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Nick Greger – Umgestiegen statt ausgestiegen

Einleitung

Der deutsche Nick Greger war jahrelang aktiver Neonazikader. 2005 verließ er mit Hilfe des Bundesprogramms EXIT die Neonazi-Szene. Nun, sieben Jahre später, gilt er als Schlüsselfigur einer anti-islamischen Rechten. Sein Interesse für Waffen ist ungebrochen, vieles weist zudem auf Verbindungen zum norwegischen Attentäter Anders Breivik hin. 

Paul Ray (rechts) und Nick Greger (links) posieren im Internet mit einem Loyalisten-T-Shirt. (Bild dokumentiert von lionheartuk.blogspot.de)

Gregers Werdegang

Greger war seit seiner frühen Jugend in der neonazistischen Szene aktiv. Einige Monate lang war er Mitglied der NPD. Wegen rechtsmotivierter Körperverletzungen und Sachbeschädigungen musste er mehrmals Haftstrafen antreten. Überregionale Bekanntheit erlangte er im Jahr 2000, mitt­lerweile nach Berlin verzogen, traf er damals auf den Brandenburger Neonazi Carsten Szczepanski, der zugleich unter dem Decknamen »Piato« für den Verfassungsschutz als V-Mann tätig war. Greger berichtete von einem Auslandsaufenthalt, bei dem er den Umgang mit Sprengstoff lernte. Szczepanski bat ihn am Rande eines NPD-Treffens um den Bau einer Rohrbombe, die er für einen Anschlag auf Antifaschisten einsetzen wollte. Greger lieferte die Bombe nicht, ein Hinweis rief aber die Polizei auf den Plan. Diese beschlag­nahmte bei ihm eine fertige Rohrbombe sowie einen Rohling. Wegen Planung und Vorbereitung eines Sprengstoffanschlags sowie Propagadadelikten wurde er daraufhin zu zwei Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt. Im Prozess behauptete Greger mit seiner Neonazi-Vergangenheit gebrochen zu haben – offenbar eine reine Schutzbehauptung.

Während der Haft vertiefte er seine Kontakte zur neonazistischen Kleinstorganisation Kampfbund Deutscher Sozialisten (KDS). Nach Verbüßung seiner Haftstrafe ist sein »Bruch« mit der Neonazi-Szene schnell vergessen. Er trat fort­an als Leiter des KDS-Stützpunkt Ottendorf auf. Nur wenige Monate später erfuhr Greger, dass eine frühere Bewährungsstrafe widerrufen wurde und ihm erneut Haft drohte. Er floh nach Südafrika. Dort schloß er sich der rassistischen und für mehrere Bombenattentate verantwortlichen »Afrikaner Weerstandsbeweging« an, um für einen »weißen Volksstaat« zu kämpfen. Für einen geplanten Staatsstreich der nationalsozialistisch-inspirierten Organisation sollte Greger in Namibia Waffen kaufen. In seinem später erschienenen Buch »Verschenkte Jahre« behauptete er, dass er auf diesem Trip Zweifel an seinen bisherigen Überzeugungen bekommen habe. Als er beim Versuch für die Rassis­ten Waffen zu besorgen, mit Schwarzen in Kontakt kam, habe dies  sein rassistisches Weltbild ins Wanken gebracht: sein Rassismus »funktioniere« nicht. Die Liebe zu einer schwar­zen Frau soll ihn dann endgültig vom rechten Weg abgebracht haben.

2005 kehrte er nach Deutschland zurück, stellt sich den Behörden und saß seine Haftstrafe ab. Währenddessen wandte er sich an die Aussteigerorganisation EXIT und trat fortan als geläuterter Aussteiger auf. Zeitweise war er sogar Ansprechpartner für eine kurzzeitig existierende Dependance von EXIT in Dresden.

Während der Haft suchte Greger, nach der Abkehr vom neonazistischen Rassismus, eine neue Idee, der es zu folgen galt. In Johnny Adair, einem nordirischen Terroristen, fand er sie. Der ehemalige Führer der »C Company«, eine paramilitärische Gruppierung der »Ulster Freedom Fighters« (UFF), hatte die UFF nach internen Streitereien verlassen müssen und wurde von ehemaligen Mitkämpfern bedroht. Greger entwickelte die Idee Adair schützen zu müssen. Hierfür gründete er eine »C Company Dresden«. Bei einem Besuch von Adair im Herbst 2006 in Dresden diskutierten beide die Notwendigkeit eines bewaffneten Kampfes gegen den Islam. Greger formulierte in diesem Zusammenhang: »Krieg in der Zukunft wird nicht Schwarze gegen Weiße sein. Es wird ein Krieg Christen gegen Islamisten sein.« 2007 konvertierte Greger nach eigenen Angaben zum Christentum. Er sieht sich nun dazu berufen, Vorkehrungen zur Verteidigung seines Glaubens zu treffen – im Zweifel auch mit Waffengewalt. In späteren Propaganda-Videos ist Greger beim Hantieren mit Sturmgewehren zu sehen.

The Order 777

Zu diesem Zwecke bemüht sich Greger seit mehreren Jahren einen Orden nach dem Vorbild des Templerordens aufzubauen. Er tritt als (Mit-)Gründer einer Organisation mit dem Namen »The Order 777« auf, die wiederum den militärischen Kampf gegen Islamisten propagiert. Als weiteres Mitglied von »The Order 777« benennt Greger den bereits bekannten Johnny Adair, sowie den Blogger Paul Ray aus England. Dieser betreibt unter dem Pseudonym »Lionheart« einen Blog, auf dem er rassistische Hetze gegen Muslime verbreitet. Ray ist ein Gründungsmitglied der English Defence League (EDL) und liefert ihr das ideologische Grundgerüst. Gemeinsam mit Greger flüchtete er nach Malta, da ihm in England Strafverfolgung wegen der Anstiftung zu rassistisch motivierter Gewalt drohte.

Greger lebt derzeit in Gambia, hat dort ein großes Stück Land erworben und ein Haus gebaut. In einem Video verkündet er, dass er dort einen Zufluchtsort für Mitglieder seines Ordens errichten möchte, wenn diese sich zur Ruhe setzen wollen. Wie er den Objektkauf finanzierte ist unklar. Er gibt an, sein Geld mit der Qualitätsprüfung von Diamanten zu verdienen.

Die Breivik-Connection

Die unübersichtliche Mischung aus antimuslimischem Rassismus, christlich motiviertem Freiheitskampf, Verschwörungsdenken, Waffen- und Militärbegeisterung, die sich Greger zu eigen macht, zeigt bemerkenswerte Parallelen zur Ideologie von Anders Breivik, der vergangenes Jahr bei Anschlägen in Norwegen 77 Menschen tötete. Anders Breivik behauptet ebenfalls, Mitglied eines Templerordens zu sein.  Ziel sei es gewesen, einen »Kreuzug gegen Marxisten und Muslime« zu führen. In seinem Manifest berichtet er von einem Gründungstreffen 2002 in London, wo er einen Mentor getroffen habe, der mit dem Pseudonym Richard, angelehnt an Richard the Lionheart, aufgetreten sei. Möglicherweise ein Hinweis auf Paul Ray. Die inhaltliche Nähe zwischen Breivik und »The Order 777« ist offensichtlich: Man wähnt sich gleichermaßen in einem Kampf der Religionen, in dem Christen durch Muslime verfolgt werden und will mit der Bildung einer christlichen Miliz antworten. Breivik war, wie später auch Greger, in Liberia unterwegs. Im April 2002 reiste er in der Hochphase des Bürgerkriegs in das Land, um mit dem Handel von Blutdiamanten Geld zu verdienen. Auch Greger soll mit in diesen Handel verwickelt gewesen sein.

Auch für die EDL interessierte sich Breivik. Er schrieb regelmäßig in EDL-Internetforen und tauschte darüber private Nachrichten mit einem EDL-Member. Laut seinem Manifest will er einer derjenigen gewesen sein, der die EDL in ihrer Gründungszeit mit aufbereitetem Material ideologisch unterstützt hat. Das britische antifaschistische Magazin Searchlight berichtete zudem, dass es nach den Attentaten in Norwegen Online-Kommentare von EDL-Members gab, die nahelegen, dass Breivik an EDL-Demonstrationen in London und Newcastle UponTyne teilgenommen hat.1

Ein Pulverfass?

Im Zuge des Prozesses gegen Breivik gerieten auch Ray und Greger in den Fokus von Ermittlungen und Öffentlichkeit. Während Ray sich trotz auffälliger ideologischer Übereinstimmungen um Distanz zu den Anschlägen be­müht, sucht Greger mittlerweile offen die Nähe zum Attentäter. Das norwegische Dagbladet berichtete kürzlich, dass sich Greger mit einem Brief an Breivik wandte und ihm anbot, Mitglied seines Ordens zu werden.2 Eines von Gregers jüngsten Youtube-Videos rechtfertigt unumwunden die Attentate Breiviks. Darin heißt es über die auf Utoya Ermordeten, es handele sich um die zukünftige Generation der herrschenden Klasse, die heute für die Zerstörungen in Ländern und Gemeinschaften verantwortlich sei, da sie multikulturelle, neo-marxistische, feministische und antifaschistische Ideen verbreite. Angesichts dieses Bekenntnisses und der oben geschilderte Parallelen zwischen Breivik und dem »Order 777« bleibt offen, was von Gregers Bedauern, Breivik nie getroffen zu haben, tatsächlich zu halten ist. Die Bundesregierung ließ 2011 nach einer Kleinen Anfrage der LINKEN mitteilen, dass »Breivik über keine persönlichen Kontakte zu rechts­extremistischen Organisationen oder Einzelpersonen in Deutschland« verfüge. Zweifel an dieser Darstellung sind angebracht. Letztlich bleibt offen, ob Greger seinen Worten nicht auch Taten im Stile seiner Vorbilder folgen lassen wird. Auf möglicherweise bei Greger vorhandene Skrupel zu hoffen, ist mit Blick auf seine Vergangenheit fraglich.

  • 1Anders Behring Breivik had links to far-right EDL, says anti-racism group, guardian.co.uk, 26.07.2011
  • 2Breivik kan inspirere andre, Dagbladet, 19.06.2012