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„Alliance for Peace and Freedom“ und „Europa Terra Nostra“

Ulli Jentsch
Einleitung

Mit der als Verein eingetragenen Stiftung „Europa Terra Nostra“ (ETN) und der Parteienallianz „Alliance for Peace and Freedom“ (APF) organisiert und finanziert ein europaweites Netzwerk von Neonaziparteien seine Aktivitäten mithilfe von EU-Geldern.

Foto: Screenshot von Facebook

Vorne von links: Jens Pühse, Dan Eriksson, Gonzalo Martin (Democracia Nacional, Spanien), Stefan Jacobsson (APF- Generalsekretär), Nicola Cospito (Fuerza Nuova, Italien) Hinten: Links Konstantinos Boviatsos, daneben ein Vertreter aus Polen.

Ende Mai 2016 erregte die Ausrichtung der Neonazi-Veranstaltung „Manhemsdagen“ in Stockholm (Schweden) internationales Aufsehen. Im Vorfeld war bekannt geworden1 , dass der ETN für dieses internationale Event EU-Gelder zur Verfügung standen. Europa Terra Nostra e.V. (italienisch für „Europa Unser Land“) ist die als Verein eingetragene Stiftung der pan-europäischen Fraktion von Neonaziparteien APF. Das Europa-Parlament gab daraufhin bekannt, dass die ETN im Jahr 2016 197.625 Euro2 erhalten habe, die APF weitere 400.000 Euro3 . Mitglieder des Europa-Parlamentes kritisierten die Vergabe von Geldern an eine Organisation, die damit neonazistische Veranstaltungen durchführt. Die etwas großspurig als Kongress bezeichnete Tagung mit angeblich zweihundert Teilnehmenden konnte jedoch ohne Probleme stattfinden.

Schon wieder EU-Gelder für rechten Kongress?

Nun wurde die Planung eines weiteren rechten Kongresses bekannt.4 Die NPD-Parteizeitung "Deutsche Stimme" (DS) kündigt für den Oktober 2016 einen „Freiheitlichen Kongreß“ in Norddeutschland an. Neben dem EU-Abgeordneten der NPD Udo Voigt und weiteren ausländischen Gästen ist auch ETN wieder dabei, zu der im Brief der Hinweis enthalten ist: „Die Aktivitäten der Europäischen Stiftung EUROPA TERRA NOSTRA e.V. werden vom Europäischen Parlament finanziell unterstützt.“ Die ETN ist Veranstalter, unterstützt von der DS, dem Bildungswerk Heimat und Identität e.V. und dem bisher unbekannten Magazin Gegenlicht.

Mit dem „Freiheitlichen Kongreß“ will die NPD an eine „gute Tradition“ anknüpfen5 , wie es der Geschäftsführer der "Deutschen Stimme" formuliert. Das für den 22./23. Oktober 2016 geplante „publizistische und intellektuelle Ereignis“ steht unter dem Titel „Reconquista oder Untergang. Europa im Widerstand und Wandel“. Zu den bisher erwarteten Gästen zählen sehr vorhersehbar neben Udo Voigt auch der Schwede Daniel Friberg sowie Nick Griffin (ex-MdEP aus Großbritannien), weitere Referenten seien eingeplant, ebenso wie ein Auftritt des extrem rechten Liedermachers Frank Rennicke.

Wer ist „Europa Terra Nostra“?

Der Verein „Europa Terra Nostra“ wurde am 3. Juli 2015 von sieben Mitgliedern in Berlin gegründet und am 25. Januar 2016 in das Vereinsregister eingetragen. Die Zahl der Mitglieder ist laut Satzung auf 15 Personen begrenzt. Von Beginn an wird der Verein von dem in Berlin lebenden Dan Eriksson aus Schweden geführt, sein Stellvertreter ist seit Ende April 2016 der Grieche Konstantinos Boviatsos, Mitglied der Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte) und Assistent des griechischen MdEP Giorgios Epitideios. Vor ihm war der Berliner NPDler Oliver Niedrich Stellvertreter. Mit Susann Starke ist eine NPD-Frau Schatzmeisterin, weitere Beisitzer stammen aus Italien, Spanien und Berlin.

Seit seiner Gründung entwickelte der Verein nur spärliche Aktivitäten wie Besuche befreundeter politischer Organisationen im Ausland. In der Parteizentrale der NPD in Berlin-Köpenick fanden Veranstaltungen und Schulungen mit internationaler Beteiligung statt wie im September 2015 mit den Betreibern des schwedischen Online-Radios "Motgift" (Gegengift) oder im Juli 2016 ein Multimedia-Workshop mit Jörg Hähnel (NPD). In der Bundeszentrale der NPD befand sich auch bis Juni 2016 die Geschäftsstelle der ETN, inzwischen hat man sich von der zwielichtigen Adresse verabschiedet und wechselte ins Hauptquartier der APF in Brüssel. In Berlin verbleibt alleine die Adresse einer Briefkastenfirma am Kurfürstendamm.

Wer ist die APF?

Die 2014 gegründete APF ist faktisch eine Nachfolgerin der 2009 aufgelösten "Europäischen Nationalen Front". Zu ihr zählen neben der NPD (MdEP Udo Voigt sowie Jens Pühse) und den drei im Europa-Parlament vertretenen Mitgliedern von Chrysi Avgi (Georgios Epitideios, Lampros Fountoulis, Eleftherios Synadinos) weitere bekannte Einzelpersonen wie Nick Griffin (ex-MdEP aus Großbritannien), Roberto Fiore (Forza Nuova, Italien und Parteivorsitzender der APF), Stefan Jacobsson (Schweden, APF-Generalsekretär), Daniel Carlsen (Dänemark) sowie weitere aus Tschechien und Belgien. Für November ist in Rom die feierliche Aufnahme der slowakischen Kotleba-Partei geplant.

Die deutsch-schwedische Achse

Erstaunlich ist in diesem internationalen Netzwerk die Rolle der schwedischen Aktivisten, die in der Vergangenheit in ihrem Heimatland so gar nicht erfolgreich waren. Ihre "Svenskarnas Parti" (SvP — Partei der Schweden) wurde im Mai 2015 wegen anhaltender Bedeutungslosigkeit aufgelöst. Sowohl Jacobsson, der letzte Parteichef, als auch Eriksson, Propagandachef, waren dort führende Mitglieder. Stefan Jacobsson griff zuletzt als Redner in den erfolglosen Wahlkampf der NPD in Mecklenburg-Vorpommern ein. Und der seit langem in Deutschland lebende Dan Eriksson nutzt seine Position als Vorsitzender der ETN massiv, um seine Projekte zu lancieren und seine alten Freunde aus Schweden daran zu beteiligen.

Die schwedische Webseite "Motgift" mit Internet-Radio und Web-TV, wo Eriksson Chefredakteur ist, sowie der Arktos-Verlag wurden in ETN-Veranstaltungen als Vorzeigeprojekte hoch gelobt. Zu einer Veranstaltung in Berlin reisten Daniel Höglund und Magnus Söderman von "Motgift" an, beide langjährige Weggefährten Erikssons. Und auch die Verbindungen von Eriksson nach Deutschland sind alles andere als neu. Schon im Jahr 2007 tauchte er als Redner bei den „Freien Kräften“ in Thüringen auf, er besuchte beispielsweise das „Fest der Völker“ 2009 in Pößneck und war sogar Gast der Fusionsfeier von NPD und DVU 2011. Noch im März 2016 sprach Eriksson auf einem sogenannten Abendspaziergang in Oranienburg, wie bei anderen Gelegenheiten, in flüssigem Deutsch.

Für seine Medienaktivitäten in Deutschland hat Dan Eriksson in Berlin inzwischen eine eigene Firma gegründet, die JoMaDa Medien UG. Sein einziger Mitgesellschafter ist bereits genannter Magnus Söderman. Mit dieser Firma bereitet Eriksson derzeit den Webauftritt eines szeneeigenen sozialen Netzwerkes vor, Werbeslogan: „a social network for us who stand for European culture and heritage.“ Noch muss er die Beta-Version via Facebook ankündigen.

Die Bedeutung des APF-ETN-Netzwerkes

Die an diesem Netzwerk beteiligten Parteien sind in vielen ihrer Herkunftsländer bedeutunglos, sieht man einmal von der griechischen "Chrysi Avgi" (griechisch Χρυσή Αυγή) und der slowakischen Kotleba-Partei (Kotleba – Ľudová strana Naše Slovensko) ab. Im EU-Parlament spielen sie außer als Störfaktor keine Rolle. Den Schweden ist ihre eigene Partei sogar gänzlich abhanden gekommen, was sie aber mit verstärkter internationaler Präsenz wettmachen. Sie spielen international sicherlich eine Rolle, die weit über ihre Bedeutung in Schweden hinaus geht. Die APF ist eine auf wenige alte Männer konzentrierte Organisation und in dieser Konstellation kennt man sich schon seit vielen Jahren. Während die alten Patriarchen in bevorzugt südeuropäischen Städten auf den Panels sitzen, machen ihre männlichen Assistenten die Kleinarbeit zwischen Brüssel, Stockholm und Berlin und nutzen hierfür die ETN.

Die im APF-ETN-Netzwerk engagierten Parteien verfolgen einen anti-westlichen, ultra-nationalistischen Kurs, der teilweise stark an neofaschistische Konzepte des Ethnopluralismus angelehnt ist. Es werden AutorInnen und PolitikerInnen rezipiert, die EU-feindliche und pro-russische Positionen vertreten. Anlässlich der Kritik an der schwedischen Tagung im Mai diesen Jahres behauptete die staatsnahe russische Nachrichtenagentur Sputnik, die APF sei eine „Pro-Russian Peace Association“ (eine pro-russische Friedensvereinigung) und nahm das Netzwerk in Schutz. Die APF agitiert entsprechend gegen „Russophobie“ und unterstützt den Kurs des russischen Präsidenten Wladimir Putin in Syrien durch einen symbolträchtigen Besuch in Damaskus.