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Das Objekt 21

Heribert Schiedel
Einleitung

Anfang 2013 hob die österreichische Kriminalpolizei ein kriminelles Netzwerk aus, auf dessen Konto zahlreiche Verbrechen wie etwa Brandstiftung oder schwerer Raub gehen. Seinen Ausgang hatte das österreichisch-deutsche Netzwerk im neonazistischen „Kulturverein“ Objekt 21 im oberösterreichischen Desselbrunn.1 Dessen Anführer wurden mittlerweile verurteilt2 , von einer vollständigen juristischen Aufarbeitung des Falles kann aber noch lange nicht die Rede sein.
 

  • 1Vgl. AIB Nr. 98
  • 2Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig

Teilnehmer eines „Balladenabends“ im Objekt 21 — links Jürgen Windhofer und rechts Manuel Spindler.

Prozessreigen

Im bisher letzten Verfahren gegen die Objekt 21-Bande wurden Mitte August diesen Jahres mit Jürgen Windhofer und Manuel Spindler dessen führende Köpfe zu sechs Jahren und neun Monaten bzw. zu vier Jahren und acht Monaten verurteilt. Während in diesem Prozess nur die rein kriminellen Machenschaften zur Sprache kamen, wurden einige der zahlreichen Verstöße gegen das NS-Verbotsgesetz bereits im November 2013 vor einem Welser Geschworenengericht verhandelt. Damals setzte es für Windhofer sechs und für Spindler vier Jahre Haft, fünf mitangeklagte Neonazis kamen mit teilbedingten und bedingten Haftstrafen1  zwischen 18 und 30 Monaten davon. Auch diese Urteile sind noch nicht rechtskräftig.

Am Anfang des sich über vier Jahre hinziehenden Verfahrens nach dem Verbotsgesetz stand ein Zufallstreffer: Im Mai 2009 wurden bei einer Polizeikontrolle des Autos von Windhofer verbotene Waffen und zahlreiche NS-Devotionalien gefunden. Am Steuer saß damals Spindler, der spätere formale Objekt 21-Anführer. Ebenfalls dabei war der im Juni 2013 verhaftete deutsche Neonazi Philip Tschentscher, dem die Justiz in einem gesonderten Verfahren Anfang 2014 nachwies, seit 2009 als „Reichstrunkenbold“ die Szene mit härtestem NS-Gesang versorgt zu haben. Trotz dieser belastenden Funde sah die Vereinsbehörde im März 2010 keinen Anlass, die Zulassung des von Spindler angemeldeten und geführten „Kulturvereins“ Objekt 21 zu untersagen.

Auch ansonsten haben sich die oberösterreichischen Behörden nicht gerade durch besonderen Ermittlungseifer ausgezeichnet. Ein Objekt 21-Aktivist wusste vor Gericht etwa zu berichten, dass man bei einer Hausdurchsuchung die Polizei einfach eine Stunde lang vor verschlossener Türe warten ließ und so belastendes Material verstecken konnte. Und der Besitzer des Bauernhofes, in dem sich die Neonazis Anfang 2009 eingemietet hatten und der als Veranstaltungsort von Konzerten mit so einschlägigen Bands wie Gigi und die braunen Stadtmusikanten diente, sagte aus: „Es gab mehrere Razzien im Haus, bei denen die Polizei nicht viel gefunden hat. Die Mieter haben mir dann auch zu verstehen gegeben, dass sie mit der Exekutive unter einer Decke stecken und dort Freunde haben. Sie haben behauptet, dass sie Tage vorher immer schon gewusst haben, wenn eine Hausdurchsuchung stattfindet. Das hat mein Vertrauen in die Polizei immens erschüttert.“

Erst nachdem engagierte Antifa­schist­_innen auf die neonazistischen Umtriebe im gemieteten Desselbrunner Bauernhof hingewiesen und politischen Druck aufgebaut hatten, kam es Ende 2010 zum Verbot des Vereins Objekt 21, der es mittlerweile auf mehr als 200 Mitglieder gebracht hatte. Ihre kriminellen Aktivitäten im Zuhältermilieu setzten die Neonazis danach mit noch größerer Intensität fort. Erst das Geständnis eines verhafteten Auftraggebers führte Anfang 2013 zum Auffliegen des kriminellen Netzwerkes. Von den 35 Personen, gegen die ursprünglich Ermittlungen eingeleitet worden waren, mussten sich neben dem Auftraggeber bis dato erst acht Männer vor Gericht verantworten. Etwas weiter fortgeschritten ist die strafrechtliche Ahndung der neonazistischen Betätigung seitens der führenden Objekt 21-Kader: Von den ursprünglich elf Personen, gegen die nach dem NS-Verbotsgesetz ermittelt worden war, sind bereits sieben verurteilt (s. o.).

Deutsche Neonazis in Österreich

Zahlreiche Delikte, die dem Objekt 21-Netzwerk zur Last gelegt wurden, waren von deutschen Neonazis begangen worden. Insbesondere zur ähnlich gestrickten Hausgemeinschaft Jonastal (Crawinkel) bestanden beste Kontakte. Im März 2014 wurde Steffen Mäder aus Thüringen wegen mehrerer Einbrüche, Beteiligung an einem versuchten Brandanschlag und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung von einem Welser Gericht zu drei Jahren unbedingter Haft verurteilt. Mäder war einer jener deutschen Neonazis, die von Andreas P. für die Machenschaften von Objekt 21 rekrutiert wurden. Der ebenfalls aus Thüringen stammende P. wiederum soll 2008 von Tschentscher mit den österreichischen Kameraden bekannt gemacht worden sein. Im November 2012 wurde P. in Gotha verhaftet und nach Österreich ausgeliefert. Im August 2013 wird auch Mäder verhaftet und nach Österreich überstellt. Die beiden wurden im März diesen Jahres gemeinsam verurteilt2 , wobei die Anklage maßgeblich auf den Geständnissen von P. aufbaute. Auch andere ehemalige Kameraden waren von P. schwer belastet worden, was ihm massive Drohungen aus der deutsch-österreichischen Neonaziszene einbrachte. Im Zuge von Mäders Verhaftung kam es  auch zu Hausdurchsuchungen in Crawinkel, wo er als einer der führenden Aktivisten der Hausgemeinschaft Jonastal agiert hatte. Auch in Ballstädt wurde eine Immobilie durchsucht, an deren Kauf Mäder beteiligt war. Bei den Razzien wurde auch ein illegales Waffenlager ausgehoben.

Neben dem in Ungnade gefallenen P. gilt Tschentscher als zentraler Verbindungsmann zwischen der österreichischen und deutschen Neonazi-Szene. Der politische Ziehsohn von Manfred Roeder war nicht nur als Handlungsreisender in Sachen Nazi-Devotionalien unterwegs, sondern versuchte sich auch als „Liedermacher“. Die CD, die Tschentscher alias „Reichstrunkenbold“ unter dem bezeichnenden Titel „Der Untergrund stirbt nie“ 2010 rausgebracht hatte, war im Objekt 21-Vereinslokal aufgenommen und von Windhofer sowie einem Mitangeklagten, der auch das Cover gestaltet hatte, vertrieben worden. Während Tschentscher den im November 2013 nach dem Verbotsgesetz angeklagten „Kameraden“ beim Rausgehen aus dem Gerichtssaal noch zurief: „Lasst euch nicht unterkriegen! Alles für Deutschland!“, gab er sich im eigenen Verfahren Anfang 2014 plötzlich geläutert: In der Haft sei ihm das Unrecht seiner Taten bewusst geworden und darum möchte er künftig ein „unpolitisches Leben“ führen.
 

  • 1„teilbedingte“ und „bedingte“ Haftstrafen entsprechen der deutschen Bewährungsregelung
  • 2Auch dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig.