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»Nichts eint so sehr wie Erfolg.«

Max Bauer
Einleitung

Geht es nach dem NPD-Landesvorsitzenden Frank Schwerdt, sollen die anstehenden Wahlen in Thüringen die Partei aus der Krise retten.

Peter Nürnberger und Patrick Wieschke (Bildmitte) während einer NPD-»Kaffeefahrt« 2008 in Westthüringen

Während es auf Bundesebene in der NPD kräftig brodelt, scheinen die heftigsten Auseinandersetzungen in Thüringen beigelegt. Die »Putschisten« um Bundesvorstandsmitglied Thorsten Heise und den Erfurter Kreisverband scheinen kurz vor dem Auftakt des Wahlkampfes zu den Kommunal-, Landtags-, Bundestags- und Europawahlen in Thüringen zurückgedrängt bzw. unterworfen. Tatsächlich haben es die ehrgeizigen Kader um den Landesgeschäftsführer Patrick Wieschke geschafft, in der Partei eine Normalität zu schaffen. Auch die Querelen mit der DVU um den neuverhandelten »Deutschland-Pakt« sind beiseite gelegt. Die Stimmung ist dennoch äußerst angespannt. Auf dem Listenparteitag am 7. Februar in Kirchheim (Ilmkreis) wählten die Neonazis ihre Kandidaten.

Bezeichnender konnten die Rahmenbedingungen nicht sein: Der Wirt der »Erlebnisscheune Puszta« bei Arnstadt befindet sich im Streit mit der Gemeinde und den NachbarInnen, weshalb es ihm auch nichts ausmachte, seine Räumlichkeiten der NPD zur Verfügung zu stellen. Wie die Scheune so das Vieh – anders lässt sich das für den Wahlkampf geschmiedete Zweckbündnis nicht beschreiben. Denn trotz erheblicher Antipathien, Vorbehalte und Streitigkeiten zwischen den rechten Lagern wurde über Landtags- und Bundestagswahllisten ohne sonderliche Überraschungen abgestimmt.

Mit dem Lauschaer Stadtrat Uwe Bäz-Dölle auf Platz Zwei, sowie dem Landesvorsitzenden Walter Beck auf Platz Zwölf wurden zwei DVU-Mitglieder zum Wahlantritt auf der Liste der NPD bestimmt, die insgesamt 18 einschlägig bekannte extreme Rechte zählt. Dabei schien bis vor kurzem der Wahlantritt der DVU formal garantiert: Als die Wahlabsprachen der Partei 2004 unter dem Label »Deutschland-Pakt« beim Bundesparteitag im thüringischen Leinefelde getroffen wurden, galt der Freistaat als DVU-Land. Diese ist im Bundesland jedoch seit langem inaktiv und nicht wahrnehmbar, SzenekennerInnen sprechen von nur ungefähr 50 Mitgliedern. Wesentlich besser aufgestellt ist – auch durch ihre Nähe zu den freien Kameradschaften – die NPD. Eigenen Angaben zufolge hat diese über 500 Mitglieder. Auf Grund der Lagerbildung um Thorsten Heise auf der einen und Landesgeschäftsführer Patrick Wieschke auf der anderen Seite, sowie der Abspaltung des früheren Kreisverbandes Erfurt um Kai-Uwe Trinkaus zu »Pro Erfurt«, dürften die Mitgliederzahlen tatsächlich darunter liegen. Auch wurde bekannt, dass mindestens im Kreis Weimar die Mitgliederzahlen bewusst nach oben geschummelt wurden.

Nichtsdestotrotz sind die Chancen für einen Einzug der NPD in den Landtag nach den Wahlen im August 2009 nicht die schlechtesten: Über 4 Prozent der Wählerstimmen kriegt die Partei in aktuellen Umfragen. Seit Udo Voigt auf dem Bundesparteitag in Bamberg im Mai 2008 den Wahlantritt seiner Partei in Thüringen ankündigte, drehen sich die Personalräder. So wie sich Voigt auf Bundesebene für den NPD-Antritt in Thüringen einsetzte, bezieht der Landesverband angesichts der zeitweiligen Gegenkandidatur von Andreas Molau um den Bundesvorsitz der Partei Stellung für den aktuellen Inhaber des Postens: Auf die Stimmen Thüringer Delegierter kann Voigt beim Bundesparteitag, der Ende März in der Landeshauptstadt Erfurt stattfinden soll, zählen.

Für nachhaltigen Zündstoff sorgte der Lagerkonflikt zwischen den Kadern Heise und Wieschke dennoch. Wieschke, der die Politik der Partei in Thüringen entscheidend prägt und professionalisierte, hat vor allem bei den »Freien Kameradschaften« Sympathien eingebüßt. Hatte der Anführer des »Freien Netzes«, Thomas Gerlach aus Altenburg, auf dem Landesparteitag 2008 in Fröbitz noch stellvertretend für die »Freien Kameradschaften« erklärt, diese würden ausschließlich einen Wahlantritt der NPD unterstützen, waren nun in Kirchheim die Parteimitglieder nahezu unter sich. Stellungnahmen der kaum vertretenen Kameradschaftsszene gab es nicht.

Dem ging ein interner Konflikt zwischen dem Landesverband und Thomas Gerlach, Andrè Kapke und Ralf Wohlleben (beide NPD Jena) voraus: Aus Protest gegen die Aufstellung von Sympathisanten der Heise-Fraktion drohten die Ostthüringer Kader, den NPD-Wahlkampf zu boykottieren. Diesem Druck hat der Landesvorstand schließlich nachgegeben. Auf der nun beschlossenen Landtagswahlliste stehen ausschließlich linientreue Multifunktionäre. Bundesvorstandsmitglied und »Putschist« Thorsten Heise aus Fretterode wurde mit einem symbolischen dritten Listenplatz für die Bundestagswahl abgespeist.

Vor dem erfahrenen Kommunalpolitiker Bäz-Dölle steht der Landesvorsitzende Frank Schwerdt auf Platz Eins der Liste. Schwerdt ist Mitglied des Bundesvorstandes mit dem Arbeitsschwerpunkt Recht und außerdem Vorsitzender des neu konstituierten Kreisverbandes Erfurt.

Aus den Reihen der NPD folgen ihm die Kreisvorsitzenden: der Student Sebastian Reiche aus Gotha, der Zahntechniker Jan Morgenroth aus Weimar, der Selbständige Peter Nürnberger aus Greiz (Kreis Altenburg) und der Unternehmer Boris Maier aus Heiligenstadt (Kreis Eichsfeld). Die Bad Salzunger Studenten Tobias Kammler und Hendrik Heller (Kreisvorsitzender Wartburgkreis) besetzen die Plätze Sieben und Acht. Ihnen folgen der 21jährige Elektroniker Matthias Fiedler (Heiligenstadt), Karsten Höhn (Eisenach) und Benjamin Klötzing (Neustadt/Orla). Dem DVU-Landesvorsitzenden Beck (Oldisleben) folgt der Rentner Winfried Uhlhorn (Leinefelde), sowie die parteilosen Heinz-Otto Schmidt (Greußen) und Mike Steiner (Ernsthal). Listenplatz 16 und 17 belegen Steffen und Mandy Schneider (Greiz). Der letzte Listenplatz ist durch den Liedermacher »Torstein« alias Torsten Hering aus Sondershausen besetzt. Zur Bundestagswahl nominiert der NPD-Landesverband neben Peter Nürnberger, Patrick Wieschke und Thorsten Heise auch den Kreisvorsitzenden des Kyffhäuserkreises, Landesschatzmeister und Betreiber des »Germania-Versand« Patrick Weber sowie Hendrik Heller.

Noch offen sind die NPD-Kandidaten zu den Kommunalwahlen. Nachdem in Thüringen die 5-Prozent-Hürde für die Regionalwahlen abgeschafft wurde, ist der Einzug extremer Rechter in mehreren Kreisen nahezu sicher. Besonders umkämpft sind dabei die Räte der kreisfreien Städte Weimar, Gera und Eisenach sowie die Städte Nordhausen und Sondershausen. Außerdem tritt die NPD in den Landkreisen Gotha, Sonneberg, Greiz, Nordhausen, Eichsfeld, Kyffhäuserkreis und Wartburgkreis an.

Um die Fraktionsbildung der NPD bei Wahlerfolgen zu erschweren, tüfteln die Kommunen derzeit an bürokratischen Stolpersteinen. Überlegt wird beispielsweise in der Thüringer Kommunalordnung die Mindeststärke einer Fraktion von zwei auf drei Mitglieder zu erhöhen, um der NPD finanzielle Zuwendungen, wie der Finanzierung von Fraktionsbüros und -angestellten, zu erschweren. Neben diesen verwaltungsrechtlichen Bemühungen der etablierten Parteien arbeiten verschiedene Initiativen an Aufklärung und Torpedierung des NPD-Wahlkampfes. »Deine Stimme gegen Nazis« ist ein Projekt von Parteien, Gewerkschaften, Verbänden, Vereinen, den Kirchen und Privatpersonen, das durch Öffentlichkeitsarbeit und Informationen über die NPD den Wahlkampf kritisch begleitet. Außerdem hat die »Mobile Beratung in Thüringen – Für Demokratie – Gegen Rechtsextremismus« (Mobit) eine Informationskampagne mit acht inhaltlichen Modulen ins Leben gerufen, welche in Zusammenarbeit mit lokalen Bündnissen in mehreren Städten gegen Rechtsextremismus sensibilisieren will.

Weitere Infos:
www.deine-stimme-gegen-nazis.de
www.gemeinsam-gegen-rechtsextremismus.de