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§ 129a-Verfahren in Magdeburg (Sachsen - Anhalt)

Einleitung

Seit dem 27. November 2002 sitzen Daniel und Marco aus Magdeburg in Untersuchungshaft. Vorgeworfen wird ihnen die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Die regionale Presse spricht von einem erfolgreichen Schlag gegen »militante Linksextremisten«, die dem Staat den Krieg erklärt hätten und feiert den Erfolg der Bundesanwaltschaft. Inzwischen hat sich eine Solidaritätsgruppe gegründet, die sich um die Gefangenen kümmert. Diese zeichnet ein etwas anderes Bild der Ereignisse.

Bild: de.indymedia.org/CC BY-SA 2.0 DE

Anfang 2002 werden in einer Nacht in Magdeburg zwei Brandanschläge verübt. Der eine Anschlag – ein geworfener Molotow Cocktail – trifft ein Fenster im Gebäude des Landeskriminalamtes Sachsen-Anhalt. Der zweite richtet sich gegen einen Kleinbus des BGS – dieser Brandsatz zündet jedoch nicht. Insgesamt entsteht ein verhältnismäßig geringer Sachschaden. Was folgt sind intensive Observationen der politischen Linken in Magdeburg, Telefonüberwachungen, Bewegungsprofile und Videoaufzeichnungen von verschiedenen Personen. Laut Bundesanwaltschaft soll auf einem Postpaket, in dem sich der Brandsatz unter dem BGS-Bus befand, ein einzelner Fingerabdruck von Daniel gefunden worden sein. Wie ein Mitglied der Soli-Gruppe vermutet, musste der Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (§129a) schnell dafür herhalten, weitere Ermittlungen zu ermöglichen. Schließlich ermächtigt der Paragraf zu weitreichenden Ermittlungsmethoden. Nur aufgrund der Konstruktion einer terroristischen Vereinigung sitzt auch Marco in Haft. Allein der Kontakt zu Daniel und seine politische Überzeugung scheinen für die Bundesanwaltschaft (BAW) ausreichend zu sein. Da eine Vereinigung nach zur Zeit gültiger Rechtsauffassung aus mindestens drei Personen besteht, ist dieser Vorwurf im Grunde ebenso absurd. Doch schnell hat die BAW die Namen von weiteren Personen vorgelegt, die Mitglieder der Gruppe sein sollen. Offenbar muss die Beweislage hier noch geringer sein, schließlich erhielt niemand dieser Beschuldigten bisher auch nur eine Vorladung. Der §129a in seiner Funktion als Ermittlungs- und Gesinnungsparagraf hat sich im Sinne der BAW hier einmal mehr bewährt. Die umfassenden Beobachtungen der Magdeburger Linken und die öffentliche Diskreditierung und auch Einschüchterung politisch aktiver Leute in Magdeburg, wäre anders nicht zu machen gewesen. Schon mehrfach in der Vergangenheit wurde mit diesem Paragraf erfolgreich gegen Linke vorgegangen. 1976 im Zusammenhang mit der Fahndung nach der RAF eingeführt, wurde er immer wieder den jeweiligen politischen Interessen angepasst. Und dass dieses politische Instrument im Zuge einer allgemeinen Terrorismushysterie umso schneller angewendet wird, verwundert wenig. Die Unterstützungsgruppe stellt die aktuellen Ereignisse in Magdeburg in diesen Zusammenhang. Die Verschärfung von Sicherheitsgesetzen ist ein sicherlich noch lange nicht abgeschlossener Prozess. Vermeintliche Sicherheit wird erkauft mit dem Einschränken und Aushebeln von Grundrechten und individuellen Freiheiten. Autoritäre Staatsmodelle schlagen sich hier insbesondere nieder; die sogenannten Schily-Pakete haben das eindrucksvoll bewiesen. Gerade rechte und konservative Politiker betrieben schon länger einen Wandel zum Präventionsstaat, in dem die Polizei quasi vorbeugend handeln solle. Sie freuten sich über den angeblichen Paradigmenwechsel zum »wehrhaften Staat«. Das propagierte »Recht auf Sicherheit« wurde somit zum Universalinstrument zur Einschränkung von Grundrechten. Privatheit wird vom Datenschutz zum Täterschutz umdefiniert. Das Modell des Präventionsstaates bedeutet konkret: Polizeirechte wie Überwachung existieren schon im Vorfeld strafbarer Handlungen und ohne konkreten äußeren Anlass. Das heißt die Verdatung und Überwachung von Personen, die zwar noch nicht getan haben, denen die Polizei dies aber zutraut und damit eine Strafbarkeit von Absichten. Die Folge sind Ermittlungsmethoden, die sich allein an ihrer Effektivität der Strafverfolgung und nicht an der Unschuldsvermutung orientieren.