S.H.A.R.P. - Skinheads Against Racial Prejudice
SKINTONIC Fanzine (Gastbeitrag)Für die letzten Ausgaben des Antifaschistischen Infoblattes (AIB) mußten wir von einigen Skinheads Kritik einstecken. Wir hatten nicht darauf geachtet, daß Skinhead nicht gleich Neonazi-Skinhead ist. Das ist richtig. Deswegen ist hier ein Artikel abgedruckt, der zeigen sollen, wo die Wurzeln der Skinhead-Bewegung liegen und daß es auch heute noch eine Menge Skinheads gibt, die sich gegen das Klischeebild von Neonazi-Glatzen wehren, sich sogar gegen Faschismus und Rassismus organisieren und die „Boneheads“ - wie sie die Neonazi-Glatzen bezeichnen - bekämpfen. Den Artikel durften wir aus dem Skinhead-Fanzine "SKINTONIC" (Nummer 5) - leicht gekürzt und redigiert - übernehmen.
Die „Boneheads“ machen einen erheblichen Teil der Skinheads aus und haben sich in den letzten Jahren in verschiedenen rechtsradikalen Organistionen organisiert. So existiert in England neben der populären Partei „National Front“ (NF), jetzt der „Blood & Honour“ Club um den Skrewdriver Sänger Ian Stuart.1 In den USA haben wir das „White Aryan Resistance Movement“ (WAR) von John Metzger aus dem Klu Klux Klan-Umfeld. In Deutschland2 haben wir neben den alteingesessenen extrem rechten Parteien NPD, FAP, NF nun auch noch die „Republikaner“ (REPs). In der Presse war nur noch von den „rechtsradikalen Skinheads“ die Rede. Skinhead ist mit dem Gros der rechtsradikalen Jugendlichen gleichgesetzt worden. Und nicht nur die Presse glaubt das, sondern die Boneheads selbst reden von der einzigen Skinheadbewegung, die mit „Asylanten, Negern und Linken“ nichts zu tun haben will.
Aber der Rassismus und Nazismus sind alt, wird gefördert von alten Männern. Die Skinhead-Sache in den Sechzigern war neu, war eine Jugendbewegung. Und wie Gewalt in der Gesellschaft eine „nornale“ Erscheinung ist, so fehlte sie auch nicht bei den Skinheads, damals wie heute. Aber war das Stichwort damals „black & white unite“, so hat sich der Kahn nun um 180 Grad gewendet. Es liegt nun bei den antirassistischen Skinheads, sich von den Neonazis zu distanzieren und die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, daß die rassistischen Skinheads eine Minderheit sind, die durch ihre spektakuläre Art sich mit Gewalt in der Öffentlichkeit zu präsentieren, erreicht haben, daß jeder Skinhead mit ihnen identifiziert wird. Skinhead ist und bleibt antirassistisch.
Jedes Kind weiß, daß die Skinhead-Roots als Adaption des jamaikanischen Rude-Boy-Stils starteten und daß das auch klar durch unsere Musik - Ska und Reaggae - weitergeführt wurde. Ein Skinhead tanzt zu Ska und drischt nicht Ausländern den Kopf ein. Wir lehnen Menschen ab, die sich zu stimmlosen Trägern und Schlägergarden von Weiße-Westen-Politikern machen lassen, wir haben unseren Spaß, wir leben unser Leben und lassen andere ihr Leben leben. Aufgrund der desinformierten Presse, die anscheinend mehr an Schlagzeilen interessiert ist als an objektiver Berichterstattung, sind wir in Vergessenheit geraten, aber es ist Zeit aufzuwachen und den Boneheads mal ganz gehörig die Meinung zu sagen, wir sind wieder da. The spirit of '69 lives on.
1986 gründeten sich in den USA eine Reihe antirassistischer Skinhead-Organisationen, die aufgrund der Presseberichterstattung, der immer stärker werdenden Klan-Skins und der Bedrohung des eigenen Lebens den Begriff Skinhead wieder ins rechte Licht rücken sollten. Eine von diesen Organisationen heißt S.H.A.R.P. - "Skinheads Against Racial Prejudice". Schwarze und weiße Skinheads stehen zusammen gegen den vom „WAR'“ verbreiteten Rassismus. Boneheads werden psychisch und physisch bekämpft. Wie schon Kühnen3 von Skinheads als „seinen Soldaten“ sprach, so gleicht sich, in gar nicht verblüffender Weise, das Bild der Beziehung zwischen amerikanischen und deutschen Neonazis. WAR-Chef Tom Metzger redet von den Skinheads als „Truppe, die in vorderster Front für die weiße Rasse steht ... wenn irgendjemand, Schwarze oder sonst wer, ihnen Ärger macht, sie zerschlagen ihn“. Neonazis mit geschorenen Haaren maschieren in erster Reihe auf Klan-Kundgebungen mit, attackieren Punks, Schwule und Farbige. So alt wie der Rassismus in den USA ist, so vehement vertreten ihn seine Befürworter. Die Aufmerksamkeit der Presse gehört ihnen.
Die S.H.A.R.P.- Skinheads wehren sich endlich gegen diese Presse und gegen die Rassisten in den eigenen Reihen. In New York haben Neonazi-Skinheads nichts zu lachen. Mitglieder von S.H.A.R.P. patroullieren in den Straßen, Schwarze machen Jagd auf „White Pride“-Skinheads. In der Hard-Core (HC) Szene wird mit Neonazis nicht viel Federlesen gemacht. In der HC-Szene sind Skinheads, vor allem in der N.Y.-City Szene kein seltenes Bild, sind ein nicht wegdenkbarer Bestandteil dieser Szene. Daß diese Skinheads mit dem traditionellem „Skinhead“ aus England nichts zu tun haben, sollte nicht stören. Diese Skinheads haben ihre eigene Kultur, eine neue, eigene Art von Skinhead. Da sich unter den HC-Skinheads gerade viele Schwarze und Farbige befinden, ist das eine Szene, die sich am stärksten gegen die Neonazi-Glatzen wendet.
Dennoch finden sich aber auch gerade bei den traditionellen Skinheads immer mehr zusammen, die durch Ska-Shows ihre Masse mobilisieren. Auf diesen Shows werden Flugblätter für S.H.A.R.P. verteilt, die Presse wird angesprochen. Kurz um, die Tage der Boneheads scheinen gezählt zu sein. Dieses Beispiel des Entschlossenen Widerstandes gegen die Nazis in den eigenen Reihen hat Schule gemacht. Roddy Moreno, Ex- Sänger von „The Oppressed“ und Besitzer von Oi/Ska-Records hat in Großbritannien selbst eine S.H.A.R.P.-Organisation gegründet. In GB hat die Skinhead-Bewegung mehr Beziehung zu ihren Roots als anderswo, so daß S.H.A.R.P. die Stimme der "Trojan Skins", "Rudeboys" und "Soul Boys" vertritt.
Roddy (32) wurde im Alter von 12 Jahren ein Skinhead. 1981 ging er zu „The Oppressed“, die sich 1984 wegen ständiger Auseinandersetzungen auf ihren Konzerten auflösten, kurz nach der Single „Work Together“. 1985 begann er mit Oi-Records, 1986 mit Ska-Records, 1988 gründete er S.H.A.R.P. und eine Ska-Band namens „The Rude Boys“. Roddy erzählt aus seinen Skinhead-Zeiten: " (...) Gewalt war immer in der Szene, aber das war so in der Working Class Jugend und wäre genauso gewesen ob nun mit oder ohne Skinheads. Rassismus existierte in der Szene nicht. Skinheads und Rudeboys, beide Schwarz und weiß gemischt zusammen ohne Probleme, so sah's aus. Natürlich gab es rassistische Skinheads aber genauso wie es ras sistische Banker und rassistische Milchmän ner gibt, aber die Skinhead-Szene war klar antirassistisch (... ) Während eines New York-Aufent haltes im November 1988 lernte ich einige Skins kennen, die S.H.A.R.P.-Flugblatter verteilten. Sie machten klar, daß echte Skinheads nichts mit rassistischen Boneheads zu tun hätten, die alle Aufmerksamkeit der Medien hatten. Diese Idee beeindruckte mich dermaßen, daß ich eine britische Abteilung eröffnete. Jeder Skinhead, der in der gleichen Weise denkt, kann in seiner Stadt das gleiche tun und wir sollten uns gegenseitig helfen, S.HA.R.P.-Gigs, Discos, Partys zu organisieren. Benutzt das S.H.A.R.P.-Logo, um das Wort bekannt zu machen, wo ihr könnt“.
Nun scheinen auch die deutschen Skinheads endlich aufzuwachen. In Berlin kann man sich für weitere Informationen an SKINTONIC wenden, wir vertreten S.H.A.R.P. in Berlin. Auch in Westdeutschland machen sich verschiedene Leute, wie zum Beispiel Charlie (Two Tone) daran, S.H.A.R.P. zu gründen. Jeder der es satt hat als Neonazi geschimpft zu werden, sollte sich beteiligen.
S.H.A.R.P. wendet sich gegen Rassismus in der Szene, gegen Gewalt in der Szene und S.H.A.R.P. bedeutet nicht zurückzukehren an den Anfang und den guten alten Skinhead-Zeiten von 1969 nachzutrauern, das brauchen wir nicht. Wir leben jetzt und heute und stehen jetzt als Skinheads gegen Faschismus und Rassismus, gegen Dummköpfe, die nur mit ihren Oberarmen denken. Wir hören und tanzen heute zu unserer Musik: Ska und Reaggae.