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Comics von Rechts: Zwischen Parteiprogramm und Allmachtsfantasien

Einleitung

Die Comic-Branche wächst. Sie ist eine der wenigen Sparten im Buchhandel, die Gewinne verzeichnen kann. Denn das Medi­um konnte in den letzten Jahren auch im deutschsprachigen Raum an Prestige gewinnen und sich in eher bürgerlichen Kreisen etablieren. Das nutzen zunehmend rechte Akteur*innen, um mit Comics für ihre Zwecke zu werben oder ihre menschen­verachtenden Phantasien auszuleben.

Bild: Infothek Dessau

Der frühere NPD-Jugend Funktionär Michael Schäfer (links) steht hinter dem rechten Hydra-Comic-Verlag. . "Der Vigilant" ist ein rechter Comic aus dem HJB-Verlag.

Comics der Berliner AfD-Fraktion

Von Mai 2017 bis Oktober 2018 erschienen sieben vierseitige Comics auf der Homepage der Berliner AfD-Fraktion – animiert auch auf Youtube und Facebook zu finden – unter dem Namen „Emilia and friends“. Emilia hat die Gestalt eines Vogels und ist überzeugte AfD-Anhängerin. Immer wieder belehrt sie ihrem Freund Erik, der die Grünen wählt, zu politischen Themen: Die notwendige Abschaffung der Umweltzone, die Berliner Finanz- und Wohnungspolitik oder die Kriminalität am Alexanderplatz. Dabei werden nur wenige menschenfeindliche Stereotype ausgelassen. So sind die gezeichneten Kriminellen in der zweiten Folge gewalttätige Geflüchtete, die Menschen bestehlen und sexuell übergriffig sind. In der siebten Folge geht es um Berliner Schulen, in denen Kinder kaum deutsch sprechen und die Integrierte Sekundarstufe alle am Lernen hindert. Erwachsene begehen in ihren späteren Berufen grobe Fehler, da sie in der Schule halt nichts gelernt haben. So schafft es Emilia immer wieder ihren völlig ahnungslosen Kumpel Erik von den politischen Zielen der AfD zu überzeugen. Gezeichnet hat sie die Illustratorin Livnat. Ein Name, der sonst nirgends auftaucht. V.i.S.d.P. ist Georg Pazderski, ehemaliger Geschäftsführer der AfD Berlin (2013), Bundesgeschäftsführer (2013 – 2015) und seit September 2016 Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin.

Von Höcke zum Münchner Kindle

Ein Comic aus Thüringen, zwei Personen unterhalten sich: „Aber das darf man heute ja nicht mehr laut sagen...“, sagt die eine. Plötzlich steht Björn Höcke vor ihnen und gibt ihnen recht: Die Meinung in Deutschland sei von Gleichschaltung in den Medien und Blockparteien diktiert. Die DDR wird als Referenz herangezogen: Deutschland sei auf „dem besten Weg in eine Gesinnungs-Diktatur.“ Früher die Stasi, heute „machen die Antifa-Banden Jagd auf politische Abweichler“, so der besorgte Bürger. Höcke hat die Lösung, denn die Wahl der AfD käme einer friedlichen Revolution gleich.

Der Zeichner des im September 2019 erschienen Webcomics ist Gehard Schlegel. Anfang des Jahres wurde bekannt, dass er seit 2013 auch Illustrator für die von der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) in Auftrag gegebenen Zeichentrickfilme mit dem Münchner Kindle ist. Dort sieht man das Münchner Kindle Menschen retten und Verhaltensregeln erklären. 2014 kandidierte Gerhard Schlegel für die AfD bei der Stadtratswahl München auf dem Listenplatz 73. Schlegel ist Teil vom Laska Comix Verlag in München, veröffentlicht dort Comics und Kinderbücher und arbeitet in der Werbung. Außerdem zeichnet Schlegel für die "Liga Deutscher Helden". Superhelden-Comics aus Deutschland, einem Comicprojekt, das trotz seines abschreckenden Namens viele professionelle und auch linke Comiczeichner*innen vereint.

Vorbild Österreich

Vorbild für diese AfD-Comics dürfte das Nachbarland Österreich gewesen sein. Dort hatte Heinz-Christian Strache schon vor Jahren das Medium für sich entdeckt: Von 2009 bis 2015 verschickte die FPÖ die Comics „Blauer Planet, Sagen aus Wien und Sagen aus Österreich“ an junge Wähler*innen. In den Comics tritt Strache als Superheld „HC Stra-Che“ in hellblauem Anzug auf und lässt es sich neben russischen Oligarchinnen, ähh... Nymphen in heißen Quellen gut gehen.

Im Wahlkampf-Comic von 2010 „Sagen aus Wien“, das vom Freiheitlichen Bildungsinstitut herausgegeben wurde und in einer Auflage von 550.000 erschien, wird ein Kind von „HC Stra-Che“ dazu aufgefordert, einem Mustafa mit einer Steinschleuder eine „aufzubrennen“. Im gleichen Heft wird ein grün-roter Basilisk mit einem Mundwasser bekämpft. Auf der Flasche steht Odal, statt Odol. „Odal - Monatsschrift für Blut und Boden“ war ein NS-Blatt, das ab 1939 von Walther Darre herausgegeben wurde, der u. a. das Rasse- und Siedlungshauptamt (RuSHA) der SS leitete. Die Odal-Rune steht für „Blut und Boden“ war im NS das Symbol der Reichsbauernschaft, der Hitler-Jugend und diente der SS als Divisionsabzeichen. Die Grünen klagten wegen des Comics auf Verhetzung. Das Verfahren gegen die FPÖ wurde später eingestellt.

Karikaturen für die FPÖ-Zeitung „Zur Zeit“, die wegen eines analogen Zeichenstil auf den gleichen Zeichner hindeuten, sind mit „Hotte“ signiert. „Hotte“ ist Horst Grimm, der eher ein Phantom in der Comic-Szene ist. Grimm zeichnete ebenfalls für „Die Republikaner“ (REPs) und die NPD. So lässt sich u. a. der Comicstrip „Geld für die Oma statt für Sinti und Roma“ (2014 im Newsletter „Klartext“ der NPD Sachsen erschienen) zu Grimm zurückverfolgen, der die dort vermerkte „comixfabrix“ leitete.

Rechte Rächer: Der Vigilant

Auch außerhalb parteifinanzierter Comics finden sich zunehmend rechte Themen in Comicform. Mitte April 2020 erschienen die ersten zwei Bände einer neuen Comicreihe namens „Der Vigiliant“. Entworfen hat sie Eric Zonfeld (Zonfeld-Comics). Die Geschichte spielt 2020: Die „Blockpartei Ökolix“ terrorisiert Deutschland mit „Zuhälterei, Wirtschaftskriminalität und Gutmenschentum“. Es gibt ein Ministerium für „Kinder, Familie und Sexualisierung“, Rechte werden auf der Straße ermordet und die Presse – der verlängerte Arm der Regierung – berichtet, dass es Selbstmord sei. Der Vigiliant ist ein Rächer (vgl. AIB Nr. 61), der Menschen überwacht und ermordet. Er ist Projektionsfläche rechter Mord- und Gewaltphantasien. Das erinnert an Bürgerwehren und die Terroranschläge von NSU, Breivik und Rathjen.

Die Comics erschienen wie bereits vorherige Bücher von Zonfeld im HJB-Verlag von Hansjoachim Bernt. Der HJB-Verlag aus Radolfzell am Bodensee ist bekannt für seine rechte Science-Fiction-­Veröffentlichungen. Ein Genre, das eine Mischung aus Verschwörungsmythen, rechtem Gedankengut und Eso-Nazi-­Phantasien à la Axel Stoll bedient. Der Verlag vertreibt auch die Bücher des Schweizer Unitall-Verlages von Hansjoachim Bernt, der bekannt ist für seine Veröffentlichung „Stahlfront“. Eine Romanreihe, die von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert wurde. Das Verwaltungsgericht Köln urteilte, „der Inhalt der Bücher [reize] zum Rassenhass an, verherrliche bzw. verharmlose die Idee des Nationalsozialismus, glorifiziere die Mitglieder der SS und diskriminiere Homosexuelle“ (Urteil VG Köln, 11. Oktober 2011). Während der Autor behauptet, es handle sich um Satire, zeigt die Platzierung im HJB-­Verlag deutlich worum es eigentlich geht: Rechte Gewalt- und Allmachtsfantasien unter dem Deckmantel der satirischen Kunst.

Hydra-Comics aus Dresden ?

Neu ist auch der Comicverlag Hydra-­Comics. Eingetragener Geschäftsführer ist der ehemalige Bundesvorsitzende des NPD-Jugendverbandes „Junge Nationaldemokraten“ (JN) Michael Schäfer, der auch in den Kreisen der Kameradschaft „Wernigeroder Aktionsfront“ auffiel. Im Marvel-Universum ist Hydra eine obskure, esoterische Geheimorganisation, die zur Zeit des Nationalsozialismus als Wissenschaftabteilung der SS gegründet wurde. Obwohl der Verlag noch nichts veröffentlicht hat, wird fleißig auf Social-Media-Kanälen geworben.

Das erste Heft soll drei Geschichten von drei Zeichnern enthalten. Namen werden nicht genannt. Hydra-Comics behaupten, dass sie all jenen ein Zuhause bieten, die im vermeintlich linken Mainstream nicht mehr zu Wort kommen. Auch andere machen Werbung: In einem Youtube-­Video spricht Alexander „Malenki” Kleine von den „Identitären“ in Leipzig, über Comics von Frank Miller, aus dessen Graphic-­Novel „300“ die „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa)  ihren Ruf „Ahu!“ entlehnten. Im Hintergrund ein Plakat von Hydra-­Comics und ein „Einprozent“-Shirt. Hofiert wird der Verlag auch vom „Arcadi-­Magazin“ und „Sezession“, die beide über die Neugründung berichteten. Letztere erklärt die Intention der Rechten, sich nun intensiver mit dem Medium Comic auseinanderzusetzen, damit, dass diese als Erweiterung rechter ‚Pop-Kultur‘ und für die einfache Vermittlung rechter Ideologien fungieren könnten.

Das lässt sich auf alle der beschriebenen Comics übertragen: Die Rechten bedienen sich eines Mediums, das als leicht zugänglich, kinder- und jugendfreundlich gilt. Wer die Zielgruppe der Comics sein soll, bleibt dabei völlig offen.

Die Informationen, zum Beispiel über die geplanten Verkehrsveränderungen in Berlin („Emilia & friends“) oder die Analogien zur DDR, sind zu spezifisch oder veraltet, um für Kinder oder Jugendliche spannend zu sein. Die meisten Zeichnungen haben wenig qualitativen Anspruch und die Panelstruktur ist durchweg langweilig. Die Stories sind flach, ihr Message durchschaubar. Das Medium Comic wird hier lediglich benutzt, um Wahlkampf zu betreiben und Gewalt- und Allmachtsfantasien auszuleben.