Skip to main content

Deutsche Neonazis beim „Tag der Ehre“ in Ungarn

Mikkel Hansen und Marian Ramaswamy
Einleitung

Am zweiten Februar-Wochenende, dem 11. Februar 2017, fand in Budapest der sogenannte „Tag der Ehre“ statt — ein zentraler Termin im Kalender der europäischen militanten Rechten. An der „Gedenkfeier“ und dem „Gedenkmarsch“ nahmen auch zahlreiche Neonazis aus Deutschland teil. Hintergrund der Veranstaltung: Nachdem Einheiten der deutschen Wehrmacht, der Waffen-SS und ungarischer-faschistischer Kampfverbände von sowjetischen Truppen in Budapest eingeschlossen waren, starteten diese einen aussichtslosen Ausbruchsversuch, den der Großteil von ihnen nicht überlebte.

Foto: Mikkel Hansen

Kurz nach dem Start — Stefan Behrens (Uniform) und Hannes Ostendorf (weiße Jacke) von "Kategorie C".

Veranstaltet wurde die traditionelle Neonazi-Kundgebung zur Verherrlichung deutscher und ungarischer Faschisteneinheiten hauptsächlich von den „Hammer Skins Hungária“, den „64 Gespanschaften“ (Hatvannégy Vármegye Ifjúsági Mozgalom, HVIM) und den „Skins4Skins Hungária“. Aber auch die ungarische Sektion von „Blood & Honour“, „die Geächteten“ (Betyársereg), „Identitárius Egyetemisták Szövetsége“ (Studentengruppierung) und die „Hungária Skins“ beteiligten sich an der Organisation. Obwohl zwei der (mit)organisierenden Gruppen verboten sind, stand der Durchführung sowie die Verwendung derer Symbole und Insignien nichts entgegen. Für das „Heldengedenken“ wählten die Organisatoren das Erste-Weltkriegs-Denkmal „WWI. Mountain Riflemen Memorial“ als Kulisse.
Wenngleich das Monument nicht im historischen Kontext der Veranstaltung stand, dient es den ungarischen Neonazis als zentrales Symbol. Zu sehen u.a. der Antisemit, Antikommunist und bekennende Nationalsozialist Pál Prónay. Während des Ersten Weltkriegs erhielt dieser mehrfach die allerhöchste belobigende Anerkennung für Tapferkeit vor dem Feind. Nach dem Weltkrieg leitete er die mörderische paramilitärische Prónay-Einheit — Teil der Nationalarmee. Welche Bedeutung Prónay für die lokalen neofaschistischen Gruppierungen hat, belegte auch die Nutzung des Bildes des Denkmals als Cover einer im Jahr 2009 von der „B&H“-Ungarn herausgegebenen CD.

Internationale Beteiligung am „Heldengedenken“

Zahlreiche extrem Rechte reisten aus allen Teilen (Ost-)Europas in die ungarische Hauptstadt. Neben Vertretern der „Blood & Honour“-Divisionen aus Bulgarien und Griechenland zeigten Ableger der Hammerskins sowie Neonazis aus Italien, Polen, Rumänien, Tschechien, Österreich und Russland Präsenz. Aus Deutschland waren zwei Delegationen angereist: zum einen Mitglieder der Neonazi-Partei „Der III. Weg“ und zum anderen Aktivisten der Hammerskins in Mecklenburg-Vorpommern um den mehrfach vorbestraften früheren NPD-Funktionär Sven Krüger aus Jamel.

Unter den etwa vierzehn Mitgliedern der Kleinstpartei „Der III. Weg“ befanden sich u.a. der Vorsitzende Klaus Armstroff, Julian Bender ("Leiter des Gebietsverbandes West") und die ehemaligen Aktivisten des verbotenen Freien-Netz-Süd (FNS), Tony Gentsch ("stellvertretende Gebietsverbandsleiter Mitte") und Matthias Fischer ("Gebietsverbandsleiter Mitte"). Zudem waren die langjährige Neonazi-Aktivistin Tanja St.-W. und Thomas W. anwesend. Weiterhin nahm an der Kundgebung das ehemalige NPD-Kreistagsmitglied von Ludwigslust, Torgai Diether Klingebiel, teil.

Als Redner traten Steve Roda von der "Division Blood & Honour Griechenland" und ehemaliges Mitglied der Rechtsrockbands „Skrewdriver“ und „White Damons“, der Vizepräsident Incze Béla der HVIM, ein weiteres Mitglied der verbotenen ultra-rechten Jugendorganisation, der deutsche Neonazi Matthias Fischer, und der Leiter der Betyársereg, Tyirityán Zsolt auf. Fischer, der mit Gentsch mutmaßlich für die engen Beziehungen nach Ungarn verantwortlich ist, initiierte noch zu FNS-Zeiten den „Deutsch-Ungarischen Freundeskreis“. Mehrfach war er bereits in Budapest als Redner aufgetreten. Mit völkischem Pathos erklärte der Ex-Kader der verbotenen „Fränkischen Aktionsfront“ (FAF): „Blut hat dieser Boden hier tausendfach aufgezogen. Das schmiedet uns zusammen. Wir sind uns der Verantwortung unserer Altvorderen gegenüber und dem Erhalt unserer Völker bewusst. Und werden nicht länger Ruhen bis unsere Völker in Freiheit und einer sicheren Zukunft leben können.“

NS-verherrlichende „Wanderung“

Weiterer Teil des Events war der „Marsch der Ehre“, welcher im Anschluss an die Gedenkfeier stattfand. Den Teilnehmenden bietet der Marsch die Möglichkeit, den „heldenhaften“ Ausbruchsversuch nachzuempfinden. Die öffentliche Zurschaustellung von verbotenen NS-Symboliken ist ein wesentlicher Bestandteil des neonazistischen Inhalts der Veranstaltung. Um ein mögliches Verbot beziehungsweise Strafen zu umgehen, genügte es, das Event als eine „historische Illustration“ anzumelden. Den Veranstaltern der Aktionsgruppe "Börzsöny" nutzt demnach die Verwendung heutiger in Ungarn verbotener Symbole wie Hakenkreuz und SS-Runen als Nachweis für den historischen Kontext der Veranstaltung. Dementsprechend war es beispielsweise dem (früheren) Mitglied der RechtsRock-Band „Kategorie C“ (KC), Stefan Behrens möglich, die SS-Runen am Revers seiner Flecktarn-Uniform zu tragen. Mit ihm unterwegs der Frontsänger von KC Hannes Ostendorf. Vervollständigt wurde das Trio von Patrick Glogowskyj aus dem Umfeld der Rechtsrock-Band, der schon als Redner auf einer Anti-Flüchtlingsdemonstration auftrat. "Kategorie C" ist keine unbekannte Band in Neonazi-Netzwerken. So spielten sie 2014 in Frankreich und Slowenien unter dem „Blood & Honour“-Banner.

An der ersten Simulation des „Ausbruchs“ im Jahre 2009 nahmen rund 150 überwiegend lokale Rechte teil. Seither stieg die Anzahl der „Wanderer_innen“ stetig (außer 2016). In diesem Jahr wuchs die Zahl erneut an: Insgesamt liefen über 2.200 Neonazis die drei verschiedenen Streckenlängen — Überwiegend Männer in militärischen Uniformen. Aber auch Kinder, Familien und Neonazis in Freizeitkleidung beteiligten sich und gaben dem Marsch einen regelrechten Volksfestcharakter.
Unter den mehr als 2.000 Teilnehmenden waren etliche weitere deutsche Neonazis. An der längsten Strecke von Budapest nach Szomor versuchte sich der „Gebietsleiter Süd“ der Neonazi-Partei „Der III. Weg“ Kai Andreas Zimmermann. Die 60 Kilometer lange Route ist für ihn nicht neu. Bereits in den vergangenen beiden Jahren nahm er am Marsch teil. Auf dem Weg nach Szomor müssen die Teilnehmenden zwölf Checkpoints durchlaufen und Stempel sammeln, um den symbolischen „Ausbruch“ erfolgreich abzuschließen. Die kürzeste Strecke von 25 Kilometer lief u.a. der Sänger der Neonazi-Band „Preussenstolz“, Patrick Danz.

Auch diverse sächsische Neonazis fuhren nach Budapest, u.a. David R. und David H.. Auch der Neonazi Sven Hagendorf aus Dresden war in Budapest. Der ehemalige NPD-Funktionär war einer der führenden Köpfe der Kameradschaft „Freie Kräfte Dresden“. Daneben starteten auch die wegen Mordversuchs bzw. gefährlicher Körperverletzung langjährig Inhaftierten Sebastian Dahl und Oliver O. den Marsch. Oliver O., der auch Aktivist im Neonazi-Netzwerk „NW Berlin“ war, soll am Angriff von etwa 250 Neonazis und rechten Hooligans auf den Leipziger Stadtteil Connewitz am 11. Januar 2016 beteiligt gewesen sein.

Rechtsrock und Balladenabend

Als Rahmenprogramm der Gedenkveranstaltungen fanden an beiden Abenden Konzerte im Budapester „Kan Guru Klub“ im abgeschiedenen III. Bezirk von Budapest statt. Die Pools Bar dient regelmäßig als Veranstaltungsort für Konzerte von „Skins4­Skins“ und „Blood & Honour“. Am Freitag, als Balladenabend angekündigt, spielten die Bands „Dixie Freedom Fighters“ aus Ungarn und „Egy Meglepete’s Venedig“; auch ein Musiker unter dem Namen „Rommel“ aus Deutschland trat auf. „Rommel“ trat schon am 23. März 2016 zusammen mit dem aus Jena stammenden Mirko Szydlowski alias „Barny“ bei einem Konzert der „Hammerskins“ in Schweden auf. Am Samstag folgte ein Konzert mit den Neonazi-Bands „Verszerzödes“ aus Ungarn, „White Demons“ aus Athen, „Töretlen hittel“, „Hundriver" und „Battle Shout“.

Die konstante Beteiligung von deutschen Neonazis zeigt, dass die Vernetzung der europäischen Neonazis trotz der Verbote gegen einzelne Gruppierungen weiter besteht. Die Inszenierung der Eingekesselten als Helden und damit einhergehende Umdeutung nationalsozialistischer Verbrechen kann der militanten Rechten als Anknüpfungspunkt an den steigenden Nationalismus in Ungarn und Europa dienen.