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Den »Club 88« trocken setzen!

Einleitung

Seit fünf Jahren besteht der »Club 88«. Nachdem die Stadt Neumünster mit dem Konzessionsentzug scheiterte, treten die Neonazis offensiver auf denn je. Die »Freien Nationalisten« haben den Kampf um den Neonaziclub zu einem ihrer Schwerpunkte gemacht.

Peter Borchert (mitte) als Redner im Club 88 Pullover auf einer Neonazi-Demonstration.

Zum Zeitpunkt der letzten Berichterstattung hatte sich der antifaschistische Widerstand gerade formiert. Das örtliche Bündnis gegen Rechts begann Mitte 1999 über die Struktur und die Bedeutung des »Club 88« zu informieren, deren Konzessionsinhaberin Christiane Dolscheid bis zur Selbstauflösung in der »Skingirlfront Deutschland« (SFD) tätig war. Mehrere Flugblattverteilaktionen, gerade auch in den Stadtteilen, die Neonazis als »ihre« deklarieren, wurden durchgeführt, im Juni 1999 eine erste größere antifaschistische Demonstration gegen den »Club 88« organisiert. Im September haben sich dann auch zunehmend bürgerliche Kreise z.B. aus Gewerkschaften oder Kirchen im Kampf gegen den »Club 88« positioniert.

Zurückhaltung während des juristischen Verfahrens

Dieser antifaschistische Widerstand vor Ort, der zunehmend auch regional getragen wurde, hat die Stadt Neumünster unter Handlungsdruck gesetzt. Seit September 1999 entzog sie Dolscheid die Konzession wegen »Unzuverlässigkeit« und verfügte die sofortige Schließung des »Club 88«. Derschwach begründete, auf dem Gaststättenrecht fußende Konzessionsentzug war jedoch ein juristisch fragwürdiger Schritt, der bereits nach wenigen Tagen vom Verwaltungsgericht Schleswig aufgehoben wurde. Von der norddeutschen Neonaziszene wurde dies als ein erster Erfolg gefeiert. Am 25. Oktober bestätigte dann auch das Oberverwaltungsgericht die Entscheidung.

Vor dem gescheiterten Konzessionsentzug hatte sich die neonazistische Szene um das »Sturmlokal« bewusst zurück gehalten. Begründet wurde dies im Neonazi-Magazin »Hamburger Sturm« Nr. 20 u. a. damit, dass AntifaschistInnen keine »Argumentationshilfe für rechte Gewalt« geliefert werden sollte. Aber bereits während des juristischen Verfahrens hatte sich eine neonazistische Kampagne abgezeichnet. Der Konzessionsentzug wurde von Neonazi-Aufmärschen mit bis zu 400 Teilnehmern am 4. und am 16. September 2000 begleitet, die von dem Hamburger Neonazi Christian Worch angemeldet worden waren.

Der ursprünglich von örtlichen Neonazis und rechten Skinheads initiierte »Club 88« wird seit längerer Zeit maßgeblich von den »Freien Nationalisten« um die Neonazi-Kader Worch und Thomas Wulff beeinflusst, die den Kampf um den Erhalt des Neonaziclubs zu einem ihrer Schwerpunkte gemacht haben. Unterstützung leistet auch der Hamburger Jan Steffen Holthusen, (bis zum Verbot im »Hamburger Sturm« und bei »Blood & Honour« aktiv), der regelmäßig in Neumünster zu Gast ist und die Geschicke des »Club 88« - neben Dolscheid – auch organisatorisch leitet.

Offensives Vorgehen gegen Protestaktionen

Mit Flugblättern, Aufmärschen und dem Besuch von Veranstaltungen versuchen die Neonazis, das politische Klima in Neumünster nun zu beeinflussen. Durch die richterlichen Weihen noch gestärkt gehen sie ein ums andere Mal offensiver gegen die fortgesetzten Protestaktionen vor. Darüber hinaus nutzen sie jede sich bietende Möglichkeit, um in der Öffentlichkeit präsent zu sein. Zuletzt demonstrierten am 21. März 2001 rund 100 Neonazis in der Neumünsteraner Innenstadt »für Toleranz« gegenüber dem »Club 88«.

Problemlos konnte wiederum Christian Worch die Demonstration in der Innenstadt als Reaktion auf Veranstaltungen anlässlich des internationalen Antirassismustages durchführen. Aber auch auf Veranstaltungen, die über die neonazistische Szene aufklären sollen, wird reagiert So werden diese gestört, wie Anfang Dezember 2000, als rund 20 Neonazis eine Veranstaltung, die gegenüber dem »Club 88« stattfand, störten, oder es wird versucht, Meinungsfreiheit und Toleranz einzuklagen und als vermeintlich legitime »nationale Opposition« Gehör zu finden.

Doch nicht nur propagandistisch sind die Schleswig-Holsteiner Neonazis gestärkt aus der Auseinandersetzung um den »Club 88« hervorgegangen, auch auf der Straße zeigen sie immer deutlicher ihr wahres Gesicht. Mehrere Angriffe auf Menschen, die nicht in das neonazistische Weltbild passen, zeigen dies deutlich. Mittlerweile werden unverhohlene Drohungen ausgesprochen. So von dem Kieler Neonazi Peter Borchert, der in der elften Nummer der Neonazi-Zeitschrift »Zentralorgan« erklärte, der »Club 88« sei eine »Prävention gegen Gewalt, so lange es ihn gibt...!«.

Borchert, der sich in den letzten drei Jahren innerhalb der norddeutschen Neonazi-Szene weit nach oben gedient hat - er war nach einem »Putsch« der »Freien Nationalisten« kurzzeitig Vorsitzender der schleswig-holsteinischen NPD - ist ebenfalls maßgeblich in die Geschicke des Neonaziclubs verstrickt. Seit Mitte letzten Jahres fungiert er als Sprecher des »Club 88« und organisiert zusammen mit Dolscheid die dortigen Veranstaltungen. Dass er darin über einschlägige Erfahrung verfügt, zeigt u. a. ein von ihm am 3. Februar 2001 in Hamburg-Rothenburgsort organisiertes »Blood & Honour«-Konzert, welches von 500 Gästen besucht und nach einer Saalschlacht von der Polizei schließlich beendet wurde.

Hilfloses Agieren von Stadt und etablierter Politik

In dem kurzen Hoch des bürgerlichen Antifaschismus des Sommers 2000 hat sich mittlerweile die grüne Bundespolitikerin Angelika Beer hervorgetan. Zusammen mit dem IG Metall-Vorsitzenden Peter Seeger sowie anderen »namhaften Neurnünsteranern« hat Beer am 7. Oktober 2000 ganz im Sinne des propagierten bürgerlichen Antifaschismus und in Abgrenzung zu dem bestehenden Bündnis gegen Rechts, einen »Verein für Toleranz und Zivilcourage« ins Leben gerufen. Den jahrelangen unabhängigen Antifaschismus negierend wollen Seeger und Beer »...jetzt etwas Dauerhaftes für die Zukunft schaffen.«

Mit Mahnwachen vor dem »Club 88« und ähnlichen Aktionen will der Verein gegen die Neonazis kämpfen. Ob aber hilflose Appelle, »wir wollen euch hier nicht haben, haut bitte ab aus Neumünster«, wie von Peter Seeger zum Abschluß einer antifaschistischen Kundgebung vor dem »Club 88«, irgend etwas nützen, bleibt zu bezweifeln. Die Stadt Neumünster reagiert auf das offensive Vorgehen der neonazistischen Szene weiterhin mit unbedachten und antiquierten Mitteln. Gegen den zunehmenden Straßenterror wurde im Dezember 2000 eine »Ermittlungsgruppe der Bezirkskriminaldirektion Kiel« aufgestellt und als sozialpädagogische Maßnahme ein Straßensozialarbeiter eingestellt, der die Neonaziszene betreuen soll.

Die örtlichen AntifaschistInnen kritisieren auf ihrer Homepage zu Recht, dass hier mit Mitteln der akzeptierenden Jugendarbeit erneut neonazistische Räume aufgemacht werden, die von AntifaschistInnen und von kritischen SozialarbeiterInnen schon bei früheren Versuchen in zahlreichen Städten, u.a. im nordniedersächsischen Tostedt, vehement kritisiert wurden. Das adäquate Mittel, die Stärkung von unabhängigen, antifaschistischen Initiativen und MigrantInnenorganisationen, ist nicht in Sicht. Gleichzeitig ist die Stadt Neumünster offensichtlich durch die richterliche Schelte ob ihres Antrages auf Konzessionsentzug so eingeschüchtert, dass neonazistische Demonstrationen problemlos genehmigt werden.