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Die dänische Neonaziszene

Einleitung

20. August 2005. Auf einem Feld außerhalb eines Dorfes in der dänischen Provinz demonstrieren 87 Neonazis. Es ist die größte Manifestation dieser Art seit vielen Jahren in Dänemark, aber kein Abbild der dänischen extremen Rechten. Dieses findet sich primär im Internet, in Form von Gewalt auf den Straßen und in internationalen Kontakten.

Bild: attenzione-photo.com

Der deutsche Neonazi-Kader Lars Jacobs (2.v.r.) und der Musiker der deutschen RechtsRock-Band “Words of Anger” Daniel T. (3.v.r.) marschierten im August 2007 im dänischen Kolding zum 20. Todestag von Rudolf Heß auf.

Am 20. August marschierten 87 Neonazis im dänischen Provinzdorf Kolding. Die kleine Schar schwenkte Hakenkreuzfahnen sowie schwedische und dänische Nationalfahnen auf einer verlassen Wiese außerhalb des Ortes. Anlass war der Todestag des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß. Diese Versammlung sagt nicht viel über die dänische extreme Rechte aus – abgesehen von ihren internationalen Kontakten. Der Großteil der Teilnehmer bestand nämlich aus deutschen Neonazis1 , die mit der Reise nach Dänemark das Verbot des Heß-Marsches umgingen. Der Großteil der aktiven dänischen Neonaziszene war nicht eingeladen. Die Hauptredner waren ebenfalls aus Schweden und Deutschland; zunächst Jonas Anderson von der Nationalsocialistisk Front (NSF) und als zweiter Redner Christian Worch. Dieser betonte immerhin den angestrebten internationalen Charakter der Demonstration, indem er Englisch sprach, weswegen selbst ein Teil der Neonazis grinsen musste. Der dänische Leiter der Demonstration war Kasper Krøner, der in Schweden wohnt und dem Blood & Honour-Netzwerk angehört. Krøner dirigierte den Marsch und kümmerte sich um den Kontakt zur dänischen Polizei.

Der Niedergang der Neonazis

Wenn die dänische Neonaziszene nicht massiv präsent ist, wie das beispielsweise in Kolding der Fall war, liegt das daran, dass sie keine große Erfahrung in der Ausrichtung größerer Veranstaltungen hat. Die dänische Neonaziszene lebt immer noch vor allem im Internet sowie auf kleinen konspirativen Festen und Treffen. Der Niedergang der Neonazis begann bereits in den 1990ern, als Danmarks Nationalsocialistiske Parti (DNSB) sich mehrmals ohne größeren Erfolg als Organisator von Heß-Märschen für dänische und ausländische Neonazis versuchte. Die mangelnde Fähigkeit »die Straße zu erobern« ließ viele verschwinden und interne Spaltungen aufbrechen. Es gibt jedoch noch einen wesentlichen Faktor, der die extreme Rechte in Dänemark geschwächt hat und noch immer schwächt, nämlich den außerordentlich großen Erfolg der bürgerlichen Rechten, der den Spielraum der Neonazis begrenzt. Hierzu gehört die Danske Folkepartiet, die seit ihrer Gründung 1995 rassistische Politik »legalisiert« und in die Tat umgesetzt hat. Unter anderem deshalb hat die äußerste Rechte außerhalb des Parlaments vor allem Personen angezogen, die gerne und vor allem mit der Androhung von Gewalt und Gewalt arbeiten. Die Krise der dänischen Neonaziszene und die fehlende Zusammenarbeit führten zu zwei neuen Strategien der äußersten Rechten: den Fokus auf der Rekrutierung von Hooligans und die Erstellung einer »patriotischen« Webseite.

Von Hooligans zu Webmastern

Die Webseite mit dem Namen »Dansk Front« wurde nach ihrer Erstellung 2002 schnell zu einem Anlaufpunkt für Rassisten aller Couleur. Seitdem wird sie von einer kleinen Redaktion gepflegt, die immer wieder versucht hat, ein Image als »Patrioten« aufrecht zu erhalten – nicht als Neonazis. Die Gruppe entstammt der Hooliganformation White Pride aus Århus, die seit Mitte der 1990er existiert. Die Seite ist laut der Redaktion »ein unabhängiges Newsportal, das aktuelle Artikel und Reportagen über den Widerstandskampf der Dänen bringt. Gleichzeitig vermitteln wir Kontakte zwischen dänischen Patrioten.« Das Bild einer Gruppe Dänen, die lediglich mehr als allgemein üblich um ihr Vaterland besorgt ist, bekommt jedoch schnell Risse. Zum Beispiel finden sich Massen von Diskutanten im Forum, die neben den Namen Bilder von Hakenkreuzen oder Hitler haben sowie Namen wie »Zyklon B« oder »SS88«. Die kleine Gruppe umfasst etwa 20 junge Männer, die viele internationale neonazistische Kontakte haben. Jedenfalls gibt die Gruppe in Internetforen damit an, Kontakte zu Combat 18 in England zu haben – eine Prahlerei, die später vom dänischem Verfassungsschutz, Politiets Efterretningstjeneste, bekräftigt wurde. Die Gruppe traf sich auch mit führenden norwegischen Neonazis während einer Fußballtour nach Oslo. Und ein kleinerer Teil der Gruppe fuhr u.a. zu einem Neonaziaufmarsch in Neumünster im April 2003. Aber White Pride und Dansk Front zogen schnell Aufmerksamkeit auf sich. Und diese richtete sich auf Jacob Andersen, in der White Pride-Gruppe »der Führer« genannt. Dansk Front gab öffentlich bekannt, dass zwischen der Webseite und White Pride kein Zusammenhang bestehe, Dansk Front sollte als offener, legaler Sammelpunkt für Rassisten erscheinen. Aber in landesweiten Zeitungen wurden mehrere Fotos veröffentlicht, die Jacob Andersen in neonazistischer Gesellschaft in Neumünster zeigen, daraufhin zog Andersen sich zurück.

Die Neonazis gehen auf die Straße

Dansk Front entwickelte sich zu einem Netzwerk, in dem die Organisation recht geschlossen ist, die Angst vor der Polizei, »den Roten« und anderen Feinden werden im Forum ständig erwähnt. Feste, Treffen u.ä. werden heimlich arrangiert, was die meisten Anhänger davon abhält, teilzunehmen. Besonders in Kopenhagen und Nordseeland sammelten sich die Dansk Front-Aktivisten. Sie zeigten zwar weiterhin keine größeren Aktivitäten nach außen, am 20. März 2004 jedoch wollte das neue Dansk Front-Netzwerk auf der Straße Stärke zeigen. Der Anlass war ein Jahrestreffen der Dansk Folkeparti im Ort Fredericia, das über Jahre hinweg antirassistische Demonstranten angezogen hatte. 60 bis 70 Neonazis tauchten in Fredericia auf, und es kam zum Zusammenstoss zwischen Antirassisten und Neonazis. Die Dansk Front-Webseite zeigte sich begeistert in ihrer Schilderung des Tages: »Aufräumen mit den Autonomen« hieß es. Aber die Beigeisterung über die nach außen gerichtete Aktivität nahm schnell ab. Dansk Front hielt im Juni 2004 ein konspiratives Treffen ab, in dessen Folge vier Neonazis von unbekannten Tätern überfallen wurden. Dansk Front schrieb selbst, dass die Täter von der »linken Rowdytruppe Antifascistisk Aktion« gewesen seien und schloss mit einer Erklärung, dass »die Samthandschuhe jetzt weggeworfen sind«. Andere Beiträge im Forum drückten aus, dass »ein kleiner Krieg für mich ganz okay« sei und verküneden: »Rote Schweine, es ist zum Angriff geblasen!« Aber in der Realität schwächte der Angriff Dansk Front in Kopenhagen und Nordseeland. Ihre Aktivitäten nahmen ab und wurden konspirativer.

Gegen die Moschee

Die immer weiter fortschreitende Abschottung führte dazu, dass besonders die Neonazis in Århus sich in ein neues Projekt stürzten: den Verein Århus mod moskeen (Århus gegen die Moschee). Dieser existiert seit dem Ende der 1990er, als die Idee einer neuen großen Moschee für Jylland erstmals diskutiert wurde. In Dänemark existieren bis heute keine Moscheen, die deutlich als religiöse Gebäude zu erkennen sind. Der Verein aus den 1990ern wurde jetzt wiederbelebt – mit einer äußerst rabiaten Unterstützergruppe von Dansk Front und der kränkelnden Hooligangruppe White Pride. Der Fokus auf die Stärkung dieses Vereins markiert eine neue Strategie der Nazis. Århus mod moskeen hat sich kürzlich entschlossen, im November an der Kommunalwahl teilzunehmen. Auf den öffentlichen Treffen von Århus mod moskeen versuchen die Mitglieder, sich daher als »besorgte Mitbürger« zu präsentieren. Auf den internen Treffen zeigen sich jedoch andere Teilnehmer, nämlich Leute von Dansk Front und White Pride. Zusammenfassend kann die dänische Neonaziszene als ziemlich schwach beschrieben werden, primär aufgrund der fehlenden Organisierung. Eine Kerngruppe von Aktivisten hält kleine Aktivitäten aufrecht, versucht verschiedene Formen von Aufbauarbeit und pflegt die internationalen Kontakte. Aus dem Kreis von Neonazis und Sympathisanten, die sich außerhalb dieser Kerngruppe befinden, verschwinden viele wegen der mangelnden außenwirksamen Aktivitäten und »Siege«, während neue Sympathisanten wegen der Heimlichtuerei es meist mehr als schwer haben, in die Szene zu kommen.

  • 1Aus Norddeutschland waren u.a. die Neonazi-Aktivisten Alexander Hardt, Alexander Hohensee, Lars Jacobs und Martin Krause angereist.