Akzeptierende Gewaltarbeit?
Rechte Übergriffe und der »SG Dynamo Dresden e.V.«
Schon seit mehreren Jahren sind Teile des Fanumfelds des Fußballtraditionsvereins »Dynamo Dresden« als rechtsoffen und gewalttätig bekannt. So verwundert es nicht, dass gerade aus dieser Gruppierung heraus nach dem EM-Halbfinalspiel Deutschland : Türkei im Juni 2008 Dönergeschäfte in Dresden angegriffen und mehrere Personen verletzt wurden. Es handelte sich dabei bundesweit um die schwersten rassistischen Ausschreitungen im Zuge der Europameisterschaft.
Die Neonazi-Hooligans hatten zunächst das Spiel gemeinsam in einer bekannten Dresdner Fußballkneipe verfolgt und sich dann in Richtung des alternativen Szeneviertels Neustadt begeben. Obwohl Dresden großräumig durch die Polizei überwacht wurde und es sich um einschlägig als rechts bekanntes und teils vorbestraftes Hooliganmilieu handelte, konnte sich die Gruppe von etwa 50 Personen unbeobachtet von der Polizei sammeln.
Zur selben Zeit hatten die Betreiber der Dönerrestaurants ein lachendes und ein weinendes Auge. So bedauerte man die Niederlage der türkischen Mannschaft, war aber auch erleichtert, da man bei einer Niederlage des deutschen Teams rassistische Ausschreitungen befürchtet hatte. So auch im »Arzu«, wo Stammgäste, Party-Deutschland-Fans und die türkischstämmige Belegschaft samt Freunden das Spiel gemeinsam verfolgt hatten.
Plötzlich griffen etwa 30 bis 40 vermummte Neonazis das Restaurant an. Sie warfen Böller, Tische und Stühle auf die völlig überraschten BesucherInnen und Betreiber. Zurück blieben mehrere Verletzte und ein zerstörter Laden. Die Angreifer zogen innerhalb von Sekunden weiter und griffen den nächsten Dönerimbiss an. Sie stürmten in die Dresdner Neustadt und versuchten in ein türkisch/kurdisches Café einzudringen. Die BesucherInnen schafften es gerade noch die Tür zu schließen; auch hier gab es massiven Sachschaden. Auf der Straße selbst wurden weitere Personen angegriffen, ein Passant wurde so schwer verletzt, dass er im Notarztwagen abtransportiert werden musste. Innerhalb weniger Minuten verschwand die Gruppe in mehrere Richtungen. Insgesamt wurden mindestens vier Menschen verletzt und es entstand ein Sachschaden in fünfstelliger Höhe.
Da die Polizei zunächst nicht vor Ort war, konnten sämtliche Täter entkommen. In den Folgetagen entstand ein bundesweiter medialer Druck, der den Angriff als schwersten rassistischen Übergriff im Zuge der Europameisterschaft ausmachte. Es erfolgte eine intensive Ermittlung durch die Sonderkommission »Halbfinale« und so wurde bereits im Juli der stadtbekannte Neonazi-Hooligan und inzwischen ehemalige Mitarbeiter der Security Firma »Ihre Wache« Willy Kunze in Haft genommen. Im Laufe der weiteren Ermittlungen wurden insgesamt 17 Wohnungen durchsucht und bis zum heutigen Tag sind 60 Personen ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten.
Der bereits mehrfach wegen einschlägiger Delikte vorbestrafte Willy Kunze wurde inzwischen vor dem Landgericht Dresden wegen Landfriedensbruch in einem besonders schweren Fall zu 2,5 Jahren Haft verurteilt. Er selber hatte eingeräumt, zu den Übergriffen per SMS und MMS aufgerufen zu haben, bestritt aber seine direkte Beteiligung. Mit im Gerichtssaal – allerdings noch im Zuschauerbereich – befanden sich diverse bekannte Neonazis und Hooligans aus Dresden und der Sächsischen Schweiz. Insgesamt füllte der Freundes-, Familien- und rechte Unterstützerkreis den großen Saal des Landgerichts nahezu komplett. Hooligans und zahlreiche Personen in eindeutiger Neonazikleidung schufen eine bedrohliche Szenerie im Gerichtssaal. Bei nicht wenigen bleibt zu vermuten, dass sie selbst mit zu den Angreifern gehören. So hat die Staatsanwaltschaft Dresden schon drei weitere Anklagen erhoben.
Im Anschluss an die Urteilsverkündung kam es zu einem gewalttätigen Übergriff auf einen Mitarbeiter des Kulturbüro Sachsen e.V., der die Verhandlung beobachtete. Er wurde – nachdem ihn mehrere Neonazis verfolgt hatten – in der Nähe seines Arbeitsplatzes zusammengeschlagen. Unter den teils polizeibekannten Angreifern befanden sich die Neonazis Marco Eißler und Christian Leister, die derzeit in Untersuchungshaft sitzen. Ersterer ist darüber hinaus beschuldigt im Juni vergangenen Jahres, am Rande einer Spontandemonstration wegen des verbotenen »JN-Sachsentages« in Dresden, einen tschechischen Journalisten verletzt zu haben. Auf einer von tschechischen Neonazis leichtsinnigerweise bei der Videoplattform »youtube« veröffentlichten Aufnahme war deutlich zu erkennen, wie Eißler auf den bereits am Boden liegenden Journalisten eintrat. Zwei der inzwischen vier angeklagten Täter sollen auch an den Übergriffen auf die Dönergeschäfte im Juni beteiligt gewesen sein.
Ausgangspunkt der Übergriffe zum EM-Halbfinale war erneut die Dynamo-Kultgaststätte »Ackis Sportsbar« in der Nähe des Stadions. Bereits 2007 war nach einer Fanweihnachtsfeier in der Kneipe ein Mob von 75–100 Hooligans in eine Diskothek weitergezogen, wo aus der Gruppe heraus zwei sudanesische Studenten angegriffen wurden. Die Kneipenbetreiber wollen hingegen nie bemerkt haben, dass ihr Etablissement plötzlich leer gewesen sei: »Als Kellner kriegst du nicht mit, wenn plötzlich welche gehen«. Auch der nächtliche Schutz und die Präsenz vermummter Neonazis im Etablissement anlässlich einer antifaschistischen Demonstration im Oktober 2008, ist sicherlich an dem Betreiber Ackermann vorbeigegangen.
Auch der »SG Dynamo Dresden e.V.« selbst fällt trotz der zahlreichen Vorkommnisse nicht durch übermäßiges Engagement gegen Rechts auf. Vielmehr muss er immer wieder zum Handeln durch engagierte Fans und zivilgesellschaftliche Initiativen aufgefordert werden. So war der Neonazikader Martin Schaffrath aus der Sächsischen Schweiz eine Zeitlang als Ordner im Stadion tätig. Auch Willy Kunze und weitere Beschuldigte der rassistischen Übergriffe waren wie andere Neonazis bei der Security Firma »Ihre Wache«, die auch für die Sicherheit im Stadion zuständig ist, beschäftigt. Nachdem dies öffentlich bekannt wurde, trennte sich die Firma von den betroffenen Personen. Problematisch dürfte es für einige Mitarbeiter von »Ihre Wache« im Stadion geworden sein, als der Verein im Jahr 2007 »Thor Steinar« verbot. Denn diverse Angestellte trugen bevorzugt die Marke im Rahmen ihrer Einsätze wie dem Dresdner Stadtfest und dem sowohl bei TouristInnen als auch bei Einheimischen beliebten »Dixielandfestival«. Inzwischen scheint sich das »Thor Steinar« Verbot allerdings auch bei »Ihre Wache« selbst, die auch Türsteheraufträge im Dresdner Alternativviertel Neustadt ausüben, durchgesetzt zu haben.
Ganz im Sinne der Extremismustheorie ging Dynamo nicht nur gegen rechte Äußerungen und »Thor Steinar« vor, sondern gewährt all jenen Personen keinen Einlass mehr: »... die Kleidung tragen, die Schriftzüge oder Symbole mit eindeutiger rassistischer, fremdenfeindlicher, gewaltverherrlichender, diskriminierender sowie rechts- und/oder linksradikaler Tendenz aufweist.« Selbiges gilt auch für Äußerungen oder das Zurschautragen von Symbolen und Parolen, worunter auch ein zerschlagenes Hakenkreuz fällt. Damit geht der Verein nicht nur oberflächlich gegen Neonazis vor, sondern untergräbt antirassistisches Engagement.
Dabei gab es in den Jahren 2006 und 2007 mit der neugegründeten Faninitiative »1953International« Anzeichen auf eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Rassismusproblematik. So wurde eine durchaus progressive Fancharta verabschiedet, die Spieler gaben Statements gegen Rassismus ab und es erfolgte die Veröffentlichung eines Samplers unter dem Motto »Rassismus ist kein Fangesang«. Heute dagegen übt die Faninitiative herbe Kritik an der jetzigen (Nicht-)Haltung des Vereins. So verweigerte der Verein im Jahr 2008 ohne Begründung eine Aktion im Rahmen von »FARE« (Football against Racism in Europe), die durch die Faninitiative vorbereitet wurde. Vielmehr gibt sich Dynamo Dresden vermeintlich unpolitisch und übt sich im Aussitzen des Problems. So ist es auch nicht verwunderlich, dass auch auf der offiziellen Dynamo-Homepage Bilder von Unterstützungstransparanten für Willy Kunze, den verurteilten und mit Stadionverbot belegten Neonazischläger auftauchen. Zwar hatte der Verein Zaunfahnen, die keinen Dynamobezug haben, untersagt. Aber bis zum letzten Spieltag der Saison tauchten die »Alles Gute Willy« und »Grüße in den Knast«- Transparente bei den Spielen auf.