Nach Rostock-Lichtenhagen – Massenbasis für Neonazis
P { margin-bottom: 0.21cm; direction: ltr; color: rgb(0, 0, 0); }P.western { font-family: "Times New Roman",serif; font-size: 12pt; }P.cjk { font-family: "WenQuanYi Micro Hei"; font-size: 12pt; }P.ctl { font-family: "Lohit Hindi"; font-size: 12pt; }A:link { }
Das »erfolreiche« Pogrom von Rostock-Lichtenhagen war das Fanal für eine nicht enden wollende Welle von Angriffen, Anschlägen und Mordversuchen in der BRD. Der Brand in dem VietnamesInnenheim war das Startzeichen für die zahlreichen Brandstiftungen gegen Flüchtlingsheime, deren Anzahl bis September diesen Jahres laut Verfassungsschutzangaben auf über 400 gestiegen ist. Es nehmen wesentlich mehr rechte Jugendliche an den Aktionen teil als es organisierte Neonazis gibt. Während sie von Teilen der Bevölkerung dabei bejubelt werden ist der Organisationsgrad der lokalen und regionalen Neonazi-Szene seit dem Pogrom von Hoyerswerda deutlich angestiegen. Die militanten und terroristischen Neonazis sind im Augenblick die Schrittmacher der Entwicklung, in deren Windschatten den sich demokratisch gebenden Ultra-Rechten, wie die Parteien „Die Republikaner“ und DVU ein Popularitätsaufschwung beschert wird. Durch die zunehmende Akzeptanz der Gesellschaft gegenüber den Neonazis, gehen diese einen Schritt weiter als zuvor, führen bewaffnete Wehrsportübungen im Fernsehen vor und gehen über zu gezielten Sprengstoffanschlägen.
Brandenburger Landesregierung im Dialog mit Neonazis
Auf das Pogrom von Rostock folgten die Angriffe der organisierten Neonazis aus dem Kreis der „Deutschen Alternative“ (DA) auf die Flüchtlingsheime in Cottbus und Eisenhüttenstadt und eine zunehmende Welle von organisierten Attacken und Mordversuchen gegen Flüchtlinge vorwiegend in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Die rassistische Welle griff schnell auf die drei weiteren neuen Länder über, um sich danach auch in Westdeutschland zu verbreiten. Das Muster der Polizeieinsätze im Ostteil ähnelte sich überall: Die HeimbewohnerInnen, teilweise in deutlicher Überzahl, wurden an ihrer Selbstverteidigung gehindert, die Polizei stellte sich vor den Heimen auf und ließ sich teilweise von 40 bis 50 Angreifern nächtelang attackieren, während zur Unterstützung angereiste AntifaschistInnen oft sofort festgenommen wurden. Die Angreifer der Heime wurden zwar teilweise ebenfalls festgenommen, in der Regel aber sofort wieder freigelassen. Wenn eine Verurteilung stattfand, fiel diese mit Bewährungsstrafen oder kürzerer Zeit Jugendarrest äußerst milde aus.
Gesellschaftlich „gewürdigt“ wurde das rassistische Engagement der Cottbuser „Deutschen Alternative“ (DA) um den DA-Bundesvorsitzenden Frank Hübner und seinen Bundes-Stellvertreter René Koswig und Karsten Wolter von dem brandenburgischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD). Dieser reiste am 2. September 1992 zum Dialog mit Bürgern und RassistInnen nach Cottbus-Sachsendorf. Zumindest durch entsprechende Zeitungsmeldungen mußte Manfred Stolpe bekannt gewesen sein, daß die „Deutsche Alternative“ (DA) als Drahtzieher hinter den tagelangen organisierten Angriffen galt. Auf der Bürgerversammlung in der 8. Gesamtschule waren keine Flüchtlinge anwesend, dafür aber Frank Hübner mit Anhang. Manfred Stolpe verschaffte ihm Rederecht, worauf Frank Hübner erklärte, daß mit der „Deutschen Alternative“ über friedliche Lösungen zu verhandeln sei.
Gute Erfahrungen habe damit auch schon der Direktor der Gesamtschule gemacht, wo Frank Hübner, nach anhaltendem Terror seines Anhangs, nach einem »Dialog« für Ruhe sorgte. Auch Manfred Stolpe war angetan von dieser Vorstellung und versprach dem Neonazi-Anführer: »Wir gehen hier nicht, ohne das wir uns verabredet haben.« Nachdem die „Deutsche Alternative“ auf diese Art und Weise als Ordnungsfaktor in Cottbus hoffähig gemacht worden war, bedankte sie sich mit der Einstellung der Angriffe auf das Sachsendorfer Flüchtlingsheim. Danach folgten nächtelange Angriffe auf die ZAst des Landes Brandenburg in Eisenhüttenstadt. Dort hatte die lokale Neonazi-Szene Verstärkung aus München, Spremberg und Guben erhalten. Manfred Stolpe sah auch zwei Wochen nach dem Gesprächsangebot an den Neonazi-Chef nicht ein, daß er irgendwas falsch gemacht haben könnte.
Kein Wunder, das der Brandenburger DA-Landesverband um Karsten Wolter (Vorsitzender), Oliver Döbitz (Stellvertreter) und Nico Ott (Schatzmeister) als größter Verband der DA-Struktur gilt.
Rostock, Quedlinburg, Wismar: »Asylantenfrei«
In Quedlinburg, im Harz, sorgte der sächsisch-anhaltinische CDU-Innenminister Hartmut Perschau für einen weiteren Erfolg der Neonazis, als er nach tagelangen Attacken das dortige Flüchtlingsheim räumen ließ. Seit dem 13. September war die Flüchtlingsunterkunft in Wismar (Mecklenburg) Ziel von allnächtlichen Attacken, denen ein Angriff auf Flüchtlinge außerhalb des Heimes vorausgegangen war. Die Angegriffenen verteidigten sich, was den »Volkszorn« von 50 Jugendlichen und AnwohnerInnen weckte. Der offene Haß der Bevölkerung schlug, wie fast überall in Deutschland, vor allen den Roma und Sintis entgegen, die schon während der NS-Herrschaft die ersten Volksgruppen waren, die in den Konzentrationslager interniert wurden. Fast zwei Wochen später gaben die politisch Verantwortlichen Mecklenburg Vorpommerns die zweite Evakuierung eines „Asylheims“ bekannt. 40 bis 50 rechte Jugendliche und Neonazis brachten den »Rechtsstaat zur Kapitulation«, da die eingesetzten Polizei-Hundertschaften nicht mehr taten, als sich bewerfen zu lassen und ab und zu mal jemand festzunehmen, um ihn gleich wieder freizulassen.
Anfang September flüchteten 120 AsylbewerberInnen aus Kremmen im Kreis Oranienburg, bei Berlin. In Kremmen besteht eine Ortsgruppe der Neonazi-Gruppe „Nationalistischen Front“ (NF) um die lokalen Neonazi-Führer und Neonazi-Funktionäre Enno Gehrmann und Andreas Pohl. Die Kremmener Stadtverordnetenversammlung hatte sich Ende April 1992 mit der „Nationalistischen Front“ (NF) zu Gesprächen getroffen. Nach einem rassistischen Angriff Anfang September 1992 mit Steinen auf eine Flüchtlingsunterkunft, einer Bombendrohung und zahlreichen Schikanen seitens der Vertreter und Behörden des Kreises Oranienburg sahen die Flüchtlinge ihre Sicherheit nicht mehr gewährleistet.
Diese Verhaltensweisen der verantwortlichen Behörden sind eine Form der Unterstützung der Neonazis und ein Signal an sie, weiterzumachen. Es passt den politisch Verantwortlichen in den Kram, wenn die Stimmung in der Bevölkerung und Politik weiter nach rechts abrutscht und 65 Prozent erklären sie seien »stolz Deutsche zu sein« 1
. Daß dabei das Leben der Flüchtlinge gefährdet wird, scheint erwünscht zu sein, auch um weitere Flüchtlinge abzuschrecken. Der nun entfesselte deutsche Rassismus wendet sich gegen die alten Feindbildern, gegen Sinti und Roma und überhaupt gegen alle Menschen, die keine Nordeuropäer sind. Der Antisemitismus tritt offener denn zuvor zu Tage und wird von militanten Neonazis geschürt, wie z.B. durch den Brandanschlag auf die jüdische Ausstellung im ehemaligen KZ-Sachsenhausen. Die von Politikern und Polizeiführern möglich gemachten »erfolgreichen« Pogrome geben den RassistInnen und Neonazis einen Auftrieb, den sie in so kurzer Zeit aus eigener Kraft nicht erreicht hätten.
Vom Pogrom zum Terror
Die Neonazis nehmen die ihnen zugesteckte Trumpfkarten dankbar auf und führen vor, was sie noch so auf Lager haben. Neben den Angriffen größerer Gruppen werden zahlreiche Aktionen von Kleingruppen ausgeführt. In Holzhausen bei Leipzig brannten Neonazis Ende August 1992 Zelte nieder, aus denen sich die 50 AsylbewerberInnen gerade noch retten konnten. Unter den sechs Festgenommenen sollen sich laut Informationen aus Sicherheitskreisen auch zwei organisierte Leipziger Neonazis der „Reudnitzer Rechten“ (RR) befinden. Der 22-jährige Pierre R. und der mit ihm befreundete Kevin D. haben Kontakte zur neonazistischen FAP-Leipzig und treten seit zwei Jahren bei zahlreichen Überfällen auf Linke und Flüchtlinge in Erscheinung. Vor dem Brandanschlag versuchten etwa 100 Neonazis und rechte Hooligans aus Leipzig und Rostock eine Asylunterkunft in Leipzig-Grünau anzugreifen. Nach dem Anschlag wurden Brandsätze auf eine Asylunterkunft in Markleeberg sowie auf das linke Zentrum „Conne Island“ geworfen.
Anfang September brannte das Asylheim in Ketzin/Brandenburg völlig aus, die 44 HeimbewohnerInnen hatten ebenfalls Glück davonzukommen. Verstärkt finden aber auch Sprengstoffanschläge statt, für deren Herstellung mehr Wissen und Ausbildung als für die Erstellung eines Molotow-Cocktails. Am 30. August wurde auf das Mahnmahl gegen die Deportation der Berliner Jüdinnen und Juden an der Berliner Putlitzbrücke ein Sprengstoffanschlag verübt. Seit vier Jahren ist dieses Denkmal Ziel neonazistischer Aktionen. Bei den drei Berliner Tatverdächtigen aus den Bezirken Wedding und Kreuzberg fanden Razzien statt. In der Wohnung von Detlef Mahn wurde ein Waffen-und Sprengstoffarsenal gefunden. Er soll mit dem zweiten Tatverdächtigen Lutz Me. im Juni einen Sprengstoffanschlag auf ein Ausländerwohnheim verübt haben.
Am 15. September wurde in der Außenstelle des Landesaufnahmelagers des Saarlandes in Saarlouis ein Sprengsatz entschärft. Ein anonymer Anrufer hatte auf die Rohrbombe hingewiesen, die mit einem Zeitzünder versehen war. Die Wirkung dieser Bombe, im Falle einer Explosion, beschrieben Experten als katastrophal für die 100 Flüchtlinge und erklärten, daß es sich um eine professionelle Qualität handele. Vieles deutet darauf hin, daß jetzt der Zeitpunkt für den Terror organisierter und ausgebildeter Neonazis gekommen ist.
»Wehrsport« im Fernsehen
So sah auch der 31-jährige Vorsitzende der Thüringer Neonazi-Gruppierung „Deutsch-Nationale Partei“ (DNP), Thomas Dienel die Zeit gekommen, bewaffnete Wehrsportübungen dem Fernsehmagazin Spiegel-TV zu präsentieren. Die Gruppe ist Teil des Neonazi-Netzwerkes „Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front“ (GdNF) um Michael Kühnen. Auf Anlagen der Bundeswehr werden von diesen Wehrsportgruppen gezielt Angriffe auf Flüchtlingsheime und besetzte Häuser geübt. Vor laufender Kamera demonstrierten die Neonazis den Einsatz von Schußwaffen, Nebelkerzen und Sprengmitteln. Zur Ausbildung gehört auch ein Nahkampftraining mit Messern und ähnlichem Gerät. Diese Technik sei, so die »Wehrsportler«, schon zwei bis dreimal beim Angriff auf Flüchtlingsheime »erfolgreich« eingesetzt worden. Der Parteichef der DNP bestätigte die Existenz von mindestens drei solcher Wehrsportgruppen. In dem Interview gab Thomas Dienel noch zum besten, daß in der in der BRD bereits ein Bürgerkrieg herrsche und die DNP in der Tradition der "Sturmabteilung" SA der Jahre 1929 bis 1933 den Kampf gegen Linke und AusländerInnen aufnehmen würde. Die Staatsanwaltschaft erließ aufgrund heftiger Proteste Haftbefehl gegen Thomas Dienel und ermittelte gegen die fünf im Film zu identifizierenden Neonazis (u.a. Andreas R. aus Saalfeld) wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung nach §129.
Die Gründung dieser „neuen SA“ fand bereits 1989 im bayrischen Dingolfing statt, als Michael Kühnen eine Handvoll seiner Mitglieder auf den Treueschwur der NSDAP vereidigte. Unter den Anwesenden waren damals führende Neonazis aus der „Deutschen Alternative“, dem späteren „Deutschen Hessen“, dem „Nationalen Block“ und anderen GdNF-Unterabteilungen vertreten. Öffentlich bekannt ist, daß seitdem Wehrsportlager zum Aufbau der SA, die aus den »männlichen Parteimitgliedern ab 16 Jahren« zusammengesetzt ist, in allen Teilen der Bundesrepublik und im benachbarten Ausland stattfinden. Bisher bestand anscheinend kein Anlaß für die Sicherheitsbehörden gegen diese „neue SA“ vorzugehen, so daß sich die Gruppen in aller Ruhe formieren konnten. Die Neonaziführer Christian Worch (Hamburg) und Arnulf Priem (Berlin) nutzten für ihren Werbefeldzug die ZDF-Sendung „Heute Journal“. Am 26. September präsentierten sie ein Ausbildungslager der GdNF in einer ehemaligen NVA-Baracke, ebenfalls auf einem Bundeswehrgelände gelegen, in der Nähe von Berlin. Sie brauchten nach dem Auftritt von Thomas Dienel keine Waffen mehr vorführen, sondern ließen die Kameras nur eine Ansprache von Arnulf Priem »über Deutschland, die Ausländer und den Mehringhof«, Interviews und das Gelände filmen. Die Ausbildungslager der GdNF beeinhalten »theoretische Schulungen«, wie im Film gesehen, aber auch paramilitärische Ausbildungen, »Formalexerzieren und Wehrsport«. Das belegen Schulungsunterlagen der Berliner Neonazi-Partei „Nationale Alternative“ um Frank Lutz und Andre Riechert. Von weiteren regelmäßigen Wehrsportübungen von Neonazis berichtete auch das »Hallesche Tagesblatt«. Demnach würde auf einem von den GUS-Truppen geräumten Teil des Truppenübungsplatzes Colbitz-Letzlinger Heide (nördlich von Magdeburg) an Wochenenden Wehrsportübungen stattfinden, an denen sich auch Gruppen aus Niedersachsen beteiligen würden.
Rückendeckung durch den Verfassungsschutz
Während der Verfassungsschutz bekannt gibt, daß der Höhepunkt der Neonazi-Gewalt noch lange nicht erreicht sei und sich »rechte und linke Gewalt gegenseitig« hochschaukele, schaukeln sich einzig staatlicher Rassismus und Neonazi-Gewalt gegenseitig hoch. Die massive Einflußnahme der Neonaziorganisationen auf die Angriffswelle wird bestritten. Hausdurchsuchungen fanden lediglich in Sachsen statt. Kurz darauf kündigte der mecklenburgische CDU-Ministerpräsident Berndt Seite Razzien gegen Rechts rücksichtsvoller Weise schon im Vorfeld an.
Der Chef des Brandenburger Verfassungsschutzes, Wolfgang Pfaff, gibt immerhin inzwischen zu, daß Organisationen wie die NF in Brandenburg planmäßig vom Westen aus aufgebaut wurden und das von den Neonazis eine Gefahr für die Demokratie ausginge. Waffenbeschaffungen und Wehrsportübungen von Neonazi-Gruppen würde es aber nicht geben. Herr Pfaff sollte sich fragen, ob er den Unfug selbst glaubt.
An fast jedem Wochenende findet im Land Brandenburg eine Wehrsportübung statt. Die bisher erfolgten Durchsuchungen einzelner Neonazi-Wohnungen sind reine Augenwischerei. Die pressewirksamen Ermittlungen nach § 129a gegen die NF um Meinolf Schönborn wegen der Gründung eines »Nationalen Einsatzkommandos« und die Ableger des »Ku-Klux-Klan« - (KKK) in der BRD um Carsten Szczepanski schleppen sich seit neun Monaten hin.
Nach den Pogromen in Hoyerswerda und anderen Städten wurde die Einleitung dieser Ermittlungsverfahren als großer Erfolg verkauft. Bei der Durchsuchung von 21 Objekten in fünf Bundesländern fanden sich zwar sehr wohl belastende Unterlagen, die »eine Zugehörigkeit zum KKK nahelegen«, doch seitdem herrscht Funkstille. Die NF hat nach den Durchsuchungen ihren Mitgliedern Entwarnung gegeben. Der Aufbau einer eingespielten und bundesweiten schlagkräftigen Kadertruppe läuft in des ungestört weiter.
Nach den Pogromen in Rostock tauchten die gleichen Ermittlungsverfahren wieder in der Presse auf, um Aktivitäten des Staates gegen die Neonazi-Szene zu suggerieren. Ein Eindruck der täuscht. So wurden von insgesamt sechs in den letzten beiden Jahren eingeleiteten § 129a-Verfahren gegen elf Beschuldigte aus dem rechtsterroristischen Bereich alle wieder eingestellt. An der Beweislage kann es nicht liegen, eher am politischen Willen, den rechten Terror zu stoppen.
Die Organisierung der »Bewegung«
Tatsache ist, daß die Organisationen des gesamten neonazistischen Spektrums schneller wachsen, als von ihnen momentan organisatorisch zu bewältigen ist. Seit der rassistischen Angriffswelle nach Hoyerswerda haben die Kader fast sämtlicher Gruppierungen die Organisationsarbeit auf regionaler und lokaler Ebene verstärkt. So konnten im Gegensatz zu heute z.B. vor zwei Jahren regionale Aufmärsche nur durch massive überregionale Beteiligung durchgeführt werden. Durch diese Aufbauarbeit in kleineren regionalen Gruppen konnten wesentlich mehr neue Leute angelernt und in die überregionalen Organisationen eingebunden werden als je zuvor. Die organisatorischen Grenzen unter den Neonazi-Organisationen haben zudem erheblich an Bedeutung verloren und gerade auf regionaler Ebene, aber auch beim »Rudolf Heß Gedenkmarsch 1992«, findet eine intensive Zusammenarbeit statt. Weiterhin hat, besonders im Ostteil der BRD, neonazistische Organisierung einen Bewegungscharakter angenommen.
Es bestehen neben parteimäßig organisierten Neonazis zahlreiche Cliquen von rechten Jugendlichen, die lose und durch informelle Kontakte an die Parteienstruktur angebunden sind. Im wesentlichen agieren diese Gruppen in regionalen Aktionsräumen, wobei sie in den meist ländlichen Gegenden mal dieses und mal jenes Heim angreifen. Weiterhin sorgen Neonazi-Skin Konzerte, Hooligan-Randalen, Discobesuche oder auch Wehrsportlager, zu denen auch Nichtorganisierte eingeladen werden, für einen regen Kontakt zwischen Partei-Neonazis und lose organisierten Gruppen. Der Zusammenhalt ist auch untermauert durch die prinzipielle Zustimmung den Parolen der Neonazis gegenüber: Laut einer Brandenburger Studie über »Jugendgewalt und Ausländerfeindlichkeit« stehen 42 Prozent der Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren zu den Parolen »Ausländer Raus - Deutschland den Deutschen«. Schon bei Meinungsumfragen nach dem Rostocker Pogrom zeigte sich der sprunghafte Sympathieschub für die neonazistischen Parteien rechts von der Union, denen ca. 20 Prozent nun ihre Stimme geben würden. Eine nicht repräsenative Umfrage der Bild-Zeitung ergab sogar eine Zustimmung von 39 Prozent für den ultra-rechten „Die Republikaner“-Chef Franz Schönhuber.
Anfang September machte die FDP-Baden Würtemberg den Rechts-Außen Jörg Haider, der der österreichischen Schwesterpartei FPÖ vorsteht, in einer Veranstaltungstournee hoffähig.
Zwei Wochen später rechnete der Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) der Öffentlichkeit nicht nur vor, wieviel Geld an den AsylbewerberInnen gespart werden könne, sondern frohlockt auch, daß die Wahlen nun »rechts von der Mitte« gewonnen würden. Die Hilfstruppen dieser nationalen Politik sind die organisierten Neonationalsozialisten, denen grünes Licht zur Jagd auf Flüchtlinge, ImmigrantInnen und zunehmend auch auf Linke und AntifaschistInnen gegeben wird. Die Neonazis haben eine Massenbasis durch die »Thematisierung der Ausländerfrage«, die von oben gewollte Neubelebung des deutschen Rassismus und die tatkräftige Unterstützung von rechten Politikern erreicht. Die Massenbasis gilt es nun, in ihren Augen organisatorisch zu festigen. Diese organisatorische Festigung gilt es von Seiten der AntifaschistInnen weiterhin mit allen notwendigen Mitteln zu bekämpfen, wie auch die skrupellose Politik der Rechten und Konservativen, die die Sturmtruppen für sich funktionalisieren.
- 1Vgl. „Stern“ 40/92