»Gegen den Zeitgeist«? Gerhard Löwenthal – Vorbild für rechten Journalismus
Gerhard Löwenthal, einst als Moderator antikommunistischer Fernsehsendungen und als Aktivist am rechten Rand der Unionsparteien bekannt, dient Rechtsintellektuellen heute als journalistisches Vorbild und als Namensgeber für einen Medienpreis.
Die Junge Freiheit hat Gerhard Löwenthal nicht vergessen. Als der Politikwissenschaftler Stefan Winckler letztes Jahr im be.bra-Verlag seine Biographie über den einstigen antikommunistischen Hardliner publizierte, da war das Rechtsaußen-Blatt zur Stelle und engagierte den Autor für einen Auftritt auf der Frankfurter Buchmesse. »Welche Bedeutung hat Löwenthal heute noch für die konservative Publizistik in Deutschland?«, wollte die Zeitung wissen – und Winckler stand ihr bereitwillig Rede und Antwort. Löwenthal habe sich offen »als Konservativer bezeichnet, in einer Zeit, in der dies aufgrund der Post-Achtundsechziger nicht gerade populär gewesen« sei, so zitierte die Junge Freiheit den Biographen. Damit habe der TV-Moderator »vielen Mut zugesprochen und als Vorbild gedient, die dem damaligen Zeitgeist ablehnend gegenüberstanden«. Dem »Zeitgeist« ablehnend gegenüberstehen – nun, tun das nicht auch heutige Rechte? Kann Löwenthal ihr da nicht ebenfalls als mutiges Vorbild dienen?
Gerhard Löwenthal, geboren am 8. Dezember 1922 in Berlin-Charlottenburg als Sohn eines jüdischen Kaufmanns, hat die NS-Zeit mit knapper Not überlebt. Am 9. November 1938 wurde er gemeinsam mit seinem Vater in das Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt. Beide kamen dank eines einflussreichen Verwandten bereits nach einem Tag wieder frei. Auch als Löwenthal im Februar 1943 von der Gestapo inhaftiert wurde, gelang es dem Verwandten, ihm aus dem Knast zu helfen. Nach der Befreiung im Mai 1945 habe er sich an Protestaktionen gegen Nazis beteiligt, schrieb Löwenthal später; noch 1951 schimpfte er öffentlich sogar über Studentenverbindungen: Das »zum großen Teil doch überholte und verstaubte Korporationsunwesen« halte einen »Ehrenkodex« und Fechtriten aufrecht, die »völlig indiskutabel« seien. In späteren Jahren hat Löwenthal in den Häusern von Burschenschaften Vorträge gehalten und sich auch sonst in rechtslastigen Kreisen bewegt. Dass er von den Nazis verfolgt wurde, macht ihn für Rechtsintellektuelle heute allerdings besonders attraktiv: Wer sich auf ihn beruft, kann – ähnlich wie im Falle der Adelsrevolte vom 20. Juli – die eigene rechte Haltung mit dem Nimbus des Nazigegners vergessen machen.
Den Nazigegner Löwenthal trieb im Laufe der Jahre der Antikommunismus nach rechts. 1946 begann er als 23-Jähriger seine Karriere beim Radiosender RIAS Berlin, der zunächst gegen die sowjetische Administration und später gegen die DDR agitierte. 1954 wechselte er zum Sender Freies Berlin. Nach einigen Jahren in Paris und Brüssel ging Löwenthal schließlich nach Mainz, wo er von 1969 bis 1987 das ZDF-Magazin moderierte. Es war die Zeit der sogenannten Entspannungspolitik, Ausgleich mit der DDR war angesagt – doch das ZDF-Magazin galt als Hort krassester antikommunistischer Reaktion. Eine Zeitlang berichtete Löwenthal in seiner Reihe »Hilferufe von drüben« über politisch Verfolgte in der DDR; als dies selbst dem ZDF zu viel wurde und der Moderator die »Hilferufe« nicht mehr senden durfte, gründete er einen gleichnamigen Verein, der das Projekt auf privater Ebene weiterführte. Der Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom berichtete schon vor Jahren, Löwenthal habe sich bei seinen antikommunistischen Aktivitäten für das ZDF-Magazin nicht nur auf nachrichtendienstliche Quellen stützen können. Er sei seinerseits vom BND unter dem Decknamen »Leoben« als Vertrauensjournalist geführt worden.
Löwenthal ist immer wieder auch jenseits seiner beruflichen Tätigkeit politisch aktiv gewesen, etwa bei der konservativen Deutschland-Stiftung, deren Präsident er von 1977 bis 1994 war, oder bei der antikommunistischen (Internationalen) Gesellschaft für Menschenrechte. Er war zeitweise Sprecher im Kuratorium des Fördervereins Konservative Kultur und Bildung/ Konservatives Büro in Bielefeld, in dem er unter anderem mit dem Münchener Adelsspross Caspar von Schrenck-Notzing, dem langjährigen Herausgeber der einflussreichen Rechtsaußen-Zeitschrift Criticón, kooperierte. Vor allem aber betätigte er sich bei der Konservativen Aktion, die 1981 von Franz Josef Strauß-AnhängerInnen gegründet wurde, nachdem dieser die Bundestagswahl 1980 verloren hatte. Auch die Konservative Aktion fiel vor allem durch antikommunistische Agitation auf (»Moskaus Partisanen sind unter uns«), durch Kundgebungen zum 17. Juni und zum Jahrestag des Mauerbaus. 1983 stemmten Mitglieder gar ein Loch in die Berliner Mauer, bevor ihre Jugendabteilung aufbrach, um im Rahmen einer »Aktion Heimkehr« nach Kreuzberg zu marschieren: Man bitte um Verständnis, hieß es in den Pamphleten der Organisation, dass Kanzler Kohl »im Interesse unserer Nation die Ausländerzahlen innerhalb der nächsten 10 Jahre in Deutschland durch Rückkehr in die Heimatländer halbieren muß«.
Die Konservative Aktion hat Nachwirkungen bis heute, obwohl sie sich 1989 auflöste. 1986 kam es in der Organisation zu einem heftigen Streit zwischen Löwenthal und dem Geschäftsführer Joachim Siegerist. »Als er immer frecher wurde und mich am Schlips packte«, erzählte Siegerist damals dem Nachrichtenmagazin Spiegel über Löwenthal, da habe der ZDF-Moderator in »Richtung Pistole« gegriffen: »Dort, wo er meist seine geladene Pistole trägt, war sein Hosenbund ausgebeutelt«. Was auch immer davon stimmen mag – Siegerist trat aus und gründete, während die Konservative Aktion umgehend in den Bankrott schlitterte, »Die Deutschen Konservativen«, die bis heute in der Republik ihr Unwesen treiben. Zu ihren ersten Handlungen gehörte übrigens eine Kampagne zur Freilassung von Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß aus alliierter Haft.
Auch ein zweiter Organisationsstrang wirkt bis in die Gegenwart fort. Caspar von Schrenck-Notzing, der einst im Bielefelder Förderverein Konservative Kultur und Bildung mit Löwenthal kooperierte, rief im Jahr 2000 die Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung ins Leben. Diese wiederum vergibt seit 2004 gemeinsam mit der Jungen Freiheit und Löwenthals Witwe Ingeborg (Löwenthal ist am 6. Dezember 2002 gestorben) den mit immerhin 5.000 Euro dotierten Gerhard-Löwenthal-Preis für Journalisten. Mehrere Autoren und eine Autorin der Jungen Freiheit haben den Preis mittlerweile erhalten, aber auch Prominenz wie die Verleger Herbert Fleissner und Wolf Jobst Siedler oder der Publizist Peter Scholl-Latour. 2009 sorgte die Preisverleihung an den Chefredakteur der evangelikalen Wochenzeitschrift idea Spektrum, Helmut Matthies, für einige Aufregung in der evangelischen Kirche: Matthies hatte die Auszeichnung nicht zuletzt bekommen, weil er idea Spektrum immer wieder für – nicht zuletzt antikommunistische – Anliegen der Jungen Freiheit geöffnet hatte. Deren Chefredakteur Dieter Stein wiederum ist seit 2007 Vorsitzender des Stiftungsrats der Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung. Seine Zeitung hat 2006 Gerhard Löwenthals Autobiographie neu aufgelegt. Denn der Mann fungiert in der Tat als Vorbild für die heutige Rechte, die ihn nach wie vor wegen seines Widerstandes gegen den »Zeitgeist« preist.