Der Traum von rot-braunen Bündnissen
Es ist an sich nichts Neues, daß Neonazis ab und an versuchen, in der linken Szene Bündnispartner u.a. für ihren "nationalen Feldzug gegen den Imperialismus" zu finden. Nach dem Motto »Die Grenze verläuft nicht zwischen Links und Rechts sondern zwischen Oben und Unten«1 signalisieren sie Dialogbereitschaft. Bereits 1983 anläßlich eines Fußball Länderspiels Deutschland-Türkei bot der damals führende Neonazi Michael Kühnen auf einer Pressekonferenz "den Autonomen" einen »Waffenstillstand« an. Er und seine Neonazi-Hools würden auf einen Sturm auf Berlin-Kreuzbergs verzichten, da der gemeinsame Hauptfeind mit der pro-amerikanischen Bundesregierung in Bonn säße und man demnach gemeinsam für eine antiimperialistische Front eintreten müsse. Wiederholt wurde auch die RAF aus der rechten Ecke für ihren antiimperialistischen Kampf gelobt, vor allem im Hinblick auf die »gemeinsamen Feinde« in Amerika und Israel. Anläßlich der Tötung von Wolfgang Grams konstatierte eine NF-Nachfolgegruppe in ihrem Parteiorgan "Angriff": »Daß Grams auf der falschen Seite stand, würden wir eher als Zufall bezeichnen ( . . . ) der Feind ist nicht im eigenen Volk zu suchen ( . . . ) wir sind bereit mit dem Teufel ein Bündnis einzugehen«. Aus Halle wurde vermeldet, daß drei »ehemalige Linksautonome« integriert seien und »gemeinsam kämpfen« möglich sei.
- 1Aufkleber der Nationalistischen Front (NF)
Gescheiterte Polit-Existenzen ?
"Ich war stets - wie mein langjähriger Chef, der unvergessene Revolutionär Michael Kühnen, der (...) seine politische Heimat bei der damals bereits nationalkommunistischen KPD/ML fand - der Meinung, man müsse um Deutschland (...) zu retten, unkonventionelle Wege gehen, (...), um vielleicht doch noch durch Bündelung revolutionärer Energie, die viel zu lang gegeneinander verbraucht wurde, eine wirkliche geistige und politische Wende (...) einzuleiten«, so der Neonazikader Thomas Brehl im Parteiorgan der "Partei der Arbeit Deutschlands" (PdAD). Bereits 1993 versuchte Brehl, mit der linken »Initiative zur Vereinigung der revolutionären Jugend« in Kontakt zu kommen. Alte Mitkämpfer hatten ihm dann begeistert von einem Treffen mit dem Berliner Michael Koth in Nordrhein-Westfalen berichtet. Michael Koths Gruppen "Partei der Arbeit Deutschlands" (PdAD) und die "Gesellschaft zum Studium und Verbreitung der Chuch’e-Ideologie in Deutschland"1 versuchen, frustierte DDR-Kommunisten und Neo-Nazis unter einen gemeinsamen »national-kommunistischen« Hut zu bringen.
So publizierte Thomas Brehl, ehemaliger »Bereichsleiter Süd« von Kühnens 1983 verbotener "Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten" (ANS/NA), in der PdAD-Parteizeitung einen offenen Brief an »seinen Genossen« Egon Krenz. Am 23./24. August 1997 organisierte er im hessischen Langen, der früheren Hochburg der »Kühnen-Bewegung«, ein Treffen, bei dem Koth mit weiteren Neonaziaktivisten aus Berlin, Langen und NRW in Kontakt kam. Brehl: »Natürlich hatte die Situation etwas Surreales (...) als Michael Koth unter meinem großen Führerbild sitzend von seinen Begegnungen mit Erich Honecker und Egon Krenz berichtete...": Der langjährige Funktionär verschiedener kommunistischer Verbände Michael Koth tauchte mit zwei weiteren Neonazis auch auf dem Geburtstag Erich Mielkes auf. Vermittelt hatte die Begegnung anscheinend Heinz J. (Dortmund) vom „Erich-Honecker-Solidaritätskomitee“. Folgt man Koth, so hatte sich der Funktionär des antifaschistischen "Lagerkomitees Sachsenhausen" und des VVN/BdA Heinz J. ihm gegenüber immer sehr solidarisch verhalten. Das erklärte er zumindest 1995 in einem Interview mit einem Blatt, das von einer NF-Nachfolgeorganisation herausgegeben wird.
Nach dem Ende der DDR begann Koth, ehemaligen DDR-Größen hinterher zu laufen. Zum Beispiel besuchte er 1990 Erich und Margot Honecker. Von 1991 bis 1993 beteiligte er sich an Aktionen wie DDR-Grenzergedenken, baute DDR-Nostalgie-Gruppen mit auf und besuchte inhaftierte DDR-Funktionäre. Koth engagierte sich als Vorstandsmitglied eines „Mauerbaukomitee 13. August“, im "Nationalkomitee Freie DDR" (NKFDDR), beim Komitee „Freiheit für Erich Mielke“ und im "Freundeskreis Sporthaus Ziegenhals". In dieser Zeit nahm er als PdAD-Vorsitzender Kontakt zur nordkoreanischen Botschaft in Berlin auf. Im August 1994 brachte Koth den Neonazi-Aktivisten Stephane C. (Wiesbaden) in die Szene, unter dem Vorwand, einen NVA-Traditionsverband gründen zu wollen. Stephane C. Interesse wird wohl weniger der NVA gegolten haben. Als Mitverantwortlicher bei der Veröffentlichung des Anti-Antifa-Blatts "Der Einblick" dürften ihn eher Koths »Insider-Kenntnisse« über linke und antifaschistische Initiativen und ihre Adressen gelockt haben. 1996/1997 tauchte Koth im Umfeld der Gruppe "Shanghaier Kreis" um Dieter Schütt aus Hamburg mit extrem antisemitischen Sprüchen auf.
»Erkenntnisse eines Kommunisten«
Als Koth im März 1995 für die damals neue extrem rechte Berliner Postille "Sleipnir" warb, wurde er nach einigem Hin und Her aus der KPD ausgeschlossen. Er hatte in einem Werbeschreiben verkündet: "Sleipnir reißt alte Schranken zwischen 'rechts' und 'links' nieder und entwickelt sich zum bedeutendsten Dialogorgan beider Lager. Was im Oktober 1993 auf den Barrikaden Moskaus mit Blut besiegelt wurde, nämlich das Kampfbündnis von Kommunisten und Nationalisten, was in der KDVR (Nordkorea) seit fünf Jahren Staatspolitik ist, sollte auf deutschem Boden doch wohl auch zu verwirklichen sein!"
Ein Jahr später baute er zusammen mit den "Sleipnir"-Herausgebern einen Infotisch beim Liebknecht/Luxemberg-Gedenkzug in Berlin auf, was von verschiedenen KommunistInnen (gegen den Willen einiger PDS-Organisatoren) schnell unterbunden wurde.
Die 1995 gegründete Zeitschrift "Sleipnir" wurde von Peter Töpfer und Andreas Röhler initiiert, die 1993 unter dem Logo einer "Nationalen Linken (NL)" aktiv waren und schließlich den “Verlag der Freunde” (VdF) bzw. die "Andreas Röhler und Peter Töpfer GbR"in Berlin gründeten. Koth sorgte dafür, daß Artikel von kommunistischen Prominenten wie Egon Krenz (letzter Staatsratsvorsitzender der DDR) und Klaus Feske (der Krenz nach Chile gebracht hatte) ins Blatt kamen. Krenz und Feske stellten später klar, das sie nie für "Sleipnir" geschrieben hatten, sondern ihre Texte unautorisiert nachgedruckt wurden. In "Sleipnir" schrieb auch ein Heinz Tobi, der als ehemaliger NVA-Offizier auftrat. Als selbsternannter »Nationalkommunist« wetterte er über die »linken Deutschland-verrecke-Schreihälse«. Diese »Erkenntnisse eines Kommunisten« waren zuvor bereits unter derselben Überschrift in der rechten Publikation "Märkische Nachrichten" (MN) erschienen, die aus dem Umfeld von Nachfolgeorganisationen der Nationalistischen Front (NF) stammten. Verantwortlich zeichnete sich hier ein Thomas Binder. Auch andere Autoren traten als Kommunisten auf. Ein Manfred Gänger erklärte etwa: »Wir deutschen Marxisten sollten in die uns entgegengestreckte Hand einschlagen«. Von den NF-Nachfolgern forderte er, auch für »unsere verfolgten Genossen von Volksarmee, Staatssicherheit, und andere DDR-Staatsnahe Revolutionäre« einzutreten. Diese Autoren sind wahrscheinlich fiktiv: Gängers Formulierungen sind identisch mit denen von Koth. Die Macher der "Märkischen Nachrichten" rühmten sich ihrerseits diverser KPD-Kontakte und begriffen sich - ähnlich wie Koth - als »Nationalrevolutionäre«.
In der Spaltung der NF hatte sich ein »sozialrevolutionärer« Flügel um Andreas Pohl aus Berlin herauskristallisiert, der später als "Förderwerk Mitteldeutsche Jugend" (FMJ), "Sozialrevolutionäre Arbeiterfront" (SrA) sowie "Direkte Aktion - Mitteldeutschland" (JF) auftrat. Nach Angaben der Gruppe "Völkischer Freundeskreis Berlin" trat Andreas Pohl dabei in den Hintergrund und der frühere Anführer der NF-Ortsgruppe in Kremmen, Jens O. aus Eichstädt, übernahm die führende Rolle in der »kommunistischen NF-Abspaltung«. Neben "Sleipnir" und den "Märkischen Nachrichten" stehen diesem Personenkreis auch die extrem rechten Zeitschriften "Sonnenbanner" von Michael See
und "Staatsbriefe" von Hans-Dietrich Sander offen. "Sleipnir"-Herausgeber Andreas Röhler schreibt für die "Staatsbriefe". Der Chefredakteur der mittlerweile eingestellten "Märkischen Nachrichten", Peter Jagodczynski, schreibt in der "Sleipnir" und übernahm viele Artikel aus den "Staatsbriefe". Während Jagodczynski 1992 noch für "Die Republikaner" in Berlin-Lichtenberg kandidierte, lud er im Oktober 1995 zu einem Staatsbriefe-Lesertreffen in Berlin, das nach Protesten von AntifaschistInnen allerdings ausfiel. Zwar gibt es die "Märkischen Nachrichten" nicht mehr, aber die Staatsbriefe und Sleipnir erscheinen unverändert weiter.
Das Sonnenbanner ist mittlerweile mehr für NS-Anhänger konzipiert. Michael See trat auch als presserechtlich Verantwortlicher für die "Partei der Arbeit Deutschlands" (PdAD) auf. Der bekannte Neonaziaktivist Michael See kann auf Führungsaufgaben in verschiedenen neofaschistischen Gruppen wie »Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei« (FAP) und "Kameradschaft Leinefelde" zurückblicken. In seinem "Kampfblatt für Nationale Sozialisten", dem "Sonnenbanner" erklärte er, »daß sich die Vertreter des linken und rechten Spektrums Gedanken darüber machen sollten, ob es nicht zweckmäßig wäre, kooperativ zusammenzuarbeiten, um die politischen Hauptziele beider politischen Strömungen durchsetzen zu können«. Im "Sonnenbanner" war auch Michael Koth Autor, wie er in einem Interview mit dem "Sleipnir"-Herausgeber Peter Töpfer zugab, das auch über das Computer-Netzwerk "Thule Netz" verbreitet wurde. Der neonazistische "Freundeskreis Nationaler Sozialisten / Aktion Volkswille" (FNS/AW) um Michael See versuchte, in linken Kreisen in Thüringen Fuß zu fassen, wobei es teilweise gelungen sein soll, Punks und ehemals linksorientierte Jugendliche zu gewinnen.
Nationaler Sozialismus nach dem Vorbild Nord-Koreas?
Bereits Anfang 1995 hatte Koth eine Delegationsreise nach Nordkorea unternommen. Laut Berichten aus der rot-braunen Gemeinde soll auch Heinz Kubier hier mitgefahren sein. Er stammt aus dem Umfeld der PdAD, wurde zeitweilig als stellv. Berliner Landesvorsitzender der KPD/DDR (der sog. Wauer KPD) genannt und trat als Funktionär des "Berliner Freundeskreises Ernst Thälmann Gedenkstätte e.V." auf. Nach Angaben des »Roten Morgens« der KPD/ML soll er früher auch Westberliner Neonazis in seiner Wohnung beherbergt haben. Auf Betreiben Koths nahmen auch mehrere Angehörige der Neonaziszene an der Reise teil - laut "Der Spiegel" einige ehemalige NF'ler der SrA. Der Ex-Betreiber des "Nationale Infotelefon" (NIT) in Berlin, Ulli Boldt, erklärte im Mai 1995, die Diskussionen über ein »Kampfbündnis von Kommunisten und nationalen Aktivisten gegen das System« seien bei einer gemeinsamen Reise von Ex-KPD'lern und Neonazis in Nordkorea weitergeführt worden. Auch in den "Märkischen Nachrichten" berichtete 1995 ein Redaktionsmitglied, das dort unter dem Namen Frank Liersch mehrmals über Nordkorea schwärmte, über seine Teilnahme an der Fahrt vom 7. April bis zum 20. April 1995. Gastgeber waren Angehörige der dortigen "Dschutsche-Akademie", die Kontakte zu einem Sekretär des ZK der Partei der Arbeit Nordkoreas und einem Abteilungsleiter der Liga der sozialistischen Arbeiterjugend herstellten.
Folgt man der Eigenwerbung der PdAD, so sind hier Eisenbahner, Beamte, Ex-NVA-Offiziere, sprich »Arbeiter der Stirn und der Faust«, im Kampf für »ein volkssozialistisches, gutes, freies Deutschland - ein Deutschland für ALLE Deutschen« vereint. Die DDR-Linken, auf die sich die Partei bezieht, wären nicht zur schonungslosen Selbstkritik bereit und würden jeden, der die »richtigen« Schlußfolgerungen ziehe, als Nazi beschimpfen. Nach PdAD-Analyse konnte der Sozialismus deshalb besiegt werden, weil er von Moskau abhängig gewesen sei. Sozialistische Länder, die nicht den »verhängnisvollen Anti-Nationalen Weg» gegangen seien, hätten einen eigenen Sozialismus aufbauen können. Hierzu zählten die VR China, Vietnam, Kuba, und als Lieblingsvorbild die Koreanisch Demokratische Volksrepublik (KDVR). Viele einfache Mitglieder kommunistischer Gruppen oder der PDS hätten das schon begriffen und würden mit der PdAD bzw. der "Freundschaftsgesellschaft Pro Nordkorea" zusammenarbeiten. Ihre Begründung lautet etwa so: Kim II Sung (»großer Führer des Koreanischen Volkes«) habe dem Marxismus/Leninismus sein nationales Fundament zurückgegeben und jede Nation habe das Recht, den Sozialismus dem Heimatland entsprechend zu gestalten - also auch das deutsche Volk. Das internationalistische Modell (á la Komintern) habe nun mal nicht überlebt, und dem nationalen Sozialismus gehöre - international - die Zukunft. Und hier kommen Neonazi-Parteien wie die NPD ins Spiel...
»...eine Plattform mit den Nationalisten/Sozialisten...«
»...schon während der Busfahrt von Berlin nach Bayern gaben wir viele Vorurteile auf. Etwa 50% der Reiseteilnehmer waren Glatzen, also Skinheads, was bei einigen Teilnehmern unserer Delegation eine mittlere Nervenkrise auslöste. Doch während der achtstündigen Fahrt lernten wir diese jungen Menschen als disziplinierte, höfliche Mitmenschen kennen, und es bahnten sich gute Gespräche über Deutschlands Zukunft mit ihnen an....« berichteten (Ex-)Kommunisten über ihre Fahrt zum NPD-Kongreß in Passau. Da mit dem Ende der DDR alle gesellschaftlichen Verhältnisse in Bewegung gekommen seien, ist für Koth und seine Freunde das traditionelle »Rechts-Links-Schema« überholt und im Kampf gegen den »BRD-Unrechtsstaat« nicht mehr anwendbar. Im Klartext heißt das, daß mit klaren antifaschistischen Positionen, für ihn »stupide Nazis Raus Parolen«, bei den Deutschen nichts mehr zu gewinnen sei. Es gäbe dagegen Revolutionäre »von beiden Seiten der Barrikade«, die zu der Erkenntnis gelangt seien, daß man gemeinsam kämpfen müsse. Nach anderthalb Jahren der Verfolgung durch die »Handlanger des BRD-Staates in Form von Autonomen und Antifa-Aktivisten« hätten sie nun bei der NPD um »politisches Asyl« gebeten und dies auch erhalten.
Unter der Überschrift: »Ein Sozialist in Passau« träumte Koth im regionalen NPD-Organ "Sachsenstimme" von einem möglichen Volksfrontbündnis gegen das "Köln-Regime". Große Teile der NPD, insbesondere ihr Vorsitzender Udo Voigt und als Speerspitze der NPD-Landesverband Sachsen mit Jürgen Schön, gäben ihm Hoffnung für eine rot-braune Bündnispolitik. Die PdAD und die mit ihr eng verbundene "Freundschaftsgesellschatt Pro Nordkorea" sehen sich hierbei als Vorreiter einer neuen Bewegung, da viele Funktionäre von DKP und PDS Angst hätten, sich zu diesem Bündnis zu bekennen. Koth erklärt: »Die russischen Genossen sind uns da Lichtjahre vorraus: Betrachten wir nur einmal die Blockpolitik der KP Rußlands (Gluganow), die eine Plattform mit den Nationalisten/Sozialisten bildet.«
Nach seit längerem bestehenden freundschaftlichen Verbindungen der PdAD zur NPD-Sachsen, boten NPD-Führungskräfte Koth an, einen »Propaganda- und Volksaufklärungsstand - Pro Nord Korea (KDVR)«2 beim NPD-Parteitag in Passau aufzubauen. Diese Entscheidung war nach Darstellung der PdAD in den eigenen Reihen nicht unumstritten. Besonders die Westberliner Mitarbeiter hätten gemauert. In Passau, so schwärmt Koth geschmeichelt, hätte sie der NPD-Landesverband Hessen mit den Worten: »Na, Sozialisten, wir wollen euch nach der langen Fahrt mal was zu Essen und Trinken hinstellen«, begrüßt. So war mit den »hessischen Kameraden« schnell Freundschaft geschlossen und sie wurden nach Berlin eingeladen. Eingeladen wurden auch die Neonazis vom "Nationalen Jugendzentrum" in Wurzen, die voller Begeisterung Literatur aus Nordkorea kauften und die exotischen Berliner »Sozialisten« zu einem Vortrag in den Muldentalkreis einluden. Voller Überzeugung erklärt die PdAD: »Alle NPD-Verbände auf dem Boden der ehemaligen DDR können als progressiv eingeschätzt werden - Ausnahme Berlin, hier herrscht noch immer antikommunistischer Frontgeist«.
Ein KDVR-Unterstützungsaufruf für Nordkorea endet mit Vorwürfen an die PDS. Wo bleibe deren Aufschrei angesichts der »koreanischen Tragödie«, die von den »Völker- und naturverhöhnenden One-World-Strategen - made in USA« und der »regierenden Finanzplutokratie« verursacht sei. Rechte Gruppen wie die NPD dagegen erklärten sich solidarisch mit den »Opfern des US-Imperialismus« und würden dazu aufrufen, die »hungernden Volksmassen Nordkoreas und den Sozialismus in den Farben der KDVR« zu unterstützen. Nach eigenen Angaben waren viele derjenigen, die diesen Aufruf unterschrieben, wenigstens einmal auf Einladung der Parteileitung bzw. Staatsführung der KDVR in Nordkorea gewesen. Doch die Linke in der BRD hätte nichts für die Menschen Nordkoreas getan und die »rechten Führerchen« seien zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um zu erkennen, daß materielle Hilfe die »beste nationale Politik der Zukunft« sei. Dafür wird dann noch eine Liedzeile von Erich Weinert aus dem Jahr 1930 bemüht: »Wir fragen nicht nach Verband und Partei, seid ihr nur ehrlich im Kampf mit dabei«. Im Kampf mit dabei sind Vertreter aus allen »anständigen Lagern (mit Ausnahme notorischer Antikommunisten)«. Das reiche von der neuen KP Italiens über die KP Rußlands zum französischen "Front National" und den koreanischen Christen. Wie man dem Organ der PdAD, der "Berliner Arbeiter Zeitung" 3 entnehmen kann, stellte die NPD-Sachsen 1.000,- DM an Spenden für Nordkorea bereit.
Am 30. Juli 1998 wurde dann eine Delegation des NPD-Vorstandes und des NPD-LV-Sachsen vom Botschafter der Demokratischen Volksrepublik Koreas, Ri San Yu , in die diplomatische Vertretung eingeladen. Die NPD überbrachte eine Note, in der sie ihre Solidarität mit dem »antiimperialistischen Kampf« ausdrückte. Anwesend waren neben den NPD-Funktionäre Winfried Petzold, Jürgen Schön und Hans-Günther Eisenecker natürlich auch die PdAD mit ihrem Vorsitzenden Koth.
Resümee
Auch wenn Gruppen wie die PdAD und Zeitschriften wie "Sleipnir" ihre Unterstützung oft zusammenklauen oder damit spielen, bewußt Beiträge von Neonazis und Kommunisten durcheinanderzuwürfeln, wobei sie oft selbst geschrieben oder von fremden Verfassern unautorisiert übernommen werden, soll doch bewußt der Anschein erweckt werden, daß Neonazis und Kommunisten in trauter Gemeinsamkeit und ohne Widersprüche miteinander diskutieren. Hierbei geht es nicht allein um rot-braune Bündnisträume von gescheiterten (linken/rechten) politischen Existenzen. Hier wird auch der Totalitarismustheorie, wonach linke und rechte Extremisten irgendwie doch das Gleiche sind, Tür und Tor geöffnet.
Diese Strategie ist seit den 1920er Jahren bekannt. Es gab und gibt immer wieder Bemühungen, Sozialismus von rechts zu besetzen. Hier sind klare Positionen bzw. Abgrenzungen und ein geschärftes linksradikales Bewußtsein nötig. »Sozialismus« oder »Antiimperialismus« von rechts (vor allem wenn es , gegen den »US-Imperialismus« geht) oder das Stellen bzw. Offenhalten einer »nationalen Frage« findet auch in der Linken immer wieder prominente Anhänger. Beispiele sind hier u.a. der Ex-RAF-Aktivist Horst Mahler (jetzt Autor in der rechten "Jungen Freiheit"), Alfred Mechtersheimer aus der Bundestagsfraktion der Grünen (jetzt Anführer der rechten "Deutschland Bewegung") oder der frühere "konkret" Herausgeber Klaus Rainer Röhl (jetzt rechter Publizist).
Bis vor einigen Jahren gingen viele AntifaschistInnen davon aus, daß die Vermischung von linken und nationalistischen/rechten Parolen als Problem hauptsächlich in der Subkulturzene zu finden sei. Doch nun gibt es wieder verstärkt Versuche sämtlicher rechter Strömungen, ehemalige Linke oder enttäuschte DDR-Bürger zu mobilisieren. Hier werden von der NPD Bauernvereine gegründet und Kontakte zur DDR-Blockpartei "National-Demokratische Partei Deutschlands" (NDPD) gemacht. Bekannte Neonazikader wie Christian Wendt verfassen Plädoyers für einen "nationalen Sozialismus" (veröffentlicht in der "Sleipnir" und im "Thule Netz"). Und für die »Freien Nationalisten« propagiert Thomas Brehl den »Sozialismus der Zukunft«.
Erinnert sei hier auch an die Debatte im Neuen Deutschland (ND) im Herbst 1998 »Wie national muß die Linke sein?«, die von Roland Wehl, einem Redakteur und Autor der rechten nationalrevolutionären "Zeitschrift für nationale Identität" namens "wir selbst" mitangestoßen wurde. Die 1979 durch eine JN-Gruppe um Siegfried Bublies unter Hinzugewinnung von Personen wie Horst Josef Ackermann (ehemaliges Gründungsmitglied der KPD/ML) gegründete Monatszeitung sieht sich ebenfalls in der Tradition der historischen Nationalrevolutionäre der Weimarer Republik und knüpft an Themen an, die die »nationale Linke« ansprechen sollen. In der Neonazi-Szene wurde die Behauptung aufgestellt, der libyschen Staatschef Muammar al Gaddafi hätte den nationalrevolutionären Politikansatz von "wir selbst" mit einer Million D-Mark unterstützt 4 Es ist also kein Versehen, daß sie - wie im Sommer 1998 - auch Anzeigen in der Zeitung "die tageszeitung" (taz) schaltet. Im ND entwickelte sich die Diskussion schnell zum national-völkischen Coming-Out frustrierter Sozialisten und zum Propagandaforum für bekannte rechte Autoren. Marcel Braumann, Autor der rechten Blätter "Mut" und "wir selbst", schreibt da über die »nationale Aufgabe«. In einem anderen Beitrag zog der Autor in der neofaschistischen Zeitung "Nation & Europa" Michael Nier gegen die "volksfeindliche Politik des transnationalen Kapitals« zu Felde. Und ein weiterer Diskutant rief gar im ND zur Gründung eines »nationalen Jugendverbandes« auf. Das Schöne an der DDR, heißt es in dem Beitrag, habe vor allem darin bestanden, daß der Aufenthalt von Ausländern »zeitlich begrenzt gewesen sei«.
Auch die NPD, vor allem in Sachsen, hat ihre Chance erkannt und versucht, potentielle PDS-Wählerinnen mit pseudosozialistischen Parolen abspenstig zu machen. In einem sächsischen NPD-Flugblatt heißt es: »Wir fordern ehemalige Hoheitsträger und Führungskräfte aus der DDR auf, in unserer Partei mit ihrer Sachkunde und ihrem politischen Kritikvermögen mit zu wirken«, denn »die Mehrheit unserer Mitglieder ist im 8. Jahr des Beitritts der DDR zur BRD der Meinung, daß die DDR das bessere Deutschland war.« Auch wenn die PdAD um Michael Koth zahlenmäßig nur eine kleine Gruppe mit begrenztem Einfluß ist, gehört sie zu den lautstärksten Vertretern rot-brauner Bündnisse. Es erscheint daher wichtig, ihren ideologischen Einfluß auf Teile der Neonaziszene genauso sorgfältig zu beobachten, wie ihre Versuche, sich als Linke zu präsentieren und linke Gruppen zu unterwandern.
- 1Es handelt sich um die Lehren des verstorbenen nordkoreanischen Dikators Kim II Sung
- 2KDVR steht für "Koreanische Demokratische Volksrepublik"
- 3Der Name ist von der Publikation "Berliner Arbeiterzeitung" vom "Kampfverlag" der frühen NSDAP der 1930er Jahre übernommen
- 4"Kader oder Massenpartei" in "Vorderste Front", Nr. 1, Oktober 1990, Seite 18.