Rechter Konservatismus in Deutschland 1993
Die Zeit der kurzen Verunsicherung der »Neuen Rechten« während und kurz nach der Wiedervereinigung ist vorbei. Schien ihnen hier kurzzeitig eines ihrer Hauptthemen, die "Nationale Frage", aus der Hand genommen worden zu sein, schafften sie es jedoch in letzten drei Jahren sich sowohl organisatorisch straff zu etablieren, als auch ihren Einfluß über Themen wie Liberalismuskritik, Geopolitik usw. auszubauen. Munter fordert das »Christlich konservative Deutschland-Forum« der CDU eine engere Auseinandersetzung mit den (extrem) rechten "Republikaner" (REPs) und sitzt eh schon mit den rechten "Junge Freiheit"-Leuten zusammen. Tilman P. Fichter von der SPD wünscht sich Berlin als die deutsche Hauptstadt zurück, in der Diskurse zwischen Links und Rechts über die Nation möglich sind, und die PDS steht auf der Kippe diese Diskurse bereits öffentlich zu führen. Deshalb möchten wir in diesen Beitrag hauptsächlich die "Konservativen Gesprächskreise", die Lesekreise der »Jungen Freiheit«, die neuen und alten Denkzirkel und wer dahintersteckt aufzeigen.
Gesprächskreise, Zirkel und Seminare der »Neuen Rechten«, auf denen Kontakte in allen Richtungen liefen, gab es immer wieder und sind somit in den Kreisen nichts Neues. Auch der Kongreß »Initiative Deutschland 90« der drei »neurechten« Zeitschriften »Junge Freiheit«, »wir selbst« und »Zeitenwende« (die damals noch »Europa« hieß) im Herbst 1990 lief, verglichen mit dem Stand heutiger Tagungen, eher wenig erfolgreich ab. Der Berliner Detlef Kühn (FDP) und damals noch Präsident des »Gesamtdeutsche Institut – Bundesanstalt für gesamtdeutsche Aufgaben (BfgA)« in Bonn, referierte auf der Tagung während Anhänger der neonazistischen FAP zu gröhlen begannen. Anschließend trug der Sänger Stephan Raber "deutsches Liedgut" vor. Der Sänger hatte wohl zumindest eine Vergangeneit weit rechts von konservatven Kreisen.1 Zwar wurden auf Treffen etliche Vereinbarungen zur Zusammenarbeit unter den rechten bis extrem rechten Zeitschriften vereinbart, doch von einer guten Außenwirkung in Form einer Initialzündung war nichts zu bemerken.
Die Lesekreise der JF - eine »konservative Graswurzelrevolution«?
Was eine Veranstaltung nicht leisten kann, müssen viele versuchen, war das Resümee. Seit Mitte 1991 boomen die von der »Jungen Freiheit« initierten Leserkreise, von denen sie sich eine rechte "Graswurzelrevolution" erhoffen. Dieter Stein, Chefredakteur der Zeitung, die ab Januar 1994 wöchentlich erscheinen will, beschreibt diesen Versuch so: »Das sich der Konservativismus ursprünglich gerade nicht um Parteien gruppierte, sondern um Zeitschriften, Zirkel und coragierte Persönlichkeiten wird gerne vergessen. Inzwischen scheint sich diese Erkenntniss wieder durchzusetzen, daß das Zentrum nicht eine Partei sein kann, sondern ein vielfältiges politisches, kulturelles und publizistisches 'Kapilarsystem' (Weißmann) durch das konservative Vorstellungen in breite Schichten sickern können.« Nach der Theorie des italienischen Kommunisten Gramsci unternehmen sie den Versuch, eine »kulturelle Revolution von rechts« zu starten.
Dabei kommt es für sie nicht darauf an, auf eine bestimmte Partei wie die REPs zu setzen, sondern sich möglichst viele Optionen offen zu halten, in Diskussion mit den verschiedensten gesellschaftlichen Kräften zu kommen und Einfluß darüber im Denken der Menschen zu gewinnen. Das Ganze klingt kompliziert und läßt sich anhand einiger Beispiele leichter erklären. Am Anfang stand die Gründung der JF-Leserkreise. In Städten, in denen Mitarbeiter saßen, schossen sie aus dem Boden: München, Dortmund, Frankfurt, Berlin etc.. Sie hielten Seminare mit konservativen Professoren und den honorigen Rechtsaußen der CDU ab. Am rührigsten waren der »Konservative Arbeitskreis Gießen/Mittelhessen«, der »Literaturkreis e.V.« aus Karlsruhe, der »Jungkonservative Club« aus München (Veranstaltungs Leiter u.a. Alexander Wolf) und der Mannheimer »Konservative Arbeitskreis Rhein/Neckar«. Ein "Konservative Gesprächskreis Hannover e.V." wird von Hans Joachim Baumbach und Eberhard Klas geleitet. In Mannheim gab es den "Konservativer Arbeitskreis Rhein/Neckar" um Roland Bubik und in Hannover ein "Lesekreis in Gründung" um F. Klänhammer. In Leipzig warb Michael Graf für einen "Gesprächskreis". In Berlin lief der JF-nahe Kreis über Helge Drescher. Einen anderen "Gesprächskreis" bewarb u.a. Dieter Kretlow. In Münster versuchten Stefan Leschniok und Arnd von Rüden einen "konservativen Gesprächskreis" aufzubauen, gleichermaßen für Graz/Steyermark durch Rene-Lysander Scheibe. In Weimar sucht ein "Nationalkonservativer Lesekreis" für Thüringen über Kurt Henning um Mitglieder. In Würzburg/Franken wirbt Bernhard Kern um Mitglieder. In Oldenburg sei ein "Konservativer Arbeitskreis in Vorbereitung". In Koblenz nennt man sich "Forum Res Publica - überparteilicher Koblenzer Gesprächskreis für Staat und Volk", in Dresden sei ein konservativer AK »Fritz« in Gründung. In Krefeld ist der "Gesprächskreis Deutsche Politik" mit Kontakt über "Gesamtdeutscher Studentenverband HGrKR" intiert worden und in Freiburg sucht H. Pfennig über ein Postfach "konservative Gesprächspartner".
Schrenck-Notzing will weiter vernetzen und bilden
Doch zeigt sich schon am »Konservativen Arbeitskreis Gießen/Mittelhessen« die Verstrickungen, die für die sogenannte konservative Graswurzelrevolution typisch sind. Als Kontaktadresse des Arbeitskreises werden jeweils Raimo Benger und Boris Rupp, beide kommen von der »Jungen Freiheit«, angegeben. Rupp (ehem. REPs) zog sich jedoch 1991 von seinen Posten als stellv. Chefredakteur zurück und widmet sich seitdem wieder der Parteiarbeit innerhalb der CDU. Die beiden initiieren die Veranstaltungen jedoch nicht allein. Die Organisation im Hintergrund nennt sich »Institut für konservative Bildung und Forschung« (IKBF), die seit 1992 wieder verstärkt ihre Tätigkeit aufnahm. Kontaktadresse der IKFB ist eine Anschrift in der Knöbelstraße in München, die jedem »Criticon«-Leser geläufig ist, denn von hier aus zieht Caspar von Schrenck-Notzing seine Fäden. Notzing, Rupp, Benger und Thomas Mayer, von der (extrem) rechten Burschenschaft »Dresdensia-Rugia« unterzeichneten gemeinsam die Gründungserklärung.
Und diese Mischung spiegelt sich auch in den eingeladenen Referenten wieder. Hier findet man Gunnar Sohn von der CDU und Johanna-Christina Grund von den REPs neben H. Schlechte von der Gauck-Behörde. Heinrich Lummer von der CDU wird ebenso wie Rolf Schlierer von den REPs hoffiert. Als der Giesener Arbeitskreis unter antifaschistischen Druck gerät, beschließt er, seinen Arbeitsschwerpunkt nach Wetzler zu verlegen und sich in »Konservativen Gesprächskreis Wetzlarer Forum« umzubenennen.
Die Veranstaltungen gingen weiter mit dem »Christlich konservativen Deutschland Forum« (CKDF) und Michael Jach von der Bonner "Focus"-Redaktion. Das Konzept der Leserkreise ist die Bildung kleiner »Think Tanks«, Treffpunkte von Politikern, Massenmedien und Geld. Es werden neue Ideen zur Gestaltung »Mitteleuropas« und zur Bildung einer neuen politischen Elite diskutiert.
All jenen Mankos der REPs, die sich bei der »fehlenden Intellektualisierung ihren Führungskräfte« gezeigt haben, versuchen die Lesekreise und Denkzirkel entgegenzuarbeiten. Schrenck-Notzing hat dafür eigens den »Förderverein Konservative Kultur und Bildung« und ein ihm angeschlossenes »Konservatives Büro« in Bielefeld mit gesamtdeutschem Radius errichtet. Außenposten gibt es bereits in Bad Hersfeld und Jena. Dem Vereinskonzept liegt folgende politische Erkenntniss zu Grunde: »Keine politische Macht ohne kulturelle Hegemonie'(Gramsci) (...)". Die geistig-politische Situation des Konservativismus in Deutschland sei weitgehend verkümmert bzw verwildert und atomisiert und soll "mit ihrer Hilfe in ihrer fruchtbaren Vielfalt in einen Prozeß der Selbstvergewisserung und Kommunikativen Vernetzung (Infrastrukturbildung) wieder zu Entfaltung gebracht werden." Initiiert wurde der Bielefelder Verein u.a. von Gerhard Löwenthal und Dr. Werner Roth. Kuratoriumsmitglieder sind Christa Meves (geborene Mittelstaedt), Hans Graf Huyn (alias Johannes Georg Carl Friedrich Huyn), Prof. Karl Wilhelm Steinbuch, Lothar Groppe (Pater der Societas Jesu) und eben Caspar von Schrenck-Notzing. Vom »Konservativen Büro« aus würden Zeitschriftenübersichten, Veranstaltungs-,Informations- und Referentendienste weitergegeben »um die vorhandenen Potentiale nach innen besser zu verknüpfen und außen die öffentliche Wirkung und Einflußmöglichkeiten zu verbessern«.
Der Rechtsaußenflügel der Union
Über die Aktivitäten von Werner Roth und Baldur Jahn (Mitarbeiter der JF), die sich um eine bundesweite Ausdehnung der ostdeutschen Rechtspartei "Deutsche Sozialen Snion" (DSU) bemühten, berichteten wir bereits im Antifaschistischen Infoblatt (AIB) Nr. 23. Die engen Kontakte, die die Rechtsaußen der CDU ins (extrem) rechte Lager der "Denkzirkel" haben, führten auch in ihren Reihen seit Anfang 1992 zur Bildung von »Konservativen Gesprächskreisen« oder »Wertkonservativen Kreisen«.
Es entsanden der »Karlshorster Kreis« in Berlin, der »Potsdamer Kreis«, der »Peterberger Kreis« in Hessen und »Konservative Gesprächskreise in Stuttgart und Thübingen, in Mecklenburg wurde ein »Diedrichshägener Kreis« gegründet, der sich als konservativer Interessensverbund in der "Jungen Union" versteht. Sie haben die Argumente der »Neuen Rechten« bereits verinnerlicht. Ihre Forderung nach einem Europa der nationalen Eigenständigkeit entgegen dem verschwommenen Konzept einer konturlosen europäischen Kultursuppe sind vom Wortlaut her nicht mehr zu unterscheiden.
In der Juni 1992 Ausgabe der "Jungen Freiheit" (JF) plädierte der bayerische JU-Funktionär Andreas Kalbitz »für einen rechten Aufbruch in der CDU/CSU. Erst wenn weit mehr inhaltlich orientierte Streiter der nonkonformistischen Rechten mit/quertreiben, wird sich (...) (das) Fahrwässerchen stauen lassen, um als Flut der Erneuerung politische wie personelle Altlasten wegzuwaschen und - wenn nötig - zu ertränken, wenn, ja wenn bis dahin die wenigen Streiter dieser Couleur den verkommenen Gefechtsstand der Union nicht aufgegeben und sich einer noch unverbrauchten politischen Kraft zugewandt haben.«
Doch vor der Aufgabe folgte am 5. November 1992 die Gründung des »Christlich konservativen Deutschland-Forums« auf dem Rheinschiff »Bonna«, nachdem die Fraktion die Räume zurückgezogen hatte. Elf Bundestagsabgeordnete ließen sich dennoch nicht abschrecken bei der Gründung mit dabei zu sein. Sprecher wurden die MdB Claus Jäger und Rudolf Krause (mittlerweilen zu den REPs übergetreten, siehe AIB Nr. 23) sowie der CDU-MdL Wolfgang Nowak. Andere aus der Runde sind bereits aus den meisten JF-Lesekreis-Vorträgen bekannt wie z.B. Gerhard Löwenthal und Klaus Hornung von der Uni Stuttgart-Hohenheim.
Es folgte die Gründung von Landesverbänden des CKDF, obwohl die CDU die Gründung von besonderen Arbeitskreisen, aber auch Zirkeln, strikt abgelehnt hat. Sieben Länderforen bestehen bereits. Sieht man zum Landesverband BaWü, so schließen sich manche Kreise wieder: Im Sprecherrat des Landesforums des CKDF sitzt hier Roland Bubik, ehemaliger stellv. Chefredakteur der »Jungen Freiheit«. Auf das »Wertefundament«, welches das CKDF mit dem christlich-wertkonservativen Teil der »Neuen Rechten« teilt, braucht man erst gar nicht einzugehen. Es ist nahezu identisch. In Kirchberg sucht Jörg Schmidt Mitglieder zum Aufbau einer parteiinternen konservativen Gruppe. In Kierspe wirbt ein CDU-Arbeitskreis für konservative Politik und Kultur als "Konservativer AK Mark/Oberberg" mit Treffen (zweimonatlich) von Peter-Christian Schröder. In Offenbach-Hanau sucht Rainer Bauer Interessenten zur Gründung eines "Konservativen Arbeits- u. Gesprächskreis".
Sonstige rechte Kreise
Rechte FDP-Anhänger bilden den "Stresemann-Club" als einen "rechtsliberaler Freundeskreis, in dem sich sächsische Jungliberale und parteilose Jugendliche zusammengeschlossen haben". Er ruft alle nationalgesinnten und rechtsstaatstreuen zur Mitarbeit auf und trifft sich monatlich in Dresden und Leipzig. Veranstalter ist Th. Böhme aus Dresden. In Hessen sei ein weiterer "Stresemann Club" von A. Trottnow (Hanau) in Gründung.
Die Anmeldung zu einer rechten "Bonner Runde" laufen gleich über den "Criticon-Verlag" in München. Ein rechtes "Dienstags-Gespräch" nach dem Vorbild des »Düsseldorfer Herrenclubs« (von Carl Zimmerer) hat zum Ziel, einen Kreis aus Wirtschaft und Medien zu etablieren. Die Anmeldung zu »Das Dienstagsgespräch« läuft über Hans-Ulrich Pieper in Berlin.
Und alle unter einem Dach ?
Wir haben die Entwicklungen der letzten drei Jahre im konservativen Spektrum noch einmal genauer geschildert, um die Ergebnisse des Sommer 1993 besser zu verstehen zu können. Die Zeitung "Junge Freiheit" mausert sich zum aktuellen Flagschiff der "Neuen Rechten". Nicht nur das die »Junge Freiheit« in ihrer Sommerpause nach Potsdam, in die Nähe des künftigen Machtzentrums übergesiedelt ist, sie veranstaltete auch ihre erste »Sommeruniversität« in Ravensburg unweit vom Bodensee.
Die rund 70 Teilnehmer kamen aus den einzelnen Lesekreisen und die Referenten spiegeln den oben geschilderten Bereich wieder. Hans-Ulrich Kopp ("Burschenschaft Danubia" und »JF«-Mitarbeiter) leitete die Tagung, nachdem er erst vor Wochen in engstem Gedankenaustausch mit dem Mainstream der »Deutschen Liga« auf der Jahrestagung der »Gesellschaft für freie Publizistik« gestanden hatte (u.a. Karl Richter, Peter Dehoust, Rolf Kosiek). Davon ließ sich Claus Jäger (CKDF) in seinem Einleitungsreferat ebenso wenig verwirren wie die restlichen Referenten.
Das Ganze liest sich wie ein "who is who" der deutschen und europäischen (extremen) Rechten und der Braunzone. Andreas Mölzer (FPÖ) diskutiert mit Rolf Schlierer (REP), Klaus Hornung läßt sich über Faschismus/Antifaschismus aus, Robert Steuckers, einer der Köpfe der europäischen »Neuen Rechten« aus Belgien (Mitglied der GRECE, Hg. von »Voloire«) schildert den Mikrokosmos der »Konservativen Revolution« in Belgien, Friedrich Romig, Günter Maschke und Klaus Kunze arbeiteten an der Carl Schmidt-Renaisance usw. Das Leitthema war die »Konservative Revolution« der Weimarer Zeit und zog sich durch alle Referate.
Es ist genau jener Hebel, über den die sog. »Neue Rechte« ihre Ideen geliefert bekommt, die Vorläufer des Nationalsozialismus und ihre Nebengebiete. Ob sich Franz Uhle-Wettler (er baut mittlerweilen den Landesverband Niedersachsen der DSU auf) über das "Soldatische" bei Ernst Jünger ausläßt, oder Götz Kubitschek das Schaffen von Ernst von Salomon würdigt, läuft auf
das Gleiche hinaus: Der Rehabilitierung der Ideen, die den Faschismus damals hoffähig gemacht haben2
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Der Einfluß ins »Linke Parteienlager«
Auf eben jenen »Sommersemester« der JF spricht Donoso Belgrano noch eine weitere Strategie (neben der des direkten Einfluß aufs konservative Lager) der »Neuen Rechten« an: In seinem Referat über das Verhältniss von Carl Schmidt zum Kommunismus in der Weimarer Republik blickt er in die Zukunft: »Die von linker und rechter Seite thematisierte nationale Identität - war doch die KPD auf ihre Weise eine betont nationale Partei - ist geeignet, der lauen Mitte Schrecken einzujagen.« Belgrano schildert weiter, daß es ermutigende Anzeichen dafür gibt, daß Teile der selbstbewußten Linken auf einen Renationalisierungsprozeß vorbereitet sind.
Das sich eben jener Seminarleiter, Hans-Ulrich Kopp, zusammen mit Pierre Krebs (vom »Thule-Seminar«-Kassel) und Karl-Heinz Weißmann (auch ein Vordenker in »Mut«, »Criticon« und »Junge Freiheit«) auf einem Wochenendseminar der FDP-nahen "Thomas-Dehler-Stiftung" mit ihren Thesen tummeln dürfen ist ebenso Realität wie die Gründung von »Stresemann-Clubs« und rechtsliberaler Freundeskreise in Dresden, Leipzig und Hessen.
In der SPD spielt sich die parallele Entwicklung mit der Herausbildung der "Hofgeismarer Kreise" in den Jusos ab. Sie wurden von Tilman Fichter, dem heutigen Leiter der Parteischule, nach dem Seminar mit der Friedrich-Ebert-Stiftung unter Kuratell gestellt. Erst vor kurzem stellte Fichter sein neues Buch »Die SPD und die Nation« aus der Zitelmann-Reihe des Ullstein-Verlages vor geladenem Publikum vor. Laut JF gibt Fichter unumwunden zu, daß er an die Szenerie der Weimarer zwanziger Jahre anknüpfen will, »wo linke Leute von rechts und nationale Leute von links kamen«. Berlin solle die »geliebte Hauptstadt« sein, in der Diskurse zwischen links und rechts über die Nation möglich sind. Dies wird logisch, wenn man sich noch die Einschätzung des SPD-Landesvorsitzenden von Brandenburg, Steffen Reiche, ansieht. Unter dem Motto, ich bin stolz, ein Deutscher zu sein, behauptet er: »Dieses nationale Gefühl zu betonen müsse legitim sein, um die Leute vor den Rechtsextremen zu retten. Nationaldenkende werden durch den Antinationalismus der Linken erst zu Rechtsextremen gemacht«.
Das erfreute die Zuhörer Peter Brandt und Herbert Ammon, beide von der »Linken Deutschland Diskussion« (LDD) Anfang der 1980er Jahre bestens aus "nationalrevolutionären" Kreisen bekannt. Fichter und Peter Brandt gehören zusammen mit Thomas Schmid zur Berliner Gruppe um SPD-Vordenker Peter Glotz. Die Kontakte von ihnen zu "Nationalrevolutionären" in der Vergangenheit sind offene Geheimnisse. 1985 wurde Fichter noch zur Verantwortung gezogen, als er eine von Nationalrevolutionären verfasste »Denkschrift« zur Wiedervereinigung Deutschlands gemeinsam mit Alten Nazis und Neofaschisten unterzeichnet hatte. 1986 ließ er Henning Eichberg im SPD-offiziellen Lexikon des Sozialismus schreiben. Eichberg ist einer der führenden Köpfe der »Neuen Rechten«. So ließe sich weiter über Glotz und seine engen Kontakte zu Eichberg usw. berichten.
Das Entscheidende jedoch ist, daß seit längerem einige SPD-Vordenker auf die Besetzung der »Nationalen Frage« setzen und aus diesen Grund auch die Nähe zu "Nationalrevolutionären" und den »Neuen Rechten« - um deren ureigenstes Thema es sich handelt — nicht scheuen.
Die PDS kam in letzter Zeit noch etwas unfreiwilliger zu dem Kontakt. Sie sucht die »Neue Rechte« zwar nicht, auch wenn sie zum Teil versucht, die »Nationale Frage« (was auch immer das ist) von links zu besetzen, wird aber immer wieder von (Neo)Faschisten gefunden. Der Fall Christine Ostrowski (geb. Pippig) wurde vom »Neuen Rechten« Bert Wawrzinek (siehe AIB Nr. 23) genüsslich kommentiert. Nun gehen sie nach den Gesprächserfolgen mit Parteikommunisten in Frankreich in eine neue Offensive über. Gregor Gysi wurde mit Dieter Stein (Chefredakteur der »JF«) zusammen auf ein Podium zur 1000-Jahrfeier in Potsdam geladen und in der September-Ausgabe der JF wird Johann Scheringer (Fraktionsvorsitzender der PDS im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern) auf einer ganzen Seite interviewt. Mehr dazu, und zu der erlangten Lehrtätigkeit von Henning Eichberg an einer Universität in Stuttgart im nächsten AIB.
Ein "Hofgeismarer Kreis" für rechte Jusos sucht Kontakt zu "national und sozialdemokratisch gesinnten Leuten". Ein Ansprechpartner ist Harald Heinze aus Leipzig. In Berlin werden "patriotische SPD'ler" zur Gründung einer nationalen SPD/Juso-Gruppe gesucht, die bereit sind, sich für eine „gesunde nationale Volksgemeinschaft“ einzusetzen. Als Kontakt wird ein Postfach (Töpfer) in Berlin genannt, das passt zu Peter Töpfer der gegenwärtig für eine "Nationale Linke" aktiv ist.
"Junge Freiheit" - Wer steckt eigentlich dahinter?
Die Frage beantworten die AutorInnen der "Jungen Freiheit" (JF) im Juni 1991 im Rahmen einer Image-Kampagne mit einer großen Werbe-Anzeige. "Wir. Ein Haufen verrückter Idealisten, die eine profesionelle Alternative auf dem vollgestopften deutschen Medienmarkt etablieren wollen. Sonst nichts." Einige Aspekte zur Rechtsaußen-Vergangenheit und Tätigkeiten einiger Akteure wurden jedoch "vergessen" zu erwähnen, die wir daher der Vollständigkeit halber im Anschluß ergänzen:
- Raimo Benger; Jahrgang 1964; Rechtsreferendar; Abitur 1983 in Meinerzhogen/Westf.; 1983-84 Wehrdienst in Hemer/Westf.; 1984-1990 Studium der Rechtswissenschaften in Gießen; 1990 1 .jur. Staatsexamen. JF-Ressort "Politik".
- Peter Boßdorf; Jahrgang 1962; Student; Abitur in Meerbusch; Wehrdienst; andauerndes Studium der Volkswirtschaftslehre in Bonn; verheiratet. JF-Ressort: "Wirtschaft, Kultur". Nicht erwähnt sind seine Autorenschaft im Neonazi-Blatt "Nation und Europa", seine Kandidatur für die REPs in Bonn, seine Zugehörigkeit zum neonazistischen "Thule Seminar" und seine Tätigkeit für den "Gesamtdeutschen Studentenverband" (GDS).
- Roland Bubik; Jahrgang 1970; Student; 1989 Abitur in Ravensburg; danach Helfer bei der Alten und Behindertenpflege in London; seit 1990 Studium der Betriebswirtschaftslehre; Geschichte und Politik in Mannheim. JF-Ressort: "Politik, Zeitgeist". Er war wohl früher Funktionär in der CDU-Jugend und sicherte sich ein Stipendium der "Konrad-Adenauer-Stiftung". Bubik soll sich früher auch im Umfeld der REPs bewegt haben und auch als "Gerhard Prinz" publizieren.
- Jürgen Hatzenbichler; Jahrgang 1968; Student; Abitur 1987 in Klagenfurt/Österreich; Studium der Philosophie und Geschichte; seit 1989 Redakteur bei den Kärntner Nachrichten, Aula und Chefredakteur der Zeitschrift Identität. JF-Ressort "Politik, Ethnopluralismus". Hatzenbichler Autorenschaft im Neonazi-Blatt "Nation und Europa" wurde verschwiegen. Er war zeitweilig als ein Ansprechpartner des neonazistischen "Thule Seminars" und des "Synergies Europeennes" in Österreich benannt. In seiner Jugend war er in den neonazistischen Kreisen der "Aktionsfront Nationaler Sozialisten", der "Wiking Jugend" und der "Nationalen Front" aufgefallen.
- Regula Heinzelmann; Jahrgang 1955; Journalistin; Handelsmatur im Aargau/Schweiz; Jurastudium in Zürich; 1981 Abschluß mit lic.jur; tätig hauptsächlich für Wirtschaftszeitungen; Veröffentlichung: „Umweltschutz - Herausforderung und Chance" (Verlag FAZ 1991); JF-Ressort "Wirtschaft und Umwelt".
- Hans-Ulrich Kopp; Jahrgang 1962; Student; Abitur 1980 in Stuttgart; Wehrdienst im Stab des II. Korps in Ulm; Ausbildung zum Bankkaufmann; Tätigkeit in der Industrie; Ein in Wien und München absolviertes Studium der Allgemeinen, Englischen und Deutschen Sprachwissenschaft schließt er derzeit ab; JF-Ressort "Politik, Zeitgeschichte". Warum zu Kopps politischen Tätigkeiten so wenig gesagt wird bleibt erstaunlich. Immerhin ist nebenbei als umtriebiger rechter Netzwerker tätig und war bzw. ist in den Strukturen des "Republikanischen Hochschulbund", der "Burschenschaft Danubia", des "Der Witikobund" und des "Studienzentrum Weikersheim" tätig.
- Götz Meidinger; Jahrgang 1957; Kaufmann; Abitur 1976 in Stuttgart; 1977-78 Wehrdienst; 1976-82 Studium der Wirtschaftswissenschaften; 1982-84 Promotion zum Dr.rer.oec.; seit 1984 als Kaufmann in der Industrie tätig; JF-Ressort "Zeitgeschichte, Politik". Ein Götz Meidinger wurde auch in den Kreisen der REP Abspaltung "Freiheitlichen Volkspartei" bekannt.
- Andreas Molau; Jahrgang 1968; Student; Abitur 1987 in Wolfenbüttel; 1987-88 Wehrdienst in Clausthal-Zellerfeld (2 PSV 800); seit 1988 Studium von Deutsch und Geschichte in Göttingen; JF-Ressort "Kultur". Molau wird als Autor bei "Nation und Europa" und "Das Ostpreußenblatt" benannt und ist in den Strukturen der "Deutschen Gildenschaft" (DG), der "Deutschen Hochschulgilde Trutzburg Jena zu Göttingen" und der Publikation "Deutscher Almanach" vernetzt.
- Gerhard Quast; Jahrgang 1961; Student; Nach Mittlerer Reife Ausbildung zum Zollbeamten; Streifendienst an der Innerdeutschen Grenze; Wehrdienst; 1987 Abitur über den
zweiten Bildungsweg; Seit 1987 Studium der Politik, Ethnologie und Soziologie; Chefredakteur der Zeitschrift "Wir Selbst"; JF-Ressort: "Ethnopluralismus". Ein Gerhard Quast war zeitweiliger ein Redakteur der REP-Mitgliedszeitung „Der rheinland-pfälzische Republikaner"
- Boris Rupp; Jahrgang 1965; Kaufmann; Abitur 1984 in Wetzlar; Ausbildung in einem kaufmännischen Beruf; Arbeitet in seinem erlernten Beruf; Nebenher tätig als freier Journalist; Seit August 1988 bei der JF; ab August 1990 Stellvertretender Chefredakteur der JF und Leiter der Anzeigenverwaltung. Unerwähnt blieb: Boris Rupp war früher führender Funktionär im Parteivorstand der "Die Republikaner"
- Martin Schmidt; Jahrgang 1966; Student; Abitur 1986 in Braunschweig; Wehrdienst 1986-87; seit 1987 Studium der Geschichte und Germanistik in Erlangen und z.Zt in Freiburg; JF-Ressort "Ethnopluralismus, Politik".
- Dieter Stein; Jahrgang 1967; Student; Abitur 1988 in Stegen/Freiburg; 1988-89 Wehrdienst beim Panzeraufkärungsbataillon 3 in Lüneburg; seit 1989 Studium der Geschichte und Politik in Freiburg; Chefredakteur der JF. Bereits 1987 tauchte ein "Dieter Stein" zusammen mit den bekannten Neonazis Michael Krämer und Steffen Hupka im Impressum des Kleinstblattes "Freie Umschau" auf. Dieter Stein war zumindest bei den Republikanern aktiv und wurde Vorsitzender des "Republikanischen Hochschulbundes" in Freiburg. Später war er ein "Landessekretär" der REP-Abspaltung "Freiheitliche Volkspartei" (FVP). Er zählt zur "Deutschen Gildenschaft" und ist stellvertretender Vorsitzender eines "Förderkreises zur Wiedervereinigung Deutschlands. Unitas Germanica e.V."
- Stefan Ulbrich; Jahrgang 1963; Verleger; Abitur; Wehrdienst; Studium des technischen Umweltschutzes; Dipl.Ing. (FH); Heute selbständig als Autor und Herausgeber mehrerer Bücher zu politischen und esoterischen Themen; Betreibt einen eigenen Verlag und ein DTP-Sludio; Verheiratet; zwei Kinder. JF-Ressort "Politik". Unterschlagen wird den LeserInnen in der Biographie seine frühere Funktion als "Horstleiter" der neonazistischen "Wiking-Jugend".
- Angelika Willig; Jahrgang 1963; Abitur 1981 in Berlin; Studium anfangs der Medizin, dann der Philosophie und Latein in Freiburg und München; MA-Abschluß 1989; danach einige Monate redaktionelle Tätigkeit in Hamburg; seither in München an einer Dissertation über das Verhältnis Heidegger Jaspers; JF-Ressort "Kultur".
- Markus Zehme; Jahrgang 1965; Student; Abitur 1985 in Königstein/Taunus; 1985-86 Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Frankfurt/Main; 1986-87 Wehrdienst; seit 1987 Sludium der Publizistik, Volkswirtschaft und Geschichte an der Universität Mainz; JF-Ressort "Politik". Auch Zehme stammt aus dem Kreis der REPs. In der Mitgliederzeitung »Der Rheinland-Pfälzische Republikaner« war 1989 ein Aufruf zur Gründung des "Republikanischen Hochschulverband" (RHV) in den dortigen Hochschulstädten zu finden. Die Organisation sollte durch den »Landesbeauftragten« Markus Zehme, zu erreichen über den REP-Kreisverband Mainz-Stadt der REPs, erfolgen.
- 1Ein Stephan/Stefan Raber war Publizist u.a. in den Kreisen der "Wiking-Jugend" oder des "Förderverein Junges Deutschland" in Münster. Beim 19. NPD-Bundesparteitag 1985 in Neustadt/Weinstraße landete ein Stephan Raber sogar im Parteivorstand.
- 2Vgl. JF-Sommeruniversität 1993 in Ravensburg: Parlamentarismus- und Demokratiekritik, Faschismus und Antifaschismus, Carl Schmitt, Soldatisches und Ästhetisches Taschenbuch von Michael Hagebock (Herausgeber, Vorwort), Rolf Schlierer (Autor), Andreas Mölzer (Autor), Klaus Hornung (Autor), Friedrich Romig (Autor), Klaus Kunze (Autor), Dag Krienen (Autor), Donoso Belgrano (Autor), Günter Maschke (Autor), Franz Uhle-Wettler (Autor).