Nauener Brandstifter verurteilt
Zu acht Jahren Haft verurteilte das Landgericht Potsdam den ehemaligen NPD-Stadtverordneten Maik Schneider für die Brandstiftung an einer geplanten Flüchtlingsunterkunft in Nauen. Hinzu kommen anderthalb Jahre für weitere Straftaten. Zu insgesamt sieben Jahren verurteilt wurde dessen Mittäter Dennis Wilsky. Vier weitere Mitangeklagte kamen mit Bewährungsstrafen davon. Verhandelt wurde eine Reihe von Straftaten aus dem Jahr 2015, die die Angeklagten in verschiedenen Konstellationen begangen hatten.
„Tröglitz ist auch hier“
Im August 2015 wurde in Nauen ein Brandanschlag auf die Turnhalle des Oberstufenzentrums (OSZ) verübt. Diese hätte wenig später als Notunterkunft für Geflüchtete genutzt werden sollen. Neben Holzpaletten, Autoreifen und Benzin verwendeten die Täter auch eine Gasflasche. Das Ergebnis: Eine völlig ausgebrannte Halle und ein Sachschaden von dreieinhalb Millionen Euro. Das Landgericht Potsdam verurteilte im Februar diesen Jahres Maik Schneider und Dennis Wilsky als Haupttäter zu langjährigen Haftstrafen. Die Angeklagten Christopher L. und Sebastian F. hatten geholfen, die Brennstoffe zu besorgen. Der Angeklagte Christian B. hatte zugegeben Kontrollfahrten durch die Stadt gemacht zu haben. Eine Tatbeteiligung konnte Thomas Frank E. nicht nachgewiesen werden. Schneider hatte im Prozess vergeblich versucht, die Brandstiftung als Unfall darzustellen. Seiner Darstellung, wonach er das Gebäude nicht zerstören wollte, da es sich hier um „Volkseigentum“ handele, sondern die Halle lediglich mit Ruß schwarz einfärben wollte, folgte das Gericht nicht. Schneider und Wilsky legten Revision gegen das Urteil ein.
In den Monaten vor der Brandstiftung wurden in Nauen und Umgebung rassistische Demonstrationen organisiert. Dabei spielten Schneider und dessen Umfeld eine zentrale Rolle. Bereits im April wurde in Nauen das Auto des Vereins Mikado attackiert, der sich für Geflüchtete engagiert. Damals hinterließen die TäterInnen die deutliche Botschaft „Tröglitz ist auch hier“. In dem Ort in Sachsen-Anhalt war kurz zuvor ein Brandanschlag verübt worden. Nach dem Anschlag auf die Halle des OSZ zeigte sich die rechte Szene selbstbewusst. Der damalige Berliner NPD-Vorsitzende Sebastian Schmidtke bekundete im Interview mit dem ZDF seine Sympathie für die Tat: „Für die Region vor Ort ist es natürlich erst mal ein Erfolg. Für Brandenburg selber trotzdem nicht, weil sie1 natürlich in anderen Heimen untergebracht werden.“
Mit prozessökonomischen Gründen gegen §129
Bei den polizeilichen Ermittlungen stand zunächst der Verdacht der „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ im Raum. Die in diesem Fall zuständige Bundesanwaltschaft wies diesen Vorwurf jedoch bald zurück. Im Prozess ging es nur noch um den Vorwurf der „Bildung einer kriminellen Vereinigung“, deren Anführer Maik Schneider gewesen sein sollte. Für Erstaunen sorgte die Potsdamer Staatsanwaltschaft, als sie zu Beginn des sechsten Prozesstages verkündete, diesen Anklagepunkt zurückzuziehen. Die erneute Herabstufung begründete sie mit prozessökonomischen Gründen. So sei nicht auszuschließen, dass es sich um eine kriminelle Vereinigung handele, das nachzuweisen sei aber schwierig und würde den Prozess unverhältnismäßig verlängern, so die Argumentation.
Eine Struktur bestand neben persönlichen Bekanntschaften und wiederholten Treffen vor allem über eine Whats-App-Gruppe names „Heimat im Herzen“. Für das Strafmaß der beiden Brandstifter Schneider und Wilsky ist dieser Anklagepunkt tatsächlich nicht entscheidend, wohl aber für die anderen vier Angeklagten. Die Neonaziszene feierte diese Entscheidung erwartungsgemäß. Die Neuköllner NPD, deren neuer Kreisvorsitzender Jens Irrgang den Prozess regelmäßig besuchte, schrieb von einem „Wendepunkt gegen die linke Lügenpresse“.
„Wer Feuer macht, will dass es brennt.“
Der Prozessverlauf hielt weitere Überraschungen bereit. Bereits der erste Verhandlungstag hatte es in sich. Alle Angeklagten zeigten sich aussagewillig und belasteten sich selbst und ihre Mitangeklagten schwer. Vor allem die Performance des Hauptangeklagten Schneider sorgte für fassungsloses Kopfschütteln. Nach einer angeblich schlaflosen Nacht wollte er unbedingt noch am ersten Tag aussagen. Neben dem Geständnis der Brandstiftung, stellte er selbst eine Unzahl von Beweisanträgen während sein Pflichtverteidiger neben ihm kaum zu Wort kam. Immer wieder meldete sich der (frühere) NPDler um das Prozessgeschehen selbst kommentieren zu können und gab Gericht und Staatsanwaltschaft zu guter Letzt noch Buchempfehlungen mit auf den Weg. Nach dem Jahreswechsel wartete Schneider mir einem weiteren Verteidiger auf, dem Berliner Anwalt Ulli Boldt. In den 1990er Jahren war dieser selbst Teil der organisierten Neonazi-Szene und machte jüngst als Rechtsbeistand von Horst Mahler von sich reden (Vgl. AIB Nr. 61 und AIB Nr. 109). Umso überraschender fiel Boldts Schlussplädoyer aus. Dieser forderte eine doppelt so lange Haftstrafe für Schneider, wie dessen Pflichtverteidiger. Die Brandstiftung kommentierte er mit den Worten „Wer Feuer macht, will dass es brennt“ und räumte ein, dass die politische Motivation der Tat strafverschärfend wirken müsse.
Unpolitische Selbstjustiz ?
Die politische Motivation der Taten wurde vom Gericht fast ausnahmslos erkannt. Wo sich die Taten gegen Geflüchtete und gegen politische Gegner_innen richteten war diese offensichtlich. Die Kategorisierung der Taten als „fremdenfeindlich" ist jedoch unzureichend, da sie verwischt, worum es im Kern geht: Rassismus. In der Urteilsverkündung ging der Richter explizit auf die sogenannte Generalprävention ein. So sollen andere, die sich möglicherweise bemüßigt sehen ähnliche Taten zu begehen, durch das harte Urteil abgeschreckt werden. Lediglich die Autobrandstiftung vom 17. Mai 2015 scheint laut mündlicher Urteilsverkündung keine politische Dimension zu haben. Damals wurde die Polizei in ein Nauener Wohngebiet gerufen, da ein Mann dort Kinder anspreche. Wohnung und Fahrzeug der verdächtigten Person wurden durchsucht. Währenddessen sammelten sich vor Ort aufgebrachte Anwohner_innen. Im Laufe des Abends wurden zunächst die Scheiben des Autos eingeschlagen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass diese Tat durch Schneider ausgeführt wurde. Wenig später, zündete Dennis Wilsky das Auto an, nicht ohne zuvor peinlich genau darauf zu achten, dass andere Anwohner_innen ihre Autos sicherheitshalber umparkten. Es ist davon auszugehen, dass die seit Jahren im Neonazispektrum gefahrene Kampagne „Todesstrafe für Kinderschänder“ den Tätern bekannt war und sie zu diesem Akt der Selbstjustiz ermutigt hat.
Neonazis, die keine sein wollen
Ausschlaggebend für die milde Bestrafung der anderen Angeklagten war neben umfänglichen Geständnissen die Tatsache, dass Christian B., Christopher L., und Sebastian F. sich im Prozess von der rechten Szene distanzierten. Einzig der bereits 2005 wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (Freikorps Havelland) verurteilte Thomas Frank E., distanzierte sich nicht. Die Tatsache, dass dessen Vergangenheit überhaupt bekannt wurde, ist der Recherche von NSU-Watch Brandenburg zu verdanken. Im Prozess kam die neonazistische Gesinnung der Täter kaum zur Sprache. Inwiefern die Distanzierungen mehr als bloße Prozessstrategie gewesen sind, bleibt abzuwarten. Die NPD konnte sich nicht auf eine einheitliche Position zu Schneider einigen. Hochrangige ParteivertreterInnen ließen sich im Gerichtssaal nicht blicken. Der NPD-Landesverband Brandenburg gab im Februar bekannt, dass Schneider nicht mehr Parteimitglied sei. Bislang führt die Homepage der Partei Schneider jedoch weiterhin als kommunalen Mandatsträger.
Das Problem bleibt
Das Urteil kann antifaschistisches Engagement in der Region nicht ersetzen. Weiterhin ungeklärt bleibt die Rolle anderer Neonaziorganisationen wie der „Freien Kräfte Neuruppin-Osthavelland“, die ebenfalls in Nauen aktiv sind. Für eine Reihe von Straftaten wie Aufrufe zu Straftaten, Sachbeschädigungen und eine Brandstiftung an einem PKW von Mitgliedern der Partei DIE LINKE konnten bislang niemand zur Verantwortung gezogen werden. Die Detonation einer Zylinderbombe vor einem Nauener Supermarkt war zwar Teil der Anklageschrift, konnte aber ebenfalls nicht aufgeklärt werden. Die Existenz rassistischer Einstellungsmuster vor Ort, sowie der vielen SympathisantInnen, die sich über die Taten der Angeklagten insgeheim freuten, muss weiterhin thematisiert werden. Vor Gericht war immer wieder zu hören, dass in der Stadt eigentlich niemand traurig über den Brand war.
Eine ausführliche Pressesammlung und Chronologie der Ereignisse findet sich auf inforiot.de
- 1Die Geflüchteten, Anm. d. R