»Blood & Honour«-Sektion Spanien vor dem Aus
Florian OsuchMit Haft- und Geldstrafen endete in Madrid ein Prozess gegen Mitglieder des spanischen Ablegers von »Blood & Honour«. Vierzehn Neonazis wurden zu Gefängnisstrafen bis zu dreieinhalb Jahren verurteilt. Drei Haupttätern wurden teilweise die bürgerlichen Rechte aberkannt. Das Gericht ordnete die Auflösung der Gruppierung an. Fast alle Angeklagten hatten Verbindungen zur neonazistischen Splitterpartei »Movimient Social Republicano« (MSR).
Vor dem Provinzgericht in Madrid endete Anfang Juli 2010 der Prozess gegen die spanische Sektion des internationalen Neonazi-Musik-Netzwerkes »Blood & Honour«. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Männer eine illegale Vereinigung gegründet, mit verbotenen Waffen gehandelt sowie zu Hass und Gewalt gegen Migranten aufgerufen hätten. Zwischen 1999 und 2005 war »Blood & Honour« in Spanien im Milieu von Neonazikonzerten, Tonträgerhandel und politischer Agitation tätig. Im Prozess verurteilten die Richter 14 von 18 Angeklagten und ordneten die Auflösung der Gruppierung an. Die Neonazis wurden zu Haftstrafen zwischen einem und dreieinhalb Jahren verurteilt. Damit blieben die Richter an der absoluten Untergrenze der möglichen Haftstrafen. Drei Haupttätern wurden zudem für die Dauer von sechs Jahren teilweise die bürgerlichen Rechte aberkannt. Sie dürfen in dieser Zeit nicht im Staatsdienst tätig sein und sich nicht zu Wahlen aufstellen lassen. Dies ist insofern bemerkenswert, als dass »Blood & Honour« eng verwoben war mit der neonazistischen Splitterpartei »Movimiento Social Republicano« (MSR). 16 der 18 Angeklagten waren Kandidaten der MSR im Jahr 2004.
»Blood & Honour« ist ein internationales Neonazinetzwerk, das europaweit Rechtsrockkonzerte organisiert und die dazugehörigen Tonträger vertreibt. Die Neonazis verfolgen insbesondere zwei Ziele: zum einen mit Konzerten und CD-Verkauf Geld für die Neonazi-Bewegung zu sammeln und zum anderen junge Menschen an die rechte Szene zu binden und zu politisieren. In der Bundesrepublik hatte sich eine deutsche Sektion im Jahr 1993 gegründet. Diese wurde im Jahr 2000 verboten.
Die Anklage stützte sich im Wesentlichen auf Ermittlungen der spanischen Sonderpolizei Guardia Civil, die sonst insbesondere für sogenannte Antiterrorismusverfahren gegen die linke baskische Unabhängigkeitsbewegung bekannt ist. Im April 2005 nahm die Guardia Civil 21 Personen unter dem Vorwurf der Mitgliedschaft von »Blood & Honour« fest und durchsuchte Wohnungen, Treffpunkte und Lokale. Fünf Männer kamen kurzzeitig in Haft. Neben umfangreichem Propagandamaterial und Tonträgern beschlagnahmte die Polizei damals auch Waffen, darunter zwei scharfe Pistolen.
Landesweites Netzwerk
Die Anklage in Madrid zählte drei Männer zur Führungsspitze der spanischen B&H-Sektion. Dazu gehörten die Gründungsmitglieder, sowie die operative Leitung. Robert Luengo Usano aus Madrid und Francisco José López Perea aus Jaén sollen die Organisation im Dezember 1999 gegründet haben. Usano, Angestellter eines privaten Sicherheitsdienstes, wurde Präsident. Er betreibt den Neonaziladen »Rivendel« in Madrid und soll entschieden haben, wer nach einer dreijährigen Anwärterschaft als Vollmitglied in den elitären Kreis von B&H aufgenommen wird. Organisationsintern habe Usano Anweisungen und Befehle an alle Kameraden erteilt, die später Bericht erstatten mussten. Ihre Zentrale hatte »Blood & Honour« in San Sebastián de los Reyes, einem Vorort nördlich von Madrid. Das Netzwerk erstreckte sich landesweit vom südspanischen Sevilla bis in den Norden nach Burgos und Zaragoza.
Als Nebenklägerin im Prozess trat die spanische NGO Movimiento Contra la Intolerancia (Bewegung gegen Intoleranz) auf. Ihr Vorsitzender Esteban Ibarra verwies darauf, dass mit dem Urteil erstmalig der Aufruf zu Hass und Gewalt gegen Migranten für illegal erklärt wurde und dieser nicht durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sei. Das Urteil habe Signalwirkung für zukünftige Prozesse, fügte er an. Ibarra beobachtet seit mehreren Jahren intensiv die neonazistische Szene in Spanien. Die Bewegung gegen Intoleranz publiziert jährliche Berichte über neonazistische und rassistische Aktivitäten. Als rechte Hochburg gilt insbesondere die Region Valencia. Dort verüben Neonazis regelmäßig Brandanschläge und andere Attacken gegen linke Lokale, Soziale Zentren und Büros der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung.
Das Urteil gegen B&H ist noch nicht rechtskräftig. Bislang sind alle Neonazis auf freiem Fuß. Antifaschisten gehen zudem davon aus, dass – falls das Urteil von einer oberen Instanz bestätigt werden sollte – einzig die drei genannten Haupttäter ihre Haftstrafen antreten. In Spanien ist es üblich, dass Haftstrafen erst ab einer Höhe von zwei Jahren vollstreckt werden, sofern die Verurteilten keine Vorstrafen haben. Im vorliegenden Fall wurden elf Neonazis zu einem Jahr Haft verurteilt.
Gegründet wurde B & H in den 1980er Jahren in England von Ian Stuart Donaldson, Sänger der Neonaziband »Skrewdriver«. Der Name – zu Deutsch »Blut & Ehre« – geht auf das gleichnamige Motto der deutschen Nationalsozialisten zurück. So war die Losung insbesondere bei der Hitlerjugend verbreitet, wo sie unter anderem auf Koppelschlössern und Fahrtenmessern eingraviert war.
Spaniens Rechte zersplittert
Die spanische Rechte bleibt indes weitgehend zersplittert. Rund ein Dutzend Vereinigungen buhlen um das geringe Potenzial rechts von der konservativen Volkspartei Partido Popular (PP). Gleich mehrere Parteien beziehen sich auf die Partei Falange des ehemaligen faschistischen Diktators Franco. Sie heißen »Falange Auténtica« oder »Movimiento Caólico Español« und bilden ideologisch einen Mix aus Konservatismus, Antikommunismus und katholischem Fundamentalismus. Im moderneren Gewand geben sich Parteien wie »Plataforma per Catalunya«, die als Rechtspopulisten bezeichnet werden und einige Mandate in Kommunal- und Stadtparlamenten besitzen. Die Partei »España 2000« verfügt insbesondere in der Region Valencia über große Unterstützung. Zu Aufmärschen von »España 2000« kommen regelmäßig bis zu eintausend Neonazis. Daneben gibt es zahlreiche Kleinparteien wie »Alianza Nacional«, »Combat España« oder »Democracia Nacional«. Sie verfügen über keine nennenswerten parlamentarischen Vertretungen, haben jedoch teilweise großen Einfluss auf lokale Neonazi- und rechte Skinheadstrukturen.
Seit einiger Zeit gibt es Bestrebungen, die Zersplitterung zu überwinden. So schlossen im Jahr 2009 erstmals drei Organisationen eine engere Kooperation: »España 2000«, »Frente Nacional« (FN) sowie »Movimiento Social Republicano« (MSR). Es bestehe die Notwendigkeit gemeinsamer politischer Kampagnen zur »Verteidigung der spanischen Arbeiter« sowie der »Zurückdrängung der Migration«, so die Neonazis.
Die Partei MSR – zu Deutsch »Sozialrepublikanische Bewegung« – kopiert teilweise die Ästhetik so genannter »Autonomer Nationalisten« in Deutschland. Inhaltlich postuliert sie ein Mix aus revolutionärem Patriotismus, nationalem Sozialismus und extremem Rassismus.
Mehr Informationen unter:
www.antifeixistes.org