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»Wo ist Behle?«

Einleitung

30 Jahre Oktoberfestattentat – Wiederaufnahme des Ermittlungsverfahrens gefordert

Walter Behle (mitte) prahlte mit dem Oktoberfest-Anschlag.

Pünktlich zum dreißigsten Jahrestag des Oktoberfestattentats am 26. September 2010 erklärte die Bundesanwaltschaft, man werde kein neues Ermittlungsverfahren gegen mögliche Mittäter des toten Neonazi-Attentäters Gundolf Köhler einleiten. Einige der mehr als 200 Menschen, die bei dem Terroranschlag verletzt wurden und die Angehörigen von 13 Getöteten haben sich nun in einem offenen Brief an Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) mit der Forderung gewandt, die Bundesjustizministerin solle als Dienstherrin die Generalbundesanwaltschaft beauftragen, die Ermittlungen wieder aufzunehmen.

Zu den schillerndsten Figuren im Kreis der sechs Verdächtigen, gegen die die Generalbundesanwaltschaft im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat ermittelte, gehört Walter Ulrich Behle. Gemeinsam mit dem Wehrsportgruppenchef Karl Heinz Hoffmann (AIB 89: »Terroristische Einzeltäter-Vereinigungen«) reiste er u.a. unmittelbar nach dem Oktoberfestattentat in ein Ausbildungslager der »WSG Ausland« im Libanon, die nach dem Verbot der Wehrsportgruppe Hoffmann in Deutschland gegründet worden war. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland schloss er sich anderen Neonazi-Gruppen an. Parallel dazu diente Behle nach eigenen Aussagen mehreren Sicherheitsbehörden und Geheimdiensten als Informant.

Zu Beginn eines Studiums in Stuttgart im Jahr 2000 schloss er sich kurzzeitig der Burschenschaft Alemannia an. Heute lebt Behle in Buxtehude – und ist seit 2008 Mitglied des niedersächsischen Landesverbandes der LINKEN. Seinem Kreisverband verschwieg er bei  Eintritt die politische Vergangenheit wohlweislich. Erst ein knappes Jahr später beschäftigte der Fall Behle auf Antrag einiger LINKEN-Mitglieder die niedersächsische Landesschiedskommission der Partei. Die lehnte im Februar 2010 allerdings einen Parteiausschluss aus formaljuristischen Gründen ab, da eine Überprüfung von Behles Vergangenheit bei seiner Aufnahme in die Partei versäumt wurde und danach auch kein parteischädigendes Verhalten zu erkennen gewesen sei.

Behle wehrte sich mit Hilfe einer schriftlichen »Lebensbeichte« gegen den geforderten Rausschmiss: Von Reue, einer Auseinandersetzung mit seinen neonazistischen Aktivitäten oder seinem menschenverachtenden Weltbild ist darin allerdings nichts zu finden. Und während er sich an anderen Stellen detailliert an Geldsummen und Decknamen erinnert, bleibt die »Beichte« im Fall des Oktoberfestattentats merkwürdig flach. Behle räumt lediglich das ein, was ohnehin bekannt ist. Dass er bei einem Zwischenstopp in Damaskus auf dem Weg in den Libanon – nur kurze Zeit nach dem Oktoberfestattentat – an der Bar des Hotel Byblos so betrunken gewesen sei, dass er sich »möglicherweise« gegenüber dem Barmann mit dem Attentat gebrüstet habe.1 Ansonsten behauptet Behle, er könne sich an die Tage um das Oktoberfestattentat nicht erinnern. 

Auffällig an der »Beichte« ist neben einer völligen Empathielosigkeit – also der Tatsache, dass er sich an keiner Stelle damit auseinandersetzt, welche Konsequenzen seine Aktivitäten und die seiner »Kameraden« für die Opfer der neonazistischen Terroraktivitäten der 1980er Jahre hatten – dass Behle an keiner Stelle über das hinaus geht, was nicht über die Jahre hinweg schon publiziert und recherchiert wurde.

Wenn als Kriterium für einen Ausstieg gilt, dass alle Karten auf den Tisch gelegt werden müssen – auch solche, die unangenehme Konsequenzen für den Aussteiger haben – dann liegt bei Behle die Vermutung nahe, dass er noch so manche Karte nicht aufgedeckt hat. Der Druck innerhalb seiner neuen politischen Heimat, endlich zur Aufklärung des Oktoberfestattentats beizutragen, dürfte jedenfalls nicht allzu hoch sein. »Nicht einmal dieses Verfahren auf Parteiausschluss (...) hat das Medieninteresse und das Interesse der Öffentlichkeit gefunden. Selbst in der Parteiöffentlichkeit ist es nur auf geringes Interesse gestoßen;« stellt die Landesschiedskommission fest.