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»Thüringer Heimatschützer« wegen Raubüberfall verurteilt

Einleitung

Wegen der Selbstenttarnung des NSU stand auch der »Thüringer Heimatschutz« (THS), die einstige Dachorganisation Thüringer Neonazis seit 2011, wieder im Blick von Sicherheitsbehörden und Öffentlichkeit.

Auch Michael H. aus dem Raum Weimar gehörte zu diesem Kreis. Er war ab 2006 in verschiedenen Funktionen bei der NPD sowie dem Jugendverband »Junge Nationaldemokrten« (JN) in Thüringen aktiv und sattelte dann in den Bereich der organisierten Kriminalität über (siehe AIB Nr. 87). Er war u.a. Angeklagter im Thüringer »Bandidos-Verfahren«. Im Jahr 2011 wandte sich H. an die Thüringer Polizei und bot sein Insiderwissen über einstige Kameraden aus dem THS an. Er belastete mehrere »Heimatschützer« aus der Region Saalfeld-Rudolstadt, welche ihm von einem Raubüberfall im Jahr 1999 auf einen Geldboten in Pößneck erzählt hatten. Diese hätten auch eine Schusswaffe und über 70.000 Mark erbeutet, mit denen ein Bordell übernommen werden sollte. Die Polizei ging der Spur nach, konnte den Verdacht bestätigen und nahm im September 2012 mehrere Personen fest. In den Aussagen belasteten diese sich gegenseitig.
 
Ende Oktober 2013 begann der Prozess am Landgericht Gera gegen Sven-Kai R., Rocco P., Marcel E. und seinen Bruder Mirko E., alle aus dem Raum Saalfeld-Rudolstadt, sowie den aus Litauen stammenden Raymond R.. Daneben waren drei weitere Personen involviert: Marcel K. aus Pößneck, der zwar aus Spanien ausgeliefert wurde, aber wegen Verfahrensfehlern nicht angeklagt werden konnte und zwei weitere Litauer: Andrej V., der inzwischen verstorben ist und Rolandas C., bei dem der Staat Litauen die Auslieferung verweigerte. Im Prozess wurde deutlich, dass es in den 1990er Jahren intensive Kontakte zwischen den Neonazis aus der Thüringer Saaleregion und dem Umfeld der Organisierten Kriminalität in Litauen gegeben hat. Diese betrafen insbesondere den gegenseitigen Austausch von Pros­tituierten und die Unterstützung bei Bordellen. Die THS’ler waren zu Bordell-Besuchen in Litauen und schmuggelten dort auch geklaute Autos hin. Umgekehrt erhielten sie mehrfach Besuch von einer dortigen Gruppierung, mit der sie arbeitsteilig im Oktober 1999 den Überfall durchführten.

Die deutschen Täter koordinierten die Aktion, hörten den Polizeifunk ab, fuhren die Fluchtwagen, schafften Geld und Schusswaffe beiseite. Die aus Litauen stammenden Personen überwältigten den Geldboten. Maßgeblich involviert war hierbei Andrej V., der damals als Elitepolizist bei einer Spezialeinheit zur Anti-Terror-Abwehr in Litauen arbeitete und in diversen Kampfsporttechniken erprobt war. Nebenbei soll er sich als Zuhälter im Prosti­tutions­gewerbe Geld dazuverdient haben. Mit dem Geld aus dem Überfall wurde u.a. 1999 das Bordell »Blue Velvet« von einigen THS-Aktivisten übernommen.

Die Verlesung der Vorstrafenregister beim Prozess dauerte über eine Stunde. Obwohl sich dort zahlreiche neonazistisch motivierte Taten wiederfanden, stellte weder die Anklage noch das Gericht einen politischen Bezug her. Da sich alle fünf Angeklagten mehr oder weniger geständig zeigten und die Tat über 14 Jahre zurücklag, erhielten sie bei der Urteilsverkündung am 11. November 2013 Bewährungsstrafen zwischen eineinhalb und zwei Jahren. Vertreten wurden die Angeklagten durch bekannte Verteidiger aus dem Rocker- und Neonazi-Milieu.
Da Anfang November 2013 eine neue unbekannte DNA-Spur im ausgebrannten Wohnmobil neben den Leichen von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos (NSU) publik wurde, die bei weiteren Straftaten in drei Bundesländern aufgefallen sein soll, gibt es bei der »Litauen-Connection« weiteren Klärungsbedarf. Grund: Die Straftaten, bei denen die Wohnwagen-DNA ebenso in Hessen und NRW auftrat, sollen den Behörden nach einer »litauischen Tätergruppe« zugeordnet worden sein. Die Thüringer Landesregierung soll auf eine Kleine Anfrage hin nun weitere mögliche Verwicklungen zwischen Litauen und der Thüringer Neonazi-Szene untersuchen.