum haben in unserer Organisation und in Aktionen mit unseren BündnispartnerInnen.

Als VVN-BdA möchten wir diese Positionen immer wieder zusammenführen, was uns nicht immer gelingt. AntifaschistInnen sollen weder als »linksextrem« noch als »bürgerlich« ausgegrenzt werden. Wir unterstützen Aktionsformen und Initiativen, die möglichst viele Menschen einbeziehen. Unsere Idee des Antifaschismus soll und muss breitgefächert und pluralistisch sein, wie es auch der Widerstand gegen den Nationalsozialismus war. Wir wollen junge und alte AntifaschistInnen zusammenbringen – wir können und müssen voneinander lernen. Und wir machen nicht bei den offen faschistischen Positionen der Neonazis halt. Unser Ansatz will keineswegs die gesellschaftlichen Widersprüche negieren, sondern für uns ist Antifaschismus der Gegenentwurf zum Nationalismus, Chauvinismus, Rassismus und Antisemitismus – nicht allein der radikalen Rechten und Neonazis. Und das beschreibt auch die Grenzen unserer Bündnispolitik.

Im Bündnis gegen Nazis

Antifaschismus, der Folgen hat, bedeutet ganz konkret: nicht schweigen, sondern Zivilcourage zeigen und einschreiten, Neonazis, Rassisten und Antisemiten offen entgegentreten. Die VVN-BdA beteiligt sich bundesweit nach Kräften an zahlreichen bundesweiten und lokalen antifaschistischen Bündnissen und Initiativen gegen Neonaziaufmärsche, Neonaziveranstaltungen, Protesten gegen die revanchistischen Vertriebenen-Verbände, gegen die Treffen der Kriegsverbrecher des Kameradenkreis der Gebirgsjäger in Mittenwald. Wir solidarisieren uns mit Aktionen, die für eine Entschädigung der Angehörigen von deutschen Massakern in Italien und Frankreich sowie von italienischen Zwangsarbeitern und sowjetischen Kriegsgefangenen eintreten. Solidarität mit Flüchtlingen und MigrantInnen, die staatlichen Repressionen, rassistischen Sondergesetzen und nicht selten Neonaziterror ausgesetzt sind, ist ein unbedingtes Muss in unserer Organisation. Dass Antisemitismus – nicht nur in der BRD – wieder zu einer Meinung unter anderen zu werden droht, bereitet uns große Sorgen.

Die Berliner VVN-BdA hat sich zum Ziel gesetzt, ihre antifaschistische Bündnispolitik auf allen Ebenen auszubauen. Nebenbei gesagt, das haben wir auch nötig, denn unsere 900 Mitglieder werden nicht jünger. Erfreulicherweise kommen verstärkt jüngere Menschen zu uns, die uns neue Ideen und Aktions- und Tätigkeitsfelder erschließen. Mittlerweile sind wir bei faktisch jeder Antinaziaktion in Berlin vertreten, sei es als TeilnehmerInnen oder als Mitorganisatorin der Proteste. Wir beteiligen uns an ständigen und Anlass bezogenen Antifa-Bündnissen. Dabei haben wir viele Menschen kennen gelernt, und diese natürlich auch uns. Dass es in Berlin mittlerweile zu einem Miteinander von PolitikerInnen, Parteien, GewerkschafterInnen, Jugend-und Kiezinitiativen, unabhängigen Antifagruppen und StadteilbewohnerInnen kommt, ist eine Entwicklung, die wir begrüßen, auch die politische Reibung, die dabei entsteht.

Die Kampagne »Naziaufmärsche blockieren ist unser Recht« findet großen Anklang und hat nach den Blockadeversuchen gegen den Neonaziaufmarsch in Halbe 2006 und in Rudow 2007, in Lichtenberg am 6. Dezember 2008 zu einem schönen Erfolg geführt, als der Neonaziaufmarsch nach der Hälfte der geplanten Strecke umgeleitet werden musste. Es besteht ein gewachsenes Bedürfnis unter vielen BürgerInnen und lokalen Initiativen den Neonazis ganz praktisch »entgegenzutreten«, Zivilcourage zu zeigen, auch da, wo es die Polizei nicht zulässt. Und da BlockiererInnen meist ein juristisches Nachspiel mit Strafbefehlen, Prozessen und Geldstrafen droht, nehmen wir auch den zweiten Teil des Kampagnenmottos ernst: »Keine Kriminalisierung von Zivilcourage gegen Neonazis«. Zusammen mit den Betroffenen organisieren wir eine gemeinsame politische und juristische Verteidigung, mit Veranstaltungen, Unterschriftenlisten, Petitionen, Pressearbeit und Spendensammlungen – gelebte und erfahrbare antifaschistische Solidarität.

nonpd – NPD-Verbot jetzt!

Sehr beunruhigt sind wir, dass die NPD auf Straßen, in Jugendklubs und Parlamenten ihren braunen Ungeist verbreitet, ihre Tätigkeit aus Steuermitteln finanziert und von der Polizei geschützt wird. Die NPD ist nicht nur Schutzschirm, sondern auch Ideengeber, Werteträger und Motor für gewaltbereite Neonazis aller Couleur und damit ein Zentrum neofaschistischer Aktivitäten. Ein Verbot dieser Partei beseitigt sicherlich nicht den Rechtsextremismus, könnte ihn aber nachhaltig schwächen.

Was tun gegen Neonazis? Da gibt es eine klare Antwort: Etwas tun gegen Nazis! Die VVN-BdA setzt seit dem 27. Januar – gedrängt auch durch viele Unterstützer und Sympathisanten – ihre erfolgreiche Kampagne »nonpd – NPD-Verbot jetzt!« fort. Bis zum 8. Mai 2010, dem 65. Jahrestag der Befreiung, wollen wir mindestens »5.000 gute Gründe für ein NPD-Verbot« zusammentragen.

Mitstreiter und Gruppen soll im Internet – aber auch auf traditionellen Wegen – die Möglichkeit gegeben werden, mit persönlichen Stellungnahmen oder anderen Texten, mit Bildern, Plakaten oder auch Musik auszudrücken, warum mann oder frau für ein Verbot der NPD sind, ihre Erlebnisse und Erfahrungen mit Neofaschisten schildern oder in welch anderer Art und Weise das eigene Leben von ihnen beeinträchtigt wird, was man gegen sie getan hat oder tun will. So soll ein ständig wachsendes, nach Landkreisen geordnetes interaktives Lesebuch entstehen. Ein Klick auf die Deutschlandkarte im Internet und jeder – auch unsere Abgeordneten in den Parlamenten – können lesen, was im Kreis Pro-NPD-Verbot gedacht wird.

• Wir wollen dazu mit möglichst vielen Menschen ins Gespräch kommen und so die öffentliche Auseinandersetzung mit allen Erscheinungsformen des Neofaschismus befördern helfen.
• Wir wollen Neugier wecken, Sichtweisen verändern, Kräfte aktivieren, Argumente sammeln und vermitteln.
• Wir wollen Stimmung »gegen Nazis« machen und verfestigen, Menschen ermutigen, sie zu einer konkreten Forderung zu verdichten, nämlich der, die NPD zu verbieten.
• Wir wollen Mut machen, Protest gegen die NPD und andere Neonazis auf vielfältige Weise Ausdruck zu verleihen.

Die gewählten Abgeordneten des Bundestages und der Landtage sollen in die Pflicht genommen werden. Wir wollen ihnen deutlich machen, dass die Bekämpfung des Neonazismus – mit dem NPD-Verbot an der Spitze – nicht nur Gegenstand von Sonntagsreden sein darf. Von den Abgeordneten des Bundestages erwarten wir endlich eine Reaktion auf unsere mehr als 175.000 Unterschriften für ein NPD-Verbot. Die Innenminister sollen zur Beseitigung der Verfahrenshindernisse – die V-Leute in der NPD – gedrängt werden. Wir wollen darüber aufklären, dass V-Leute in der NPD nichts weiter sind als bezahlte Neonazis und das das V-Leute-System de facto zum Schutzschirm der NPD geworden ist.

Gedenken und Erinnern

Die Beschäftigung mit Verfolgung und Widerstand ist ein immer währender Prozess der Annäherung an die Geschichte und an die Handlungsmöglichkeiten von Menschen. All dies schärft den Blick für eigene Entscheidungen und für die Auseinandersetzung mit Neonazismus, Rassismus und Antisemitismus sowie seinen Ursachen. Deshalb setzen wir uns für Gedenk- und Erinnerungszeichen im öffentlichen Raum und für den Auf- und Ausbau regionaler Gedenkstätten ein. So begleiten wir kritisch die Arbeit der Gedenkstätte Köpenicker Blutwoche. Im Gefängnistrakt des ehemaligen Amtsgerichtes in der Puchanstrasse 12 wird dokumentiert, dass die »Köpenicker SA-Standarte 15« vom 21. bis 26. Juni 1933 Mitglieder von KPD und SPD, Juden, Gewerkschafter und Parteilose verhaftete, demütigte, folterte und ermordete. Während die Verfolger und Mörder mit Bildern und Biographien ausführlich dokumentiert sind, fehlen bisher biographische Angaben zu den Ermordeten und Gequälten. Wir erwarten, dass Mitglieder der VVN-BdA in die Überarbeitung der Ausstellung einbezogen und sie wieder Führungen übernehmen können. Wir unterstützten die Initiative von Lichtenberger Schülern, die Biographien von Widerstandskämpfern erforschten, die seit 1973 Namen von Straßen im Fennpfuhl tragen. Seit zwei Jahren sind im Fennpfuhl die Namen der Antifaschisten in aller Munde.

Die »Initiative Stolpersteine für den Arbeiterwiderstand« verlegt in Kooperation mit der IG Metall, ver.di und anderen 50 Stolpersteine für Frauen und Männer aus der Saefkow-Jacob-Bästlein Gruppe, die ermordet oder in der Haft verstorben sind und die bisher nicht mit Straßennamen oder Gedenkzeichen geehrt wurden. Gegenwärtig bereiten wir in Kooperation mit der Gedenkstätte Deutscher Widerstand eine Ausstellung über diese größte Berliner Widerstandsorganisation in den Jahren 1943/44 vor, die Mitte Juni in der Kommode am Bebelplatz eröffnet wird. In Kooperation mit dem Verein »Helle Panke« diskutieren wir Ende Juni auf einer Tagung »Das rote Berlin – Arbeiterwiderstand gegen das Nazi-Regime« über Desiderate und werden neue Forschungsergebnisse vorstellen.

Stolpersteine, Ausstellung und Tagung haben das Ziel, den Widerstand von unten, aus der Arbeiterbewegung und dem sie umgebenden Milieu einer größeren Öffentlichkeit bekannt zu machen, Zivilcourage und Entschlossenheit von Menschen zu zeigen, die Nazidiktatur und Rassenwahn überwinden und den Krieg beenden wollten. Berlin zählte zu den Hochburgen von Dissens, Protest und Widerstand in den Jahren von 1933 bis 1945.  Kommunisten, Sozialdemokraten, Sozialisten, Trotzkisten, parteienunabhängige Linke, Gewerkschafter und Arbeitersportler stellten den größten Anteil der Berliner Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer.

So gedenken wir z.B. regelmäßig in mit zahlreichen Veranstaltungen in verschiedenen Bezirken den Novemberpogromen im Jahre 1938, wir erinnern an das Leben und Sterben von WiderstandskämpferInnen. Am zweiten Sonntag im September knüpfen wir mit dem Fest auf dem Marx-Engels-Forum zum Tag der Erinnerung und Begegnung an den Tag der Opfer des Faschismus an. So sprachen am 9.  November in Moabit, der antifaschistische Schriftsteller und Holocaust Überlebende Walter Kaufmann, Vertreter unabhängiger Antifagruppen, der jüdischen Gemeinde und der VVN-BdA. Mitglieder unserer Organisation brachten den »Zug der Erinnerung« nach Berlin (siehe AIB 79). Am 8. Mai gedenken wir zusammen mit VertreterInnen des Bezirksamtes am Sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park, in der Schönholzer Heide und an anderen Orten der Befreiung vom Faschismus. Am 9. Mai feiern wir mit vielen BerlinerInnen, auch aus der ehemaligen Sowjetunion, unter dem Motto »Wer nicht feiert, hat verloren« den Tag des Sieges über den Faschismus im Treptower Park. Die VVN-BdA bietet Führungen zu ehemaligen Stätten jüdischen Lebens in Pankow, eine Ausstellung und ein Buch zu diesem Thema an. Die Sorge über antisemitische Ausfälle gegen Israel hat uns im vergangenen Jahr dazu bewogen, an den Protesten gegen den Al-Quds-Tag teilzunehmen.

gemeinsam, pluralistisch und solidarisch

Wir wollen und können ein breites Spektrum von Menschen und Initiativen ansprechen. Das macht für uns die Qualität unserer Arbeit aus und dazu sehen wir uns durch die Erfahrungen und auch Fehler des antifaschistischen Widerstands gegen den Nationalsozialismus verpflichtet. »Die Vernichtung des Faschismus mit seinen Wurzeln« und »der Aufbau einer Welt des Friedens und der Freiheit« geht nur gemeinsam, pluralistisch und solidarisch. In diesem Sinne wollen wir auch das jährliche Antifaschistische Jugendtreffen der VVN-BdA im Januar weiter unterstützen und es gemeinsam mit allen Gliederungen der VVN-BdA und TeilnehmerInnen zu einem Diskussions- und Aktions-Forum für antifaschistische (Jugend-) Gruppen, von autonomer Antifa bis Jusos und Grüner Jugend, GewerkschafterInnen und SchülerInnen, aber auch dem Ort der Begegnung der Generationen. Zu all diesen Vorhaben laden wir alle AntifaschistInnen herzlich ein. Wir freuen uns auf eine spannende Zusammenarbeit, gemeinsame Erfolge und kontroverse Diskussionen. Mitglied werden könnt ihr natürlich auch, als Einzelperson oder Gruppe.


www.vvn-bda.de
www.berlin.vvn-bda.org
www.npd-verbot-jetzt.de