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Brauner Mob am Donaustrand

Einleitung

Seit den Krawallen extrem rechter Gruppen gegen die sozialdemokratisch-liberale Regierung im Herbst vergangenen Jahres in Budapest hat der Aufschwung von völkischem Nationalismus, offenem Antisemitismus und rassistischen Übergriffen gegen Roma nicht abgenommen. Letzter Höhepunkt war die Vereidigung der paramilitärischen »Ungarischen Garde« am 25. August 2007 in der Hauptstadt Ungarns.

Bild: attenzione-photo.com

Ordner der ungarischen »Blood & Honour«-Sektion bei einer Kundgebung zum »Day of Honour« auf dem Budapester Heldenplatz am 10. Februar 2007.

Schwarz uniformiert, in militärischer Formation nahmen 56 Gardisten unter dem Beifall von mehr als 1.000 begeisterten Zuschauern und gesegnet von verschiedenen christlichen Priestern Urkunden aus den Händen von Lajos Fürs, dem Ex-Verteidigungsminister der ersten Nachwende-Regierung, entgegen. Rot-weiße Arpad-Fahnen und die grünbraunen Uniformen des sich ebenfalls die Ehre gebenden »Nationalen Wachregimentes« versahen die Gründungsfeier mit den Symbolen des historischen Ungarntums und der faschistischen »Pfeilkreuzer« aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges. Bürgerwehren sind Trend in Ungarn. Mit der »Ungarischen Garde« aber entstand nun der militärisch organisierte Arm der extrem rechten Partei Jobbik. Der Chef dieser »Bewegung für ein rechteres Ungarn«, Gabor Vona, ist mit 29 Jahren zugleich Gardeführer und unterstützte zwischen 1998 und 2002 die nationalkonservativen FIDESZ-Regierung beim Aufbau sogenannter »ziviler Bürgerkreise, die bereitstehen, wenn die Zeit kommt«. Die bisher 300 Gardemitglieder sollen nach seinen Plänen auf 1000 ansteigen, um den »geistig-moralischen und physischen Verfall des Ungarntums« und die Gefahren seitens der Nachbarstaaten mit ungarischen Minderheiten zu begegnen. Dazu werden die Gardisten auch im Umgang mit Waffen ausgebildet.

Aus der Mitte

FIDESZ, der »Ungarische Bürgerbund«, unterhält vielfältige Beziehungen zu extrem rechten Organisationen und Medien, namentlich über den populären Journalisten Istvan Lovas. Als einzige im Parlament vertretene Partei verurteilte sie nicht die Gründung der Garde. FIDESZ-Abgeordnete Maria Wittner hielt eine Lobesrede bei der Zeremonie. 1988 aus der Oppositionsbewegung hervorgegangen, findet die Partei auch in der bürgerlichen Mitte Unterstützung und konnte bei den Wahlen 2002 und 2006 über 40 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Der Publizist William Totok führt diesen Erfolg auch auf die Unterschätzung im Ausland zurück: »Ungarn hatte im Westen schon vor 1990 ein gutes Image, was auch an einer geschickten Lobbyarbeit lag. Deshalb wurden die nationalistischen Entgleisungen der Fidesz-Regierung unter Viktor Orbán vom westlichen Publikum ebenso geflissentlich übersehen wie die gefährliche Verbreitung von Rassismus und Antisemitismus in Ungarn.«

Auch die Kulturwissenschaftlerin Magdalena Marsovszky verweist auf die Toleranz der Europäischen Volkspartei gegenüber völkischer Rhetorik seitens ihres Fraktionsmitglieds FIDESZ sowie auf den mittlerweile verstorbenen Georg Brunner, Völkerrechtler an der Kölner Universität und Berater der Ungarischen Regierung im Sinne einer Grenzrevision nach ethnischen Gesichtspunkten. Nicht das Konzept der Willensnation, sondern der Kulturnation wurde Leitbild der neuen Demokratien in Osteuropa. Angesichts von Globalisierung und EU-Erweiterung entwickelte sich der Schutz der Nation zur Biologisierung des Volkskörpers.  Ungar sein war gleichbedeutend mit Christ sein, seit 2005, im Parlament fast einstimmig verabschiedet, erhielten »Auslandsungarn« einen »Magyarenpass«. Juden, Roma und Homosexuelle wurden zum offenen Feindbild breiter Teile der Bevölkerung.

Antisemitismus

»Mit zunehmender Sorge beobachten wir, wie in den letzten anderthalb Monaten, durch die Zunahme rechtsradikaler Vorfälle, auch der letzte Rest unseres Sicherheitsgefühls verschwunden ist. Seit 50 Jahren wurden wir nicht mehr mit Ähnlichem konfrontiert.«

Die »Zweite Generation Juden Ungarns« erinnert in ihrem »Aufruf gegen ansteigenden Antisemitismus« auch mahnend an die 500.000 ungarischen Juden, die während des Holocaust in Zusammenarbeit deutscher und ungarischer Faschisten ermordet wurden. Veröffentlicht im November 2006 folgte es den Krawallen gegen die Regierung von Premier Ferenc Gyurcsany, als vor allem konservative Jugendliche, FIDESZ-Anhänger und Hooligans dem Aufruf rechter Organisationen folgten, die sozialdemokratich-liberale Regierung zu stürzen. Anlass war die Veröffentlichung des interne Eingeständnis von taktischen Wahllügen seitens Gyurcsany. Es kam zu schweren Zusammenstößen auf den Strassen Budapests und die Rechte hatte in dem Premier eine perfekte Projektionsfläche antisemitischer Vorurteile gefunden: er ist Millionär, Neoliberaler und als Exkommunist und Sozialdemokrat ist er Bolschewik. Organisationen wie die Jobbik profitierten vom Aufschwung der extrem rechten Oppositionsbewegung.

Die Vereidigung der »Ungarischen Garde« war nicht ohne Grund auf dem Burggelände vor dem Amtssitz des Präsidenten angesetzt, ihr erklärtes Ziel ist die Beseitigung der linksliberalen Regierung. Hindeja Farah berichtet im Magazin NEON auf Basis von Interviews von der Begeisterung Jugendlicher während und nach den Krawallen, etwas handfestes und konspiratives für die Heimat getan zu haben. »Cool sein, das bedeutet konservativ sein, eher rechts als links sein. (...) Alles was von links kommt ist gestrig und verdächtig. Utopien, Lateinamerika, Gender Studies – mieft alles nach Marx.« Dazu kommt eine seit Jahren florierende rechte Hooligan- und Skinheadszene, welche nicht außerhalb der Gesellschaft steht. Ungarn ist beliebter Veranstaltungsort der Blood & Honour-Szene. Am 10. Februar 2007 nahmen 800 Neonazis an der Gedenkveranstaltungen zum »Tag der Ehre« teil. Alljährlich wird hier den »heldenhaften Verteidigern der Kesselstadt Budapest« gedacht. 

Auch ausländische Prominenz war zum Redebeitrag geladen: NPD-Chef Udo Voigt war zusammen mit Eckart Bräuniger und Matthias Fischer angereist. Die Bildung von Bürgerwehren und uniformierten paramilitärischen Verbänden in Osteuropa nimmt ebenso zu wie die Wählerstimmen nationalistischer Parteien. Die Nationalgarde und ATAKA in Bulgarien, Großrumänien-Partei und Noua Dreapta in Rumänien, die Slowakische Nationalpartei oder die Kaczynski-Brüder und ihre Koalitionspartner in Polen folgen ähnlichen politischen Strategien. Die Kaczynski-Brüder sind neben Jörg Haider die Vorbilder des Ungarischen Gardisten Gabor Vona. Die jüngsten Budapester Krawalle rund um den Jahrestag des Ungarnaufstandes im Oktober 2007 wurden ausschließlich von extrem rechten Gruppen organisiert und im Internet mobilisiert. Zwar distanziert sich FIDESZ von den gewalttätigen Ausschreitungen, die Konflikte zwischen FIDESZ und der extremen Rechten haben jedoch Tradition und Basis. FIDESZ fürchtet zudem die Konkurrenz einer neuen radikaleren Rechten.