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England: Geheimdienste, Neofaschisten und die Falange

Einleitung

Seit Ende der 1980er Jahre lebt der in Italien in Abwesenheit zu fünf Jahren Haft verurteilte italienische Neofaschist Roberto Fiore unbehelligt in London. Ausgesprochen wurde das Urteil wegen „Unterstützung einer staatsfeindlicher, bewaffneter Vereinigung“, der „Nuclei Armati Rivoluzionari“ (NAR)1 . Diese neofaschistische Terrororganisation verübte 1980 das Attentat auf den Bahnhof Bologna, bei dem 85 Menschen ermordet wurden. Auch wenn die italienische Regierung Fiore bescheinigt hat nicht an der Ausführung des Attentats beteiligt gewesen zu sein, so gab es doch keinen Zweifel darüber, daß er eng mit der Gruppe verbunden war, die den Anschlag ausführte.

  • 1Übersetzt: Bewaffnete Revolutionäre Zellen, nicht zu verwechseln mit den "Revolutionären Zellen" in der BRD

Roberto Fiore 1982 auf einem Fahndungsfoto der italienischen Polizei.

Warum weigert sich die britische Regierung Fiore auszuliefern bzw. werden Auslieferungsersuchen nicht beantwortet? In den frühen 1980er Jahren kam eine Gruppe von italienischen Neofaschisten nach London, darunter Roberto Fiore und Massimo Morsello, die beide von der italienischen Polizei gesucht wurden. Kurz bevor Fiore in London eingetroffen war, soll er an einem militärischen Trainingslager der maronitischen-christlichen „Phalangisten“ (Libanesische Falange) teilgenommen haben.

Der britische Geheimdienst MI6 habe in der Folge Kontakt mit ihm aufgenommen und ihm Medienberichten zufolge eine Kooperation vorgeschlagen: Fiore könne in London bleiben, wenn er den MI6 mit Informationen über die Falange deren Führer, ihre Organisation und Stellungen versorge.1 Das machte Fiore offenbar unantastbar für die italienische Regierung, die inzwischen Beweise für eine Anklage gesammelt hatte.

Fiore gehört den Kreisen der sogenannten „Third Position“ (Dritten Position) an, die sich politisch an dem Strasser-Flügel der NSDAP orientiert. Mitglieder dieser Gruppen, wozu auch der britische „National Front“ (NF)-Flügel „Political Soldier“ gehört, haben guten Kontakt zur Falange im Libanon. Fiore hat sich auch in England politisch nicht zur Ruhe gesetzt. Neben einer Wohnungsvermittlung für italienische und spanische Studenten und einigen anderen Nebengeschäften, die er als "Roberto Fiore und Partner" betreibt und die ihm jährlich rund 30.000 Pfund Sterling einbringen sollen, arbeitet er eng mit den „Political Soldiers“ der NF zusammen. Diese Kontakte wurden anscheinend genutzt um italienischen Rechtsterroristen der NAR ein Abtauchen in London zu ermöglichen.

1983 ist Luciano Petrone, ein italienischer Rechtsterrorist, von den Briten ausgeliefert worden, nachdem er bei einer Fiore-Zelle Unterschlupf gefunden hatte.2 Im November 1980 soll Alessandro Alibrandi bei ihm Quartier gefunden haben. Nach einem kurzen Aufenthalt in London, ging auch er in den Libanon in die Ausbildungslager der Falange, bevor er illegal nach Italien zurückkehrte und bei einer Schießerei von der Polizei getötet wurde.

Solche Verbindung zum MI6 würde Fragen über Fiores Rolle dabei, die NF zu radikalisieren und sie „Colonel Ghaddafi“ bzw. dem iranischen Regime anzunähern, aufwerfen. Ende letzten Jahres noch reisten die führenden NF-Aktivisten Nick Griffin und Derek Holland, angeblich bezahlt von der libyschen Regierung, nach Tripolis. Doch kürzlich wurden die Verbindung von Seiten Muammar al-Gaddafis abgebrochen. Vermutlich wurden die schützenden Geheimdienstkontakte offenbar.

Auch bei den „Political Soldiers“ ist nunmehr Zwietracht ausgebrochen. Der Fiore-Anhänger Patrick „Pat“ Harrington3 ist laut Berichten aus der Szene davon überzeugt, daß Derek Holland einen Brief der Libyer an das englische Antifamagazin "SEARCHLIGHT" weitergegeben habe, welcher der NF den Abbruch der Beziehungen mitteilte. Er versuchte den Ausschluß Hollands zu erwirken. "SEARCHLIGHT" hingegen gab zu verstehen, sie hätten direkt über libysche Regierungskreise einen solchen Brief bekommen.

  • 1Nachtrag AIB: Laut dem Bericht „Strage di Bologna Neofascisti nel Mi6“ in der „la repubblica“ vom 4. August 1998 war neben Roberto Fiore auch Massimo Morsello für schuldig befunden worden, der sich ebenfalls auf diese Weise in London der italienische Justiz entzog. Vgl. auch „Writer's name 'leaked' to NF“ in „The Guardian“ vom 31. Januar 1990.
  • 2Vgl.: L' ESTREMISTA NAR LUCIANO PETRONE ESTRADATO A ROMA PER OMICIDIO, „la repubblica“ vom 4. April 1988
  • 3Anmerkung AIB: Patrick Harrington galt als ein Anführer der englischen Neonazi-Gruppe "The Third Way".