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Das neurechte Institut für Staatspolitik

Einleitung

Im Mai 2000 wurde im hessischen Bad Vilbel das »Institut für Staatspolitik« gegründet. Zielgruppen des inzwischen auf das Rittergut Schnellroda (Sachsen-Anhalt) verzogenen Instituts, sind der konservative und rechte akademische Nachwuchs, aber auch Teile der politischen Elite. Mittels Seminaren, Veröffentlichungen und der Förderung von Forschungsarbeiten sollen die Strategiediskussion der sog. »Neuen Rechten« vorangetrieben und intellektuelle Netzwerke geknüpft werden. Grund genug, einen genaueren Blick auf Inhalte, Strategie und Praxis dieses Instituts zu werfen.

Denkfabriken, politische Stiftungen: Strategische Politikberatung jenseits der Nachrichtenlage

In der Bundesrepublik gibt es eine Reihe von außeruniversitären, geisteswissenschaftlichen Institutionen, welche zumeist als Stiftungen verfasst, im direkten Umfeld von Parteien angesiedelt sind. Diese stellen für die Parteien eine mehrfach funktionale Vorfeldstruktur dar. Zum einen dient ihre Tätigkeit der Meinungsbildung und Stabilisierung des jeweiligen Mitglieder- und Wählermilieus, zum anderen sind die Stiftungen Instru­ment der akademischen Nachwuchs­förderung, welche nicht nur auf den unmittelbaren Bereich der Partei­poli­tik zielt, sondern indirekte politische Multiplikatoren u.a. in Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur und Verwaltung zu platzieren sucht. Mit thematisch breit­angelegten publizistischen Akti­vi­tät­en sollen zudem die Öffentlichkeit, insbesondere die meinungsfüh­renden Medien erreicht werden.

Eine weitere wichtige Funktion der Stiftungen ist die Politikberatung. Diese agiert in einem Spannungsfeld zwischen Öffentlichkeit, Lobbyisten und parteipolitischen Interessen. Hier­­bei stellen die Stiftungen die Schnittstelle zwischen den Akteuren der Tagespolitik und einer politischen Philosophie her, die einen alle gesellschaftliche Sphären umfassenden welt­­­anschaulichen Interpretations­rah­men darstellt. Hier soll der praktischen Politik moralisch-politische Legitimi­tät verliehen werden. Die Stif­tungen sind der soziale Ort, an dem die Leit­linien für zukünftige gesellschaftspolitische Konzepte und die Strategien ihrer Durchsetzung entwickelt, vorgedacht und kommuniziert werden.

Die Annahme jedoch, die hier entwickelten Politik­planun­gen würden eine deckungsgleiche Um­setzung finden, hieße die Rolle derartiger Institu­tionen zu überschätzen. Denn letztlich nehmen Think Tanks im Konsti­tutionsprozess von Politik die Rolle ein, ohnehin wirkungsmächtige Strö­mungen zu verstärken. Doch es sind nicht nur parteinahe Stiftungen, welche die ge­nann­ten Funktionen erfüllen. Über diese hinaus gibt es eine Vielzahl von Institutionen, die nicht im direkten Vorfeld einer Partei agieren, sondern eine wissenschaftliche Akzentsetzung mit dem Ziel gesellschaftlicher Intervention verbinden. Die bekannteste dieser Einrichtungen dürfte das Ham­burger Institut für Sozialforschung von Jan Phillip Reemts­ma sein. Für die extreme Rechte war über Jahr­zehnte die von Armin Mohler geleitete Carl-Friedrich von Siemens–Stiftung von Bedeu­tung, seit einiger Zeit auch das Insti­tut für Staatspolitik.

»Reemtsma-Institut von rechts«

Eben das »Hamburger Institut für Sozialforschung« und seine diskursive Interventionsfähigkeit gilt dem »Institut für Staatspolitik« als Vor­bild. So war denn im Vorfeld der Grün­dung des Instituts auch vom Aufbau eines »Reemtsma-Instituts von rechts« (Ostpreußenblatt; 5.02.00) die Rede. Vor allem die von »neurechten« Publizisten aus dem Umfeld der JF hämisch bis neidisch kommentierte Kampagnenfähigkeit des HIS am Beispiel der Wehrmachtsausstellung gilt den Akteuren des Instituts als beispielhaft für die eigene Strategie, Themen zu besetzen. Ziel des IfS ist es, die extreme Rechte langfristig zunächst intellektuell aus der diskursiven Isolation zu führen, um sich damit die Chance auf einen nachhaltigen Einfluss als legitime politische Strömung zu sichern.

Mithin verfolgt das Institut eben jene politische Strategie, die für die »Neue Rechte« insgesamt prägend ist: Metapolitik. Deren Gegenstand ist nicht in erster Linie die beschriebene zeitnahe theoretische Reflexion tagespolitischer Probleme unter dem Blickwinkel der Parteitaktik. Vielmehr sind es die eher langfristig meinungsbildenden Themen wie Geschichtspolitik, Nation­begriff und Staatsverständnis, welche auch den Bezugspunkt des Instituts darstellen. So ist denn der Gegenpart im politischen Weltbild des Instituts nicht durch eine Partei oder ein politisches Konzept besetzt. Als Gegner werden vielmehr die Verfasstheit der politischen Kultur der Bundesrepublik und ihre postnazistischen Konstitu­tions­bedingungen begriffen. Diese gelte es exemplarisch zu dekonstruieren und durch gezielte Tabubrüche in Frage zu stellen. Dem Ansatz liegt einerseits die Erfahrung der wahlpolitisch begrenzten Reichweite rechtsextremer Parteipolitik in Deutschland, andererseits ein an Antonio Gramsci geschulter Begriff von kultureller Hege­monie zugrunde. Knapp umrissen wird mit Gramsci davon ausgegangen, dass eine potentielle Machtüber­nahme nicht im Handstreich am Tag X erfolgt, sondern diese politisch-kulturell innerhalb der vorpolitischen Sphäre der normativ soziokulturellen Lebenswelt durchgesetzt und abgesichert werden muss.

Das ideologische Umfeld des Instituts: Konsolidierung und Strategiewechsel

Die epochalen Umbrüche der Jahre nach 1989 erlebten die Akteure der Neuen Rechten in Deutschland wie im Rausch. Vieles von dem, was sie in den 80er Jahren in Bezug auf eine Renaissance rechtsextremer Politiken, frei vom Schatten des National­sozia­lismus, vorgedacht hatten, schien in greifbare Nähe gerückt. Insbeson­dere die Re-Nationalisierung des öffentlichen Selbstverständigungs­dis­kurses am Beginn der 90er Jahre des wiedervereinigten Deutschlands, ließ neurechte Autoren wie Karlheinz Weiß­mann zeitweise an einen Durch­marsch ihrer Positionen glauben.

Der tempo­räre Einfluss, den dieses neurechte Netzwerk auf Teile der konservativen Tagespresse und einzelne Ver­la­ge ausübte, verstärkte diesen Eindruck: erlangten zeitweise neurechte Mei­nun­gen ein Maß an Publizität, das weit über das Schatten­reich rechter Kleinstzeit­schriften wie Criticon hinaus ging. Einen Katalysator für diese Entwick­lung stellt ohne Zweifel die seit 1994 wöchentlich erscheinende Zeitung »Junge Freiheit« dar. Indes haben sich die sehr weitgehenden Hoffnungen der »Neuen Rech­ten« von einer sukzessiven Um­ge­­­stal­tung der politischen Kultur in der Bundesrepublik als überzogen erwie­sen. Es gelang den Neuen Rech­ten weder, einflussreiche Positionen in Politik und Medien zu erlangen, noch dominieren sie erkennbar einen politischen Diskurs. Bis Mitte der 90er Jahre zielte die Arbeit dieser Netz­werke auf eine Graswurzelrevolution von rechts, die »ein vielfältiges politisches, kulturelles und publizistisches ›Kapillarsystem‹ (entwickelt), durch das konservative Vorstellungen in breite Schichten sickern können.«1 Im Mittelpunkt der Bemühungen standen kulturelle Strömungen, zu denen der ideologische Brückenschlag gesucht wurde. Nach­dem dieses Konzept schnell an seine Grenzen stieß, gerieten nun erst die Republikaner, dann die CDU wieder ins Visier der ideologischen Strategie­arbeit.

Das Institut

Seminare, Tagungen, Veröffent­lich­ungen und die Förderung von For­schungsarbeiten gehören zum selbst­gewählten »Aufgabenbereich« des Instituts. Im Rahmen dieser Vor­gabe veranstaltet es seit 2000 jeweils eine Sommer- und eine Winteraka­demie, 2001 kam das »Berliner Kolleg« hin­zu. Omnipräsent bei diesen verschiedenen Treffen und Tagungen sind die Gründungsmitglieder Dr. Karl­heinz Weißmann und Götz Kubitschek. Darüber hinaus ließ man Personen aus der extremen Rechten wie den Anti-Antifa-Schreiber der Jungen Frei­­heit Manuel Ochsenreiter, den ehemaligen Mitarbeiter der Repu­blikaner Michael Wiesberg oder den französischen Rechtsintellektuellen Alain de Benoist ihre Thesen präsentieren. Für den Brückenschlag in den Konser­vatismus sollte schon 2001 Mar­tin Hohmann sorgen, der im Rah­men der Sommerakademie 2001 einen Rede­beitrag unter dem bezeichnenden Titel »Strategie im Parla­men­ta­rismus« hielt. Neben solchen Tagung­en, auf denen neben der Verbreitung von inhalt­licher Position und Stra­tegie auch die Kontaktaufnahme für das Netzwerk eine wichtige Rolle spielten, ist es die Publizistik, über die das IfS wirken will. Hierzu erscheint eine Zeitschrift, eine Buchreihe und eine Reihe von Themenheften.

Grundlegende »Perspektiven«

»Das IfS fördert Publikationen, die inhaltlich zu seiner Arbeit passen«, heißt es beim Institut. Gefördert wird die Reihe »Perspektiven« des eng mit dem IFS verbundenen Verlages »Edi­tion Antaios«. Dieser Verlag, der unter der gleichen Adresse wie das IfS zu erreichen ist, kann als der Hausverlag des IfS bezeichnet werden, da der IfS-Gründer Kubitschek für den Verlag verantwortlich zeichnet. In der Reihe Perspektiven bereiten die Autoren, fast allesamt auch Referenten des IfS, ihre zentralen Ideologen auf. Be­schrie­ben wurden Leben, Werk und Ideologie von Georges Sorel, Arnold Gehlen, Gerhard Nebel und Nicolas Gomey Davila. Michael Wiesberger trug einen Band über Botho Strauss zur Reihe bei, Bernd Rabehl einen solchen über Rudi Dutschke. Auch aktuelle Debatten und Strategie­diskus­sionen finden Eingang in die Reihe.

»Wissenschaftliche Reihe« und »Berliner Kolleg«

Diese Publikationen werden flankiert von zwei Heftreihen, dem »Berliner Kolleg« und der »Wissen­schaftlichen Reihe«. In ersterer werden Tagungsbeiträge der gleichnamigen Tagung veröffentlicht, die zweite behandelt eher zeitnahe, tagespolitische Themen und Kampagnenfelder des Instituts, so das Heft »Politische Kampagnen – Erfolg und Mißerfolg in der ›Leitkulturdebatte‹ und im ›Anti­semitismusstreit‹.«

Debatten- und Theorieorgan – Sezession

Seit April 2003 erscheint vierteljährlich in einer Auflage von 3500 Exemplaren das Theorieorgan »Sezes­sion«, in welchem angeblich »realpolitisch, nicht gesinnungspolitisch ge­dacht wird«. Dieses soll das Vakuum füllen, welches die neoliberale Wen­dung des langjährigen Theorie­organs dieser Strömung »Criticon« hinterlassen hat. Dabei legt die Redak­tion darauf Wert, dass es nicht um ein »intellektuelles Spiel« geht. Neben grund­legenden Beiträgen werden auch aktuelle Debatten aufgegriffen, so in der Debütausgabe das Thema »Krieg«. Wich­tig­stes Themenfeld stellt derzeit die Selbst- und Feindbestimmung da, die in Heft 3 »Rechts« und Heft 4 »Links« zu finden ist.

Themen des Instituts

Unterhalb des von Weißmann, Kubit­­schek und Wimbauer geleiteten Institutskollegiums existieren fünf Ar­beits­­gruppen, welche sich mit folgenden Themen beschäftigen: 1. Die Rolle des Staates im 21. Jahrhundert, 2. Die politische Linke, 3. Zuwan­derung und Integration, 4. Kriegs- und Konfliktforschung und 5. Erzie­hung und Bildung. Es fällt auf, dass der Staat an erster Stelle steht. Das ist kein Zufall. Wie der Name »Institut für Staatspolitik« schon sagt, wird Politik hier nicht vom Bürger, sondern vom autoritären Machtstaat her gedacht. Be­zugs­­punkt ist hierbei die politische Philosophie des Staats­rechtlers Carl Schmitt, der an die Stelle einer pluralen Demokratie eine identitäre setzen wollte. Dabei wird der Begriff Volk als metaphysische, überge­schicht­liche Konstante verstanden, in deren Namen staatliche Politik zu agieren habe. Demnach  stehen im Mittelpunkt denn auch die klassischen Denkfiguren Schmitts, wie die Schaffung einer gesellschaftlichen Formierung nach innen und eine klare Feindbestimmung. Außenpolitisch favorisiert Schmitt das Konzept einer großraumorientierten Macht­politik.

Grenzen und Kritik des Instituts­konzepts

Die Institutsgründung ist nach der Euphorie der Neuen Rechten zu Beginn der 90er Jahre als organisatorisch-politischer Konsolidierungs­ver­such einer politischen Strömung zu verstehen, deren angestrebter Marsch durch die Institutionen vorerst ge­schei­tert ist. Konzeptionell schwanken die politischen Optionen der Akteure dabei zwischen einer isolationistischen Selbststilisierung als intellektuelle Avantgarde, einer politischen Umwälzung von rechts, jenseits des so verachteten Mainstream­diskur­ses und dem Versuch diskurspolitischer Interventionen. Letzteres soll mit dem Mittel des gezielten Tabu­bruchs erreicht werden, um die angeblich geschlossene Phalanx der linksliberalen Political Correctness zu durchbrechen.

Das Verhältnis zum etablierten Konservatismus der Union ist instrumenteller Natur. Durch die bewusste Ausweitung des Begriffs »konservativ« auf klar rechtsextreme Positio­nen, Personen und Strukturen sucht man das Stigma des Rechtsextre­mis­mus los zu werden und sich dem rechten Flügel des Konservatismus als politische Heimat anzudienen, ohne rechtsextreme Bündnispartner zurück­­lassen zu müssen. All diese Mechanis­men zeigt der Fall Hohmann exemplarisch. Er führt jedoch auch die Gren­zen dieses Konzepts vor Augen. So gelang es dem Netzwerk aus JF, Insti­tut für Staatspolitik und einem Teil des rechtskonservativen Flügel der CDU trotz erheblichen publizistischen Aufwandes nicht, Hohmanns Positio­nen in der Mitte des politischen Konser­vatismus Akzeptanz oder gar Mehrheiten zu verschaffen. Dies scheiterte vor allem an der auch von der JF immer wieder beklagten Hege­monie der »Atlantiker«, also jener der Westbindung verpflichteter Politiker wie Friedbert Pflüger in der Union. Die Ausstrahlungskraft des Instituts ist ganz offenbar trotz der genannten Bemühungen um Multiplikatoren im konservativen Lager auf die eigene rechtsintellektuelle Szenerie begrenzt.

An der sich in den vergangenen rund 14 Jahren vollziehenden Ver­schie­bung wesentlicher Elemente des politischen Diskurses nach rechts hatten die »neurechten« Netzwerke einen vergleichsweise geringen Anteil. Nachhaltige Impulse für eine weitere Verschiebung der politischen Debatte nach rechts geht demnach nicht vom Institut und seinem Umfeld, sondern nach wie vor von den Themen der politischen Mitte aus.

  • 1Stein, Dieter: Niederwerfung der Konser­vativen. In: Junge Freiheit, Nr. 4, April 1992, S. 2