Skip to main content

Das Ende der „Europäischen Aktion“?

Einleitung

Im Juni 2017 erklärte der Thüringer Gebietsleiter der „Europäischen Aktion“ (EA), Axel Schlimper, in einem Video-Stream der NPD-Thüringen weitgehend unbemerkt die Auflösung der EA. „Im Grunde ist alles gesagt“, nun gelte es, „eigenverantwortlich und pflichtbewusst an der Erreichung der sieben Ziele weiterzuarbeiten“ — heißt es später auf der Homepage der EA. Vieles deutet darauf hin, dass mit der „Auflösung“ des europaweiten geschichtsrevisionistischen Netzwerks einem drohenden Verbot zuvorgekommen werden sollte.

Aufgelöst, aber doch noch da: Ein Banner der „Europäischen Aktion“ - befestigt von Axel Schlimper beim „Rock gegen Links“-Konzert im Oktober 2017 in Themar (Thüringen).

Juppheidi, Juppheida — Hausdurchsuchung, Razzia!1

Die „Europäische Aktion“ war im Jahr 2010 unter Vorsitz des Schweizers Bernhard Schaub gegründet worden und verstand sich als „Bewegung für ein freies Europa“. Der Gründung vorausgegangen waren Verbote von mehreren Holocaust-­Leugner-Organisationen in Deutschland wie dem „Collegium Humanum“ von Ursula Haverbeck-Wetzel, dessen Unterverein „Bauernhilfe“ sowie dem „Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holo­caust Verfolgten“ (VRBHV). Die „Europäische Aktion“ sollte Geschichtsrevisionisten aus ganz Europa ein Dach bieten und verstand sich nicht zuletzt wegen einer befürchteten staatlichen Repression als „Bewegung“.

Das Selbstverständnis der „Europäischen Aktion“ ist in sieben Zielen ausformuliert worden, die auf Flugblättern oder auch in stundenlangen Videomit­schnitten von Reden Bernhard Schaubs verbreitet wurden: „1) Wiederherstellung der Freien Rede 2) Abzug aller fremden Truppen 3) Repatriierung außereuropäischer Einwanderer 4) Staatliche Selbstbestimmung für die Deutschen der BRD und der BRÖ 5) Schaffung einer europäischen Eidgenossenschaft 6) Überführung des Geld- und Medienwesens ins Volkseigentum 7) Wiederaufbau der Tradition — Kampf der Dekadenz und Naturzerstörung“.

Neben heute insbesondere im Reichsbürgerspektrum vertretenen Ansichten wie der Vorstellung, die BRD sei nach wie vor besetzt, war insbesondere der explizite Antisemitismus Kennzeichen der EA, der sich mitnichten auf eine neonazistische Vergangenheitspolitik der Holo­caustleugnung (Ziel 1) beschränkte. Die EU galt der EA als „Kind der Zionisten“, der „politische Zionismus“ als „die Weltmacht schlechthin“.

Der deutsche Landesleiter der EA, Rigolf Hennig, der von dem mittlerweile in Mecklenburg-Vorpommern lebenden Schaub zunehmend das Zepter der Organisation in die Hand genommen hatte2 , sah „das deutsche Volk noch vor seiner größten Aufgabe, nämlich Europa befreien zu helfen und zu einen.“ In seiner „Schrift zur weltpolitischen Lage“ sah Hennig einen nahenden Zusammenbruch, da „die Zionisten“ die „Kontrolle verloren“ hätten: „Da mit schweren Notlagen zu rechnen ist mit dem Ausfall von Wasser, Strom und Heizung und plündernden Ausländerbanden in den Großstädten gilt es — um nur das Wichtigste anzureißen — haltbare Lebensmittel für mindestens drei Monate, Wasser, Heizstoffe und Kerzen vorzuhalten und Rückzugsmöglichkeiten auf dem Lande vorzubereiten. Zur Notvorsorge gehört selbstverständlich die Bewaffnung und Vorbereitung von Bürgerwehren, (wobei ich freilich nur zugelassene Waffen empfehlen darf.)“ Es gelte: „Zusammenrücken, Zellen bilden und diese vernetzen.

Verdacht des Aufbaus einer „Kampfverbindung

Scheinbar blieb es jedoch nicht bei theoretischen Planspielen. Ende 2016 nahm die Staatsanwaltschaft in Österreich Ermittlungen gegen acht Personen unter Führung des dortigen EA-Landesleiters Hans Berger auf. Der Personenkreis stand im Verdacht, eine österreichische Niederlassung der EA gegründet zu haben und auszubauen, wobei die EA das Ziel verfolge, die „verfassungsmäßigen Einrichtungen der Republik Österreich nicht nur zu erschüttern, sondern zu beseitigen“. Die Staatsanwaltschaft Österreich ordnete entsprechend Durchsuchungen bei Berger und weiteren Beschuldigten an, um etwaige Dokumente über die Organisation, NS-Devotionalien oder auch Waffen sicher­zustellen. Die „Umsturzbemühungen“ beschränkten sich laut Staatsanwaltschaft aber nicht allein auf Österreich, sondern auf ganz Europa — und seien unter dem Vorsitzenden der EA, Oliver Hasler aus Liechtenstein, „intensiviert, zunehmend militanter und ausführungsnäher“ verfolgt worden.

In Liechtenstein war die EA über viele Jahre hinweg besonders aktiv. Nachdem die propagandistischen Aktivitäten in dem kleinen Staat zwischen Österreich und der Schweiz 2012 für erheblichen Wirbel gesorgt hatten, erklärte der damalige EA-­Landesleiter Oliver Hasler im September 2012 öffentlich seinen Rücktritt. Im Liechtensteiner Volksblatt ließ sich Hasler zitieren, er wolle mit diesem Schritt „den Meinungsdiktatoren die Möglichkeit verwehren, meine persönliche Existenz zu zermürben“ und ergänzte gleichzeitig, er schließe sich der „Nulltoleranz-Linie“ der Regierung gegen Rechtsextremisten an. Doch schon 2014 trat Hasler erneut für die EA in Erscheinung.2

Paramilitärische Übungen in Ungarn

Die Vorwürfe der österreichischen Behörden stützen sich weiterhin auf langjährige Kontakte der EA zur mittlerweile aufgelösten militanten ungarischen Neonaziorganisation „Magyar Nemzeti Arcvonal“ (MNA). Die MNA organisierte über viele Jahre para­militärische Ausbildungen und Wehrsport­übungen in verlassenen Kasernen in Ungarn. Mitbegründer und Anführer der MNA war István Győrkös, der im Oktober 2016 bei einer Hausdurchsuchung wegen illegalen Waffenbesitzes auf Polizeibeamten schoss und dabei einen von ihnen tödlich verletzte. Die Behörden vermuteten aufgrund von Telefonüberwachungsmaßnahmen, dass die Tatwaffe von dem österreichischen EA-Aktivisten Peter K. illegal besorgt worden sein soll. Peter K. habe zudem seit 2010 immer wieder an para­militä­ri­schen Übungen der MNA in Ungarn teilgenommen. Im Juni 2014 fand in einer Wiener Gaststätte ein Treffen statt, an dem neben Hans Berger auch Axel Schlimper und Peter K. teilgenommen haben sollen, um die Vermittlung junger EA-Aktivisten zur Teilnahme an paramilitärischen Übungen in Ungarn zu planen.

Razzien in Thüringen

Doch nicht nur in Österreich wurden die Behörden gegen die EA aktiv. Auch in Deutschland gab es knapp zwei Wochen nach der erklärten Selbstauflösung am 10. Juni 2017 Razzien gegen die Struktur. Am 23. Juni 2017 durchsuchte die Polizei mit Unterstützung der Sondereinheit GSG9 vierzehn Objekte, insbesondere in Thüringen, darunter auch Schlimpers Wohnung. Auch in Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg, Hessen und Niedersachsen gab es Durchsuchungen. Ermittelt wird gegen dreizehn Personen wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Neben Propagandamaterial und Computern wurden Waffen und Munition sichergestellt. Den Beschuldigten wird vorgeworfen, im Raum Südthüringen bewaffnete Waldbiwaks veranstaltet oder an diesen teilgenommen zu haben.

Die im Juni erklärte Auflösung der „Euro­päischen Aktion“, die auf der Homepage der Organisation erst Monate später nachlesbar war, lässt sich vor diesem Hintergrund nur als Farce interpretieren, um einem Verbot zuvorzukommen. Trotz „Selbstauflösung“ und den laufenden Ermittlungen sind Aktivisten der EA auf extrem rechten Veranstaltungen vertreten und verzichten dabei nicht einmal auf die Symbole der vermeintlich aufgelösten Organisation. Als Ende Juli bis zu 1.000 Neonazis zum „Rock für Identität“ erneut ins thüringische Themar kamen, wurden die Reden, die das Neonazikonzert als politische Demonstration legitimieren sollten, vor einem Banner der „Europäischen Aktion Thüringen“ gehalten. Als Moderator trat Axel Schlimper in Erscheinung, der in seiner Rede forderte, sich „immer wieder zum Rassismus zu bekennen.3 Auch die Homepage der Organisation ist nach wie vor erreichbar.

  • 1Anmerkung: Axel Schlimper ist neben seinen Aktivitäten für die EA auch als Liedermacher unterwegs. Der Titel dieses Artikels ist dem Lied „Hausdurchsuchung!“ entnommen, das Schlimper gemeinsam mit Frank Rennicke vertont hat. Sie haben es von Musikern der links-alternativen Bewegung kopiert.
  • 2a2bVgl. AIB Nr. 108: "Europäische Aktion"
  • 3Vgl. taz.de: "Ein Zehntel ist noch übrig" von Michael Bartsch, 29.7.2017