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Der rechte Traum von einem deutsch-russischen Bündnis

Als Josef Stalin im März 1952 Frankreich, Großbritannien und den USA Verhandlungen über die Vereinigung der beiden deutschen Staaten und die Festlegung eines neutralen Status Deutschlands anbot, schlug dies hohe Wellen. Die Adenauer-Regierung hatte sich früh auf die so genannte ‚Westintegration‘ festgelegt und lehnte die ‚Stalin-Note‘ ab. Eine politische Minderheit trat dafür ein, den Vorschlag genauer zu prüfen. Auch die extreme Rechte in der Bundesrepublik Deutschland (alt) war an der Frage der Bewertung der ‚Stalin-Note‘ gespalten. Dominierte bei vielen der dogmatische Antikommunismus, so gab es andere, für die die ‚Einheit der Nation‘ vorgängige Zielsetzung war. Zwar sollte mit einem Friedensvertrag auch die deutsch-polnische Grenze entsprechend der Beschlüsse der Potsdamer Konferenz entlang Oder und Neiße endgültig festgelegt werden, der geplante Abzug aller Streitkräfte der Besatzungsmächte sowie eine Ende der Entnazifizierung und die Möglichkeit der Aufstellung einer Armee und der Produktion von Kriegsgerät in Deutschland konnten von der extremen Rechten positiv bewertet werden.

In den folgenden Jahrzehnten blieb es in der extremen Rechten stets umstritten, wie dem gemeinsam vertretenen Ziel der ‚Wiedervereinigung‘ bzw. der ‚Wiedererrichtung des Reiches‘ näher zu kommen sei: als Teil eines militärisch starken ‚Westens‘ oder unabhängig und außerhalb der NATO (und hinsichtlich der DDR vom Warschauer Pakt). Die Kontroverse führte zu zahlreichen Büchern, wie beispielsweise ‚Deutschland von Russlands Gnaden‘ (Emil Maier-Dorn, 1972) oder ‚Zur Feindschaft verdammt? Die deutsch-russischen Beziehungen gestern — heute — morgen‘ (Osswald Feller, 1977). Die Fokussierung von Teilen der extremen Rechten auf Russland brachte zeitweise auch Gruppen wie die Deutsch-Russländische Gesellschaft e.V. (1957—1996) hervor, die sich in ihren Akti­vitäten (u.a. Preisverleihungen) und ihrer Zeitung ‚Russland und Wir‘ positiv auf die reaktionäre Russisch-Orthodoxe Kirche sowie die Wlassow-Armee bezog. Die sogenannte Wlassow-Armee war ein russischer Freiwilligenverband, der ab Ende 1944 an der Seite der Nazi-Wehrmacht kämpfte. In jüngerer Zeit trat vereinzelt die vom österreichischen Altnazi Herbert Schweiger gegründete Deutsch-russische Friedensbewegung europäischen Geistes e.V. in Erscheinung.

Der Machtverlust der Kommunistischen Partei sowie der Zerfall der Sowjetunion wurden von der extremen Rechten zunächst begrüßt, letzteres als Durchsetzung des ‚völkischen Prinzips‘ (ein Volk = ein Nationalstaat) interpretiert. Mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik und der Aufhebung der letzten besatzungsrechtlichen Beschränkungen durch den Zwei-plus-Vier-Vertrag 1991 sah die extreme Rechte Deutschland wieder ‚auf die Bühne der Weltpolitik‘ zurückgekehrt. Zahlreicher waren daher in den frühen 1990er Jahren die Überlegungen, wie Deutschland seine angeblich geopolitisch bedingte Rolle als Ordnungsmacht in Europa wieder wahrnehmen könne.

Nach dem Zerfall der Sowjetunion setzte sich in der extremen Rechten endgültig ein scharfer Antiamerikanismus durch. Die herausgehobene weltpolitische Rolle der USA — historisch in zwei Weltkriegen gegen den deutschen Imperialismus, aktuell als stärkste Militärmacht — sowie die durch den Verzicht auf das völkische Prinzip konstituierte Gesellschaft machen die USA (neben Israel) zum Hauptfeind der extremen Rechten. Zur Überwindung der US-Hegemonie und zur Etablierung Deutschlands als führende Macht in einem weite Teile Europas umfassenden Großraums strebt die extreme Rechte auch den Zugriff auf Atomwaffen an.

Sie ist sich zugleich bewusst, dass es zur Durchsetzung dieser Politik Verbündeter bedarf. Dabei wird insbesondere an Russland gedacht, das man sich mindestens als starken Akteur gegenüber den USA und der NATO wünscht. Darüber hinaus werden jene politischen Kräfte in Russland favorisiert, die gegen ‚westliche‘ Einflüsse auftreten und anti-liberale Konzepte vertreten. Entsprechend wurde die Regierungszeit Boris Jelzins in den 1990er Jahren kritisch bewertet, habe sie doch dem Organisierten Verbrechen — hier wird etwa Michail Chodorkowski genannt — durch eine ‚Politik des Ausverkaufs‘ großen Einfluss auf die Wirtschaftspolitik ermöglicht. Demgegenüber wird die Regierung Putin insbesondere mit Blick auf das weltpolitische Handeln weitgehend positiv gesehen. Zugleich wird aber auch kritisiert, dass es der Putin-Regierung an der Bereitschaft mangele, eine weltweite Front anti-amerikanischer und anti-liberaler Kräfte zu schaffen.

Bereits anlässlich des Kaukasuskrieges 2008 hat die extreme Rechte in Deutschland weitgehend das Handeln der russischen Regierung einschließlich des Einmarsches russischer Truppen nach Georgien begrüßt. Diese Position wurde regelmäßig — etwa in der NPD-Parteizeitung ‚Deutsche Stimme‘, in ‚Nation & Europa‘ oder im ‚Euro-Kurier‘ aus dem Grabert-Verlag —durch antisemitisch grundierte Verweise auf enge georgisch-israelische Beziehungen und die Behauptung, insbesondere Israel profitiere von dieser Auseinandersetzung, unterfüttert. Darüber hinaus wurde das Recht Russlands betont, in ‚seinem Großraum‘ als Ordnungsmacht auftreten zu dürfen — insbesondere wenn es zugleich um die Zurückdrängung des Einflusses anderer Großmächte geht. Der von maßgeblichen Teilen der deutschsprachigen extremen Rechten favorisierten Vision eines Bündnisses Deutschlands mit Russland soll durch zahlreiche historische Verweise auf enge Beziehungen zwischen den beiden Ländern Plausibilität verliehen werden. Hierzu gehört die regelmäßige positive Erwähnung von Katharina der Großen, die — in Preußen geboren — seit Juli 1762 Zarin von Russland war und den Machtbereich des Landes insbesondere nach Westen (Teilungen Polens 1772, 1793, 1795) sowie im Zuge der beiden russisch-türkischen Kriege (1768—1774; 1787—1792) nach Süden (Zugang zum Schwarzen Meer) ausweitete.

Ähnlich häufig finden sich in den Texten der extremen Rechten positive Verweise auf die ‚Konvention von Tauroggen‘ aus dem Jahr 1812. In dieser schlossen die russische Armee und das preußische Hilfskorps, das nach der Niederlage Preußens gegen Frankreich (1806/07) Teil der Streitkräfte Napoleons in dessen Feldzug gegen Russland war, einen separaten Friedensvertrag. Die preußischen Truppen wurden mit sofortiger Wirkung für neutral erklärt, die Konvention trug maßgeblich zum Abschluss des russisch-preußischen Bündnisvertrages von Kalisch (Februar 1813) bei und in Folge der Niederlage Napoleons konnte Preußen einen erheblichen Gebietszuwachs verzeichnen, der auf dem Wiener Kongress (September 1814 bis Juni 1815) vertraglich fixiert wurde.

Mit Blick auf das 20. Jahrhundert wird eine positive Darstellung der militärischen Kooperation zwischen der Sowjetunion und der Reichswehr in der ersten Hälfte der 1920er Jahre verbreitet. Während Deutschland den Aufbau einer wehrtechnischen Industrie und die Generalstabsausbildung unterstützte, konnte das Deutsche Reich – unter Verletzung der Bestimmungen des Versailler Vertrages — Rüstungsgüter aus der Sowjetunion beziehen und auf dortigem Territorium Truppen ausbilden und chemische Kampfstoffe herstellen.

Neben der Würdigung einer ‚Politik zu beidseitigem Vorteil‘ finden sich insbesondere bei denjenigen Vertretern der extreme Rechten, die sich an der Bestimmung ‚völkischer Zugehörigkeit‘ entlang von Kriterien wie Siedlungsraum, Sprache und Kultur versuchen, auch die These einer ‚Verwandtschaft von Germanen und Slawen‘. Hierzu gehört etwa der Unterzeichner des rassistischen Heidelberger Manifestes Helmut Schröcke mit seinem Buch ‚Germanen — Slawen. Vor- und Frühgeschichte des ostgermanischen Raumes‘. Ziel entsprechender Behauptungen seitens der extremen Rechten ist die Markierung ‚germanischen [sprich: deutschen] Lebensraums‘.

Der damit verbundene Anspruch wird noch immer gegenüber den ‚ehemaligen deutschen Ostgebieten‘ erhoben. Insofern bleibt die Rückführung der zum russischen Staatsgebiet gehörenden Oblast Kaliningrad (‚Ostpreußen‘) ein weiterhin bestehen­des Ziel der extremen Rechten Deutschlands.