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Deutschland 1993: Neonazi-Terror und sozialer Sprengstoff

Einleitung

Trotz des anhaltenden Terrors von Neonazis und der Kriminalisierung von AntifaschistInnen durch den Staatsapparat nehmen antifaschistische Aktivitäten zu. An vielen Orten haben sich neue Gruppen gebildet, die Neonazis entgegentreten. Diese reagieren darauf verstärkt mit gezielten Angriffen und versuchen AntifaschistInnen zu bedrohen, einzuschüchtern und zu ermorden.

Bild: Christian Ditsch

Anti-Antifaschismus ist ein aktuelles Thema in der Neonazi-Szene.

Tote Antifaschisten

Der 23-jährige aktive Antifaschist Olaf Heydenbluth aus Suhl wurde am 3. Februar 1993 in seiner Wohnung erhängt aufgefunden, nachdem er vorher Morddrohungen von Neonazis erhalten hatte. Die "tageszeitung" (taz) berichtete Olaf Heydenbluth sei Mitglied der linken Jugendorganisation SDAJ und als Initiator mehrere Antifa-Aktionen und Bündnisveranstaltungen gegen den Neofaschismus bekannt gewesen. Beim Auffinden wies er eine Kopfverletzung auf.1 Ein Bekannter von Olaf Heydenbluth berichtete in einem Leserbrief an das "neue deutschland": "(...)Außerdem erzählte er mir, daß in der darüber liegenden Wohnung (über seiner) ein Fascho wohnt und daß er schon mehrmals bedroht wurde, so daß er kurz davor war, den Schrank vor die Tür zu schieben (...) Er war an diesem Tag in Arnstadt richtig lebensfroh. Er hätte sich nie selbst umgebracht. (...)" 2 Die SDAJ erklärte: "(...) Wenige Stunden vor seinem Tod traf er noch Verabredungen, er war voller Pläne. Aber für die Polizei ist ohne Untersuchung alles klar - Selbstmord (...) Olaf lebte seit längerem in einem Stadtteil, in dem Faschisten dominieren er wurde mehrfach bedroht - die Polizei ermittelt nicht. Bis vor kurzem lebte Olaf aus Furcht vor Überfällen nicht in seiner Wohnung  danach trommelten Nazis gegen seine Wohnungstür "Dich kriegen wir auch noch Du rote Sau". Die Polizei fragt nicht nach dem Wer: Seine Freunde werden nicht befragt und seine Wohnung nicht versiegelt (...)"3

Der ebenfalls 23-jährige Mario Jödecke wurde bei einer Prügelei zwischen rechten sogenannten „Heavy-Metals“ und linken Punks im thüringischen Schlotheim (Kreis Mühlhausen) in der Nacht vom 23. auf den 24. Januar 1993 erstochen.

Tote Migranten

Auch die Mordwelle gegen ImmigrantInnen hält an. Als Beispiel sei hier der Tod des 56-jährigen Mustafa Demiral erwähnt. Ein türkischer Migrant, der am 9. März 1993 von zwei Neonazis – nach Polizeiangaben waren die beiden 21jährigen geständigen Täter Andre E. und Mario W. Mitglieder der rechten Partei „Die Republikaner“ (REPs) - mit einer an die Schläfe angesetzten Gaspistole in Mülheim/Ruhr bedroht wurde und an Herzversagen starb.4

Andere Fälle bleiben offiziell unpolitisch. Am 22.Februar 1993 wurde zwischen den Brandenburger Orten Fürstenwalde und Hangelsberg an einer Eisenbahn-Strecke ein toter "Farbiger" gefunden. Die Polizei konnte keine Erkenntnisse über die Herkunft des "Farbigen" und die Todesursache erlangen. Ob der Mann „durch einen Unfall ums Leben kam oder aus dem Zug gestoßen wurde, ist noch ungeklärt"5 .

Zweierlei Maß ?

In vielen Fällen wird der Terror der Neonazis durch die Ermittlungsbehörden gedeckt, die Verfahren frühzeitig eingestellt und von den Pressestellen verharmlost. Hier ein Beispiel, stellvertretend für viele: ein Anfang 20-jähriger aus Quedlinburg wurde wegen Werfens eines Molotowcocktails auf ein vollbesetztes Flüchtlingsheim nicht etwa wegen versuchten Mordes verurteilt, sondern wegen gefährlicher Brandstiftung zu einer Strafe von zwei Jahren auf Bewährung. Wird gegenüber neonazistischen Jugendlichen, die Brandsätze gegen Flüchtlingsheime und Wohnungen werfen argumentiert, daß eine Untersuchungshaft ihre soziale Bindungen gefährden kann, wird bei linken Jugendlichen ein anderer Maßstab angelegt. In Berlin wurden drei Olympiagegner im Alter von 18 bis 21 Jahren wegen Sachbeschädigung einer Bank für zwei Wochen in U-Haft genommen, um sie zu zwei Wochen Jugendarrest in zwei Fällen und 150,- DM in einem Fall zu verurteilen. Oder der Mainzer Antifaschist Günther, der seit vier Monaten in Untersuchungs-Haft sitzt, weil er vier Stunden nach einer Antifa-Aktion gegen ein Neonazi-Treffen in die Fänge einer Polizeistreife geraten ist.

Widerstand aufbauen

Die Diskussionen wie ein besserer und lebendiger Widerstand aussehen soll ziehen mittlerweile breitere Kreise und ermöglichen neue Formen der Zusammenarbeit. Gemeint ist eine Zusammenarbeit von Menschen aus verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Gruppierungen, die die Gefahr des vom Staat und den Neonazis vorangetriebenen Rechtsruckes erkannt haben und realistisch einschätzen. Von Menschen, die wissen, daß Eigeninitiative gefragt ist und man sich auf deutsche Behörden und die „demokratischen Parteien“ nicht verlassen kann. Zugegeben sind das positive Entwicklungen, die sich eher im Kleinen abspielen und nicht spektakulär das Kräfteverhältnis kurzfristig ändern können. Das vermochten auch die massenhaften Mobilisierungen gegen eine zunehmende „Fremdenfeindlichkeit“  in Lichterketten nicht.

Ermittlungsbehörden decken Neonazi-Organisationen ?

Eine steigende Empörung über die Zustände konnte das Innenministerium nicht dazu bewegen konsequent gegen Neonazi-Organisationen vorzugehen. Die Verbote von „Nationalistischer Front“ (NF) durch das BMI am 26. November 1992, der „Deutschen Alternative“ (DA) durch das BMI am 8. Dezember 1992 und der „Nationalen Offensive“ (NO) durch das BMI am 21. Dezember 1992 sind zwar in erster Instanz vom Berliner Bundesverwaltungsgericht bestätigt worden, doch ihre Wirkung ist bescheiden.

Konsequent wird der Charakter dieser Organisationen verharmlost und die dahinter stehenden Kaderstrukturen, die das eigentliche Gerüst darstellen, ausgeblendet. Auch nach den Pogromen von Rostock-Lichtenhagen ist die Existenz des Neonazi-Netzwerkes „Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front“ (GdNF) insbesondere für die Herren und Damen vom Bundesverfassungsschutz und den Generalbundesanwalt Alexander von Stahl (FDP) kein wirkliches Thema. Und das trotz der Tatsache, daß die GdNF nahezu die gleichen Strukturen hat, wie ihre 1983 verbotene Vorläuferorganisation „Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten“ (ANS/NA). Die GdNF dürfte heute alle Kriterien erfüllt um vom Generalbundesanwalt in den Blick genommen zu werden: Sie ist eine Oganisation, die gegen die „verfassungsmäßige Ordnung“ gerichtet ist, die über die Grenzen der BRD hinaus arbeitet, die in Teilen militante bis terroristische Übungen oder Ausbildungen unterstützt, z.B. bei der neofaschistischen Miliz „Hrvatske Obrambene Snage“ (HOS) in Kroatien, die eine eigene „Sturmabteilung“ (SA) aufgestellt hat, die ihre Übungen sogar im Fernsehen präsentiert usw.

Von sieben Verfahren, die der Generalbundesanwalt übernommen hatte, blieben ihm nur die Ermittlungen gegen die Gruppe um Michael Peters aus Mölln, die unter anderem für den Mord an drei türkischen Frauen in Mölln verantwortlich ist.

• Abgeben mußte von Stahl das Verfahren gegen die Thüringer Neonazis um Thomas Dienel, die oben genannte Wehrsport-Übung im Spiegel TV vorführten. Es sei eine Show gewesen, die für das Kamerateam organisiert worden sei. Thomas Dienel hatte unter anderem zusammen mit Mike P., Andreas R. und Sven R. selbst gebaute Sprengsätze vorgeführt.

• Das Verfahren gegen die „1. Werwolf Jagdeinheit Senftenberg“ um Jens Werner Klocke wurde von Stahl von den Behörden aus der Hand genommen, da diese nicht die Kriterien einer terroristischen Vereinigung erfülle. Die Terrortruppe sei nur von dem Willen einer Person abhängig gewesen. Zur Erinnerung: Zur Last werden dieser Gruppe ein kaltblütiger Raubmord an einem 27-jährigen Familienvater, den die Neonazis erst hinrichteten um danach sein Auto und die Leiche zu verbrennen. Gefunden wurde bei der Gruppe ein Waffenarsenal mit circa 200 Handgranaten, drei Maschinenpistolen, Nazi-Propaganda sowie weitere militärische Ausrüstungsgegenstände, die in Erddepots gelagert wurden. Die Anwendung dieser Mordinstrumente wurden in regelmäßigen „Wehrsportübungen“ erprobt. In einem "Einsatzbefehl I/08-1992" der Gruppe wurde in Bezug auf das Pogrom von Rostock-Lichtenhagen von der "nationalistischen Grundidee unseres Volkes" an einem "Kanackensammelplatz" gesprochen.

• Außerdem ist das Verfahren gegen einen Ableger des "Ku Klux Klan" (KKK) um Carsten Szczepanski in Deutschland eingestellt worden, da es sich bei den Aktivitäten des KKK nur um eine kulthafte Verbrennung von Holzkreuzen handele. Carsten Szczepanski organisierte im Juni 1993 ungestört ein großes RechtsRock-Konzert mit internationalen Neonazi-Bands im Umland von Königs-Wusterhausen (Brandenburg).

• Die Verfahren gegen Neonazis aus den Kreisen der NF, die Listen politischer Gegner angelegt hatten und bei denen Gewehre, Munition und Anleitungen zum Terror gefunden worden waren, sind natürlich wegen der untergeordneten Bedeutung ebenfalls abgegeben worden.

• Der Neonazi Sven Ruda bildet in Berlin/Brandenburg den "Kameradschaftsbund Deutschland", der auch Wehrsportübungen abhält. Von einer Behörden-Einordnung als potentiell kriminelle oder terroristische Gruppierung ist nichts bekannt.

Hier wird deutlich, daß sich die Bundesanwaltschaft fast nur bewegt, um dem Ausland vorzuführen, daß die deutsche Justiz auf dem rechten Auge nicht vollständig blind ist. Die Gruppe von Mölln hatte sicher einen geringeren Organisationsgrad als die NF, die Wehrwolf Jagdeinheit, der KKK oder die GdNF. Auch der Bundesverfassungsschutzchef Eckart Werthebach (CDU) zeichnet sich durch eine gewisse Verharmlosung aus. Wie anders ist das Beharren auf der vom Kölner Bundesamt ermittelten Zahl von 2.078 „rechtsextremistischen Anschlägen“ bis Anfang Dezember 1992 gegenüber rund 4.500 ermittelten Anschlägen durch das Bundeskriminalamt bis Ende Dezember 1992 zu erklären? Wie anders ist zu erklären, daß das Bundesamt noch nicht einmal in der Lage zu sein scheint eine Analyse von bei den Neonazis gefundenen Organisationshandbücher, Schulungsmaterial und deren Zeitungen zu betreiben? Über den Charakter dieser Organisationen wird darüber einiges deutlicher als durch die Verfassungsschutzberichte.

Bis vor Kurzem wußte der Brandenburgs Verfassungsschutzchef Wolfgang Pfaff noch nichts über die seit drei Jahren stattfindenden Wehrsportübungen im Lande. Erst als deren Existenz nicht mehr zu verschweigen gewesen war wurde öffentlich erklärt, daß dem VS »neue« Erkenntnisse über Wehrsportübungen vorlägen. Der Staatsapparat bewegt sich gegen Rechts fast nur auf Grund von Druck und scheint dabei zu versuchen, den Schaden für die Neonazi-Organisationen möglichst gering zu halten.

Als "Bauernopfer" kann die Razzia gegen Neonazi-Musikgruppen Anfang Februar 1993 gewertet werden. Das verspricht aufgrund der eindeutig neonazistischen Texte Popularität und erweckt den Anschein von Aktivität für das In- und Ausland. Daß es bei der Bestimmung des Kurses der Sicherheitsbehörden Unterschiede gibt, wird aus den Einschätzungen des BKA deutlich. Sie scheint die einzige Behörde zu sein, die die Gefahr der Neonazi-Organisationen bedrohlicher einschätzt, doch deren Ermittlungsarbeit wird anscheinend vom Bundesinnenministerium und dem VS mehr oder weniger sabotiert. Während die Ermittlungsbehörden dabei waren verstärkt Material gegen die Neonazi-Organisationen zu sammeln, platzten die Verbote von Rudolf Seiters (CDU) mitten in deren Arbeit und waren eben nur der Profilierung Seiters zu Nutze. Selbstverständlich sehen wir im BKA keinen antifaschistischen Verbündeten auch wenn es die einzige Behörde war, die ausgesprochen hat, daß die „Deportation“ der Flüchtlinge aus Hoyerswerda und die „Asyldebatte“ Gründe für eine neofaschistische Mobilisierung dieses Ausmaßes waren.

Auch die Nachfolgeorganisation der NF, die "Sozialrevolutionäre Arbeiterfront" (SrA), scheint kein Thema zu sein. obwohl sie mit den gleichen Methoden, der gleichen Zielrichtung und fast identischen KaderInnen weiterarbeiten.

Unterdessen verstärken sich die Sammlungstendenzen der Neonazigruppen, die vor allem auf der regionalen Ebene eng zusammenarbeiten und mit gemeinsamen Listen zur Wahl antreten. Da die eigentlichen Strukturen der DrahtzieherInnen nicht von der Repression betroffen ist, macht es für die Kader auch keine Probleme sich woanders weiter zu organisieren und die Verbote positiv zu betrachten: Die Zersplitterung der Neonazis wird durch die Verbote nicht gefördert, sondern im Gegenteil, es wächst die Bereitschaft zur Zusammenarbeit.

Die rassistische Hatz geht weiter. Dass der Einfluß der Neonazi-Ideologie beständig wächst machen nicht zuletzt die hessischen Kommunalwahlen deutlich, bei denen die Neonazis rund 15 Prozent der Stimmen erhielten.

Sozialer Sprengstoff

Die Bundesregierung spielt mit ihrer Propaganda weiter die rassistische Karte. Die Kampagne des Bundesarbeitsministers Norbert Blüm (CDU) gegen Schwarzarbeit trägt hauptsächlich eine rassistische Komponente, da gerade die SchwarzarbeiterInnen anderer Nationalität im Mittelpunkt der Hetzpropaganda stehen. Sie werden quasi zu »Volksschädlingen« abgestempelt, was die vielen Deutschen, die ihren Lohn durch Schwarzarbeit aufbessern, auch einigermaßen wieder beruhigen könnte. Anstatt die kriminellen Machenschaften der „Sklavenhändler“ (Zeitarbeitsfirmen) und der Baubranche in den Mittelpunkt zu stellen, werden den FernsehzuschauerInnen die PolInnen, RumänInnen usw. als TäterInnen präsentiert.

Die Unternehmerverbände blasen zum Angriff auf die Gewerkschaften. Während wir mit der technischen Erstellung der neuen Ausgabe begonnen haben, finden in der Metallindustrie Mecklenburg-Vorpommerns und Sachsens sowie in der ostdeutschen Stahlindustrie die Streik Urabstimmungen statt. Wir können also zum Ergebnis und zum Verlauf der Auseinandersetzung nicht Stellung nehmen. Dennoch wollen wir auf die aktuelle Tarifbewegung wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung hinweisen, geht es doch diesmal nicht nur um ein paar Prozent mehr Lohn oder die Länge der Arbeitszeit. Das Unternehmerlager versucht mit der Kündigung bestehender Verträge und mit ihrer Forderung nach Öffnungsklauseln zentrale Bestandteile der bisherigen Tarif- und Sozialpolitik außer Kraft zu setzen. Es ist das erste Mal seit 1928, daß sich Unternehmer nicht mehr an bestehende Verträge gebunden fühlen und sie aufkündigen.

Der Aufstieg des NS in Deutschland vor 1933 hatte auch als eine Voraussetzung: Die Weltwirtschaftskrise, die die gesamte kapitalistische Welt erfaßt hatte, die Unterordnung der Gewerkschaften und der Sozialdemokratie, ihr schrittweises Zurückweichen vor den Angriffen der Unternehmer und der Reaktion, die Unfähigkeit revolutionärer Kräfte in Deutschland größere Teile der ArbeiterInnenschaft vom Reformismus zu lösen und sie um praktische Alternativen und Aufgaben zu sammeln.

Auch wenn wir heute von anderen Ausgangsbedingungen ausgehen müssen, die Geschichte sich so nicht wiederholen wird, der Ausgang der Auseinandersetzung in der ostdeutschen Metallindustrie wird auch entscheidenden Einfluß auf die weitere politische Entwicklung haben. Reaktionäre Strömungen werden noch stärker begünstigt, sollten sich die Unternehmer ohne größere Gegenwehr durchsetzen können. 

Es gibt allen Grund von sich selbst abzulenken, wenn die eigene Korruptheit und Unfähigkeit offensichtlich wird. Ob Minister Günther Krause (CSU) „Putzfrauen-Affäre“ oder Max Streibl (CSU) „Amigo-Affäre“, der „Barschel-Sumpf“ um Björn Engholm (SPD) oder, oder: Die Parteienverdrossenheit wächst und ist keineswegs mit einer behaupteten Politikverdrossenbeit gleichzusetzen. Die herrschenden Parteien verwandeln, daß einst von ihnen so gepriesene Grundgesetz in einen Schweizer Käse (wir wollen hier ausdrücklichst nicht den Schweizer Käse beleidigen), schrittweise wird die Kriegsbeteiligung der Bundeswehr herbeigeführt, da ist jeder Anlaß, ob Somalia oder Bosnien-Herzegowina recht; das Asylrecht wurde zur Karikatur gemacht. Antidemokratische Züge prägen das innenpolitische Bild der BRD.

Der soziale Sprengstoff wurde erfolgreich auf das Feindbild der AsylbewerberInnen abgewälzt und der soziale Angriff trifft viele Belegschaften und die vielen Arbeitslosen unvorbereitet. Von dem Erfolg oder Mißerfolg der Kämpfe gegen Betriebsstillegungen, Schließung von Projekten, Massenentlassungen und Kündigung der Tarifverträge wird es maßgeblich abhängen, wie sich die innenpolitische Situation der BRD weiterentwickeln wird.

Wird das herrschende Diktat nach einigen gewerkschaftlichen Winkelzügen angenommen, wird sich Resignation und Frust breitmachen - Leute werden vereinzelt und suchen sich womöglich den nächst Schwächeren und gehen der rassistischen Propaganda auf den Leim. Im Osten Deutschlands sind ganze Regionen verödet. Es wächst Unzufriedenheit und Wut auf die herrschenden Parteien über den Ausverkauf des Landes. Das vorgegebene Muster wie sich der Deutsche Beachtung verschaffen kann, um „Gehör zu finden“ ist nicht zuletzt in Hoyerswerda und Rostock vorexerziert worden. Entwickeln sich zumindest in einigen Regionen eigenständige Kämpfe, besteht die Chance auf eine Weiterentwicklung von sozialen Kämpfen, die bitter nötig sind um sich nicht vereinzelt durchschlagen und an jede Bedingung anpassen zu müssen.

Es wird entscheidend sein, ob das soziale Klima hauptsächlich von Konkurrenz oder von Solidarität geprägt ist - entscheidend für die Entwicklung der Gewalt in der Gesellschaft, für die Rechte von „Minderheiten“ und für die Entwicklung des Herrschaftsstrukturen in Deutschland: Bürgerliche Demokratie, Diktatur mit Notstandsgesetzen oder auf dem Weg des Neofaschismus ?

  • 1Vgl. Bernd Siegler: "Mysteriöse Todesfälle von Linken", taz, 13. Februar 1993
  • 2nd: Jan Mittelstaedt: "Olaf hat sich nicht umgebracht", 12.02.1993.
  • 3Bundesvorstand der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ), Erklärung vom 6.2.93
  • 4"Trauer und Protest nach Tod eines Türken", taz, 15. März 1993
  • 5Berliner Zeitung, 24. Februar 1993